Der König und sein Spiel. Dietrich Schulze-Marmeling
Zahl von Kindern und Jugendlichen erreichbar sein und sich nach Möglichkeit in der Nähe einer Schule oder einer anderen Bildungseinrichtung befinden. Die Plätze sollen in dicht besiedelten Gebieten die Rückkehr zum Straßenfußball ermöglichen, aber auch für andere sportliche Aktivitäten benutzbar sein.
Der Cruyff Court in Jaffa entsteht in Kooperation mit der zionistischen niederländischen Organisation Collectieve Israel Actie. Die „Jerusalem Post“ berichtet: „Der Cruyff Court Yafo soll ein Beispiel für Koexistenz und ein Versprechen für Frieden in Israel und im Mittleren Osten sein. Er soll Kindern einen sicheren Platz für sportliche Aktivitäten bieten. Durch die Kooperation von Lokalparlament, Verbänden, Schulen, Sport- und Fußballklub und der lokalen Geschäftswelt kann der Cruyff Court – auf dem Juden und Araber gemeinsam spielen können – eine wichtige soziale Funktion in der Nachbarschaft ausüben.“ Die Einweihungszeremonie findet im Cherner Community Center in Jaffa statt, in Anwesenheit des Bürgermeisters von Tel Aviv-Jaffa, des Botschafters der Niederlande, Vertretern von Collectivie Israel Actie, der Cruyff Foundation und des Peres Center for Peace.
Israel ist für Cruyff aber bereits seit vielen Jahren ein Thema. Am 17. Juli 1973 berichtet die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“, dass der 26-jährige niederländische Fußballstar eine der Galionsfiguren einer Spendenkampagne für den Bau eines Fechtzentrums für junge Fechter in der Nähe von Tel Aviv sei. Initiatorin der Kampagne ist Ankie Spitzer, Witwe des bei den Olympischen Sommerspielen 1972 in München von einem palästinensischen Terrorkommando ermordeten Fechttrainers Andre Spitzer.
Der 1945 in Rumänien geborene Spitzer war 1964 in die Niederlande emigriert, um dort als Fechttrainer zu arbeiten. In den Niederlanden verliebte er sich in seine Studentin Ankie. 1971 heiratete das Paar und ging nach Israel. Dort gründete Spitzer eine Fechtakademie und übernahm im Alter von nur 27 Jahren die Betreuung der israelischen Olympiamannschaft. Nach der Ermordung der elf israelischen Athleten und Trainer bezichtigte Ankie Spitzer die Regierung der Bundesrepublik der Mitverantwortung. Neun der Israelis waren bei einem äußerst dilettantischen Befreiungsversuch von Bayerischer Grenzpolizei und Münchener Polizei ums Leben gekommen.
Johan Cruyff nimmt auch Stellung, als Israel im sogenannten Zweiten Golfkrieg vom irakischen Diktator Saddam Hussein bedroht wird. Der hatte am 2. April 1990 rund 100.000 Soldaten in Kuwait einmarschieren lassen. Im November verabschiedete der UNO-Sicherheitsrat die Resolution 678 und stellte darin dem Irak das Ultimatum, Kuwait bis zum 15. Januar 1991 zu verlassen. Am Heiligabend 1990 erklärte Iraks Diktator Hussein, dass Israel das erste Ziel eines Vergeltungsschlags wäre, wenn die USA und ihre Verbündeten in den Konflikt eingreifen sollten.
Johan Cruyff hat einen Tipp für Israels Politiker und Militärstrategen parat: „Wenn ich Israel wäre, würde ich die Uhr am 15. Januar fünf Minuten vorstellen. Hinterher sagst du dann zum Irak: Ach, war es bei euch noch keine zwölf Uhr?“
Der Irak lässt das Ultimatum verstreichen, und am 17. Januar beginnt die von den USA angeführte Streitkräftekoalition mit ihrer Operation Desert Storm. Nur einen Tag später macht Saddam Hussein seine Drohung wahr, und die ersten Scud-Raketen gehen auf Israel nieder. Kurz darauf, im Februar 1991, wird Johan Cruyff in Barcelona mit einem Herzanfall ins Krankenhaus eingeliefert. Zwar ist der Zweite Golfkrieg im vollen Gange, trotzdem werden in Israel die Nachrichten unterbrochen, um über Cruyffs bedrohlichen Gesundheitszustand zu berichten.
Der Häuptling und die Guten
Cruyffs Popularität in Israel wurde vor allem durch die WM 1974 befördert. Moshe Zimmermann, Direktor des Richard Koebner Center for German History an der Hebräischen Universität in Jerusalem, ein exzellenter Fußballkenner und Fan des Hamburger SV: „1974, als im Endspiel Deutschland gegen Holland antrat, manifestierte sich erstmals die für die israelische Erinnerungskultur symptomatische Haltung. In den Augen vieler Israelis war dieses Endspiel, wie das Endspiel 1966 für die Engländer, die Fortsetzung des Zweiten Weltkriegs auf dem Fußballfeld. Holland, dem in Israel der Mythos einer Ikone des Widerstands gegen das Dritte Reich anhaftet, musste gewinnen, und dies nicht nur, weil Johan Cruyff und Co. fußballerisch besser waren. Vielmehr sollte auf diesem Weg die Geschichte ‚korrigiert‘ werden. Hingegen war die arabische Minderheit in Israel, soweit daran interessiert, eher für die deutsche Mannschaft – rührend aus einer historisch-politischen Mischung von Verehrung (für Deutschland, Anm. d. Autors) und Verachtung für die israelische Politik der Gegenwart.“
Dr. Eyal Gertman hat sich der Popularität der niederländischen Nationalmannschaft in Israel im Rahmen einer wissenschaftlichen Arbeit gewidmet: „Die großen Sympathien, die die Nationalmannschaft Hollands, eines der zwei beliebtesten Länder in der israelischen Öffentlichkeit, genießt, rühren vor allem aus der Nachsicht der Israelis bezüglich des Verhaltens der Holländer während des Zweiten Weltkriegs. Im Laufe der Jahre wurden einige falsche Mythen kreiert. So wurde Holland die ganzen Jahre über als ein freundschaftlich gesonnenes und Israel uneingeschränkt unterstützendes Land betrachtet. Und als ein Land, das während des Krieges vielen Juden half.“
Die Wahrheit sei aber eine andere. Gertman: „Als Israel im Jom-Kippur-Krieg um europäische Hilfe bat und sich insbesondere an Holland wandte, um die Genehmigung zur Landung amerikanischer Flugzeuge mit Waffen und Hilfe für Israel auf holländischem Boden zu erhalten, weigerte sich die holländische Regierung strikt, diese zu gewähren. Die einzige europäische Regierung, die den amerikanischen Flugzeugen genehmigte, auf dem Weg nach Israel auf ihrem Boden zu landen, war ausgerechnet die von Deutschland. Trotz dieser Tastsachen änderte sich die Einstellung der israelischen Bevölkerung hinsichtlich ihrer feindlichen Haltung gegenüber Deutschland nicht, während Holland Sympathie und Wohlwollen erhalten blieb und als Israel unterstützendes und liebendes Land gesehen wird.
Der Mythos um Holland wurde im Laufe der Jahre geschaffen, und der Staat Israel wählte Holland für die Rolle des guten Helden aus. Der oft zitierte Satz, ‚die ganze Welt ist gegen uns’, der in den ersten Jahren der Staatsgründung aufkam und gepflegt wurde, teilte Deutschland die Rolle des bösen Helden zu, während Holland als ‚Retter‘ betrachtet wurde, der schon immer zionistische Aktionen unterstützt habe. Die Geschichte von Anne Frank, der europäische Liederwettbewerb, holländische Volontäre in den Kibbuzim und natürlich die attraktive holländische Nationalmannschaft verstärkten dieses Bild.“
Die Entscheidung der Israelis, bei der WM 1974 die Holländer zu unterstützen, sei nahezu selbstverständlich gewesen. „Die israelische Nationalmannschaft selbst scheiterte in der WM-Qualifikation, nachdem es ihr vier Jahre zuvor das erste Mal gelungen war, in der Endrunde dabei zu sein. Während der Spiele in Mexiko, die zum ersten Mal im öffentlichen Fernsehen live übertragen wurden, schied Israel bereits in der Gruppenphase aus. Die enttäuschen Fans suchten nun nach einer ausländischen Mannschaft, mit der sie sich identifizieren konnten. Diese Rolle übernahm die Nationalelf Brasiliens. 1970 war dies eine natürliche Entscheidung: Die brasilianische Mannschaft stach durch Pelé hervor und galt als die beste aller Zeiten. Vier Jahre später, bei der WM in Westdeutschland, gab es bereits viel mehr Israelis, die die Übertragungen im Fernsehen verfolgen konnten. Allerdings herrschte durch das Fehlen der israelischen Nationalelf ein Vakuum. Brasilien war diesmal keine Option. Die meisten großen Spieler wie Pelé hatten die Mannschaft verlassen. Das Vakuum wurde nun wie selbstverständlich von der Elf der Holländer gefüllt. Das Zusammenspiel des geschichtlichen Mythos, der die Holländer als die Juden liebend darstellt, sowie der perfekte und erfrischende Fußball der Holländer um Cruyff, das Fehlen Israels bei der WM und die traditionelle Feindseligkeit gegenüber der deutschen Nationalelf ergaben eine als selbstverständlich erscheinende Mischung. Die Israelis schlossen die holländische Elf in ihr Herz. Holland wurde zu einer der beliebtesten Mannschaften in Israel, wenn nicht sogar zur beliebtesten. Dass sie im Finale den Deutschen unterlag, verstärkte diese Haltung noch und meißelte die Spiele von 1974 in das kollektive Gedächtnis der Israelis und die Niederlage von München als ungerecht ein. Generationen von Kindern, die nach der WM 1974 in Israel aufwuchsen, verinnerlichten dies und betrachteten eine Unterstützung der Holländer als selbstverständlich.“
Der Champion Israels
Uzi Dann gehört zu den renommiertesten Fußballschreibern in Israel und