Virginia und der ehescheue Graf. Barbara Cartland

Virginia und der ehescheue Graf - Barbara Cartland


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Hast du vor, die Einladung anzunehmen?«

      Sekundenlang herrschte Schweigen.

      Der Earl brachte die Pferde zum Stehen, dann sagte er: «Warum nicht? Ihr Haus liegt äußerst bequem, ganz in der Nähe des Rennplatzes, und ihre Partys sind auch akzeptabel.«

      »Dann könnten wir ja zusammen dorthin fahren«, sagte Lord Yaxley. »Würdest du so nett sein, mich mitzunehmen? Natürlich nur, falls du keine anderen Pläne hast.«

      »Es wird mir ein Vergnügen sein, Willoughby.«

      Nachdem die beiden Männer sich voneinander verabschiedet hatten, brachte ein Kutscher des Earl Lord Yaxley zu dessen Wohnung, die nur zwei Straßen vom Helstone-Haus entfernt lag.

      Der Earl schritt durch die Halle und betrat die Bibliothek.

      Einen Augenblick später erschien sein Sekretär, Mr. Grotham, und verneigte sich.

      »Was liegt an, Grotham?« fragte der Earl.

      »Eine große Anzahl von Einladungen, Mylord. Doch damit möchte ich Sie jetzt nicht behelligen. Außerdem kamen einige Briefe. Ich habe sie auf Ihren Schreibtisch gelegt.«

      Der Earl ging zu seinem Schreibtisch und nahm in dem bequemen Ledersessel Platz. Auf der Schreibunterlage fand er vier Kuverts, deren Adressen offensichtlich von weiblicher Hand geschrieben waren.

      Mr. Grotham öffnete niemals ein Schreiben, das seiner Meinung nach eher persönlichen Charakter besaß. Die Jahre im Dienste Seiner Lordschaft hatten die Augen des Sekretärs geschärft. Und es passierte eigentlich nie, daß er die Handschrift einer Dame einmal nicht auf Anhieb erkannte.

      Mit einem Blick sah der Earl, daß drei der Briefe von Lady Genevieve stammten. Die schwungvollen, ein wenig ausufernden Schriftzeichen ließen daran überhaupt keinen Zweifel.

      Während der Earl niederblickte, verengten sich seine Lippen zu einer harten Linie.

      Er war nicht mehr auf die Angelegenheit zurückgekommen, die Lord Yaxley und er in der vergangenen Nacht besprochen hatten. Aber die Empörung, die ihn bei der Auskunft des Freundes ergriffen hatte, war noch nicht abgeklungen.

      Wie konnte Genevieve es versuchen, so fragte er sich, ihn mit dem ältesten und billigsten Trick der Welt einzufangen? Und wie konnte er solch ein Narr sein und auch nur einen Augenblick lang annehmen, daß Genevieve ihm die Wahrheit sagte!

      Als die Affäre mit Lady Genevieve begann, hatte er nicht im mindesten an etwas Ernsthaftes gedacht. Was ihm vorschwebte, war die zwanglose Verbindung zweier aufgeklärter Menschen, die mit den entsprechenden Spielregeln vertraut waren.

      Daß Genevieve sich in ihn verliebt hatte, wie sie unablässig beteuerte, beeindruckte ihn nicht im mindesten. Ärgerlich war nur, daß sie glaubte, ihre Gefühle unbedingt an die große Glocke hängen zu müssen.

      Anfangs hatte der Earl die junge Witwe begehrenswert gefunden. Sie übte eine ungewöhnliche Faszination auf ihn aus. Noch nie in seinem Leben war er einer Frau mit einer solchen Leidenschaft und mit einem solchen Feuer begegnet.

      Sie vermochte es, einem Mann alle Wonnen der Liebe zu schenken. Dafür revanchierte er sich mit Brillanten und Rubinen, führte sie in die exklusivsten Restaurants und beglich widerspruchslos die astronomischen Rechnungen, die ihm von den verschiedenen Modesalons in der Bond Street zugeschickt wurden. Außerdem hatte er ihr eine Kutsche geschenkt, und die Pferde, die sie zogen, riefen den Neid all ihrer Freunde hervor.

      Doch nie nicht einmal einen Moment lang war der Earl auf die Idee gekommen, Lady Genevieve Rodney zu heiraten.

      In seinen Augen war sie der Typ von Frau, der wie er aus eigener Erfahrung wußte einfach nicht imstande war, ein ganzes Leben einem einzigen Mann die Treue zu halten. Weder ihrem Gatten noch ihrem Liebhaber.

      Der Earl war fest davon überzeugt, daß sie sich hinter seinem Rücken gewissenlos mit jedem Mann einlassen würde, der ihr gefiel und ihre Begierde entflammte.

      Doch was er nicht begriff, war, daß Genevieve ihn schon allein deshalb unwiderstehlich fand, weil er als ehescheu galt. Denn noch keiner Frau war es bisher gelungen, den eingefleischten Junggesellen dazu zu bewegen, sie zum Altar zu führen.

      Irgendetwas im Kern seiner Persönlichkeit schien sich den Frauen zu verschließen.

      Sogar in den Augenblicken größter Nähe spürte Genevieve, daß sie ihn nicht wirklich besaß, daß sein Herz ihr nicht voll und ganz gehörte. Und deshalb vielleicht, gerade weil der Earl sich ihr entzog, weil sie die Begehrende und nicht die Begehrte war, verliebte sich Genevieve in ihn.

      Genevieve war tieferer Gefühle nicht fähig, und ihre Hingabe glich eher einem Strohfeuer. Aber sie war eine ungewöhnlich leidenschaftliche Frau, eine Nymphomanin mit dem unersättlichen Verlangen nach jedem Mann, der ihren Gefallen erregte.

      Selbst für Genevieves verwöhnte Ansprüche war der Earl ein außerordentlich begabter Liebhaber. Doch umso mehr litt sie unter der Tatsache, daß sie ausgerechnet bei ihm nicht die letzte Befriedigung fand.

      Sie war es gewohnt, daß ein Mann ihr zu Füßen lag und ihr Sklave wurde. Sie brauchte das Bewußtsein, einen Mann völlig zu beherrschen. Er mußte sich nach ihr verzehren, sie anbeten als seine Göttin. Und weil das in ihrer Beziehung fehlte, weil der Earl sich Genevieve im Innersten entzog, versuchte sie ihn auf andere Weise an sich zu ketten: Sie faßte den Entschluß, ihn zu heiraten.

      Natürlich war dies nicht der einzige Beweggrund für Genevieve. Abgesehen von allen gefühlsmäßigen Motiven war der Earl einfach eine hervorragende Partie.

      Keine Frau in ganz England hätte ihm einen Korb gegeben, wäre er mit der Bitte zu ihr gekommen, die Seine zu werden.

      Auch ohne die Geschichten, die man sich von seinem unermeßlichen Reichtum erzählte, brauchte eine Frau ihm nur gegenüberzustehen, um auf der Stelle ihr Herz an ihn zu verlieren.

      Genevieve zog also alle Register ihrer Verführungskunst, bot all ihren Charme und all ihre Liebenswürdigkeit auf, um den Earl an sich zu fesseln.

      Erfolglos.

      Es war ihr zwar ein leichtes, seine Begierde zu entflammen, und er zeigte sich ihr gegenüber von einer geradezu verschwenderischen Generosität. Aber nie kam das Wort 'Ich liebe dich!' über seine Lippen. Im Gegenteil, um seine Lippen spielte stets ein feines, zynisches Lächeln, wenn er sich mit ihr unterhielt. Und seine Stimme war nie, ohne diesen spöttischen Unterton, den sie an ihm so haßte.

      Sie wußte sehr genau, daß er sie im Grunde nicht brauchte. Wenn er sie spät in der Nacht verließ, war sie nie wirklich sicher, ob sie ihn wiedersehen würde. Und oft genug hatte sie die Befürchtung, daß er sie buchstäblich auf der Stelle vergaß, sobald er ihr Haus verlassen hatte.

      Wenn Genevieve ehrlich zu sich war, mußte sie zugeben, daß sie unter dem Earl litt. Daß er sie in Wirklichkeit regelrecht zum Wahnsinn trieb.

      »Wann wirst du mich endlich heiraten, Osric?« fragte sie eines Nachts, während sie sich fest in seine Arme schmiegte und nur die Flammen des Kaminfeuers ihr Schlafzimmer erhellten.

      »Du bist unersättlich, Genevieve«, erwiderte der Earl.

      »Unersättlich?« fragte sie.

      »Ja«, antwortete er. »Gestern habe ich dir einen Brillanten geschenkt. In der vergangenen Woche waren es Rubine. Und wenn ich mich nicht irre, kaufte ich dir in der Woche davor eine Smaragdbrosche, die Dir so gefiel. Ich muß sagen, du bekommst nie genug!«

      »Bitte? Jetzt geht es doch nur um einen kleinen Goldreif?« bat sie flüsternd.

      »Das ist das einzige, was zu verschenken ich mir nicht leisten kann, meine Liebe.«

      »Aber warum nicht? Wir würden so glücklich sein, das weißt du doch auch.«

      »Was nennst du glücklich?«, fragte der Earl ausweichend.

      »Für mich besteht das Glück darin, mit dir zusammen zu sein«, erwiderte Genevieve. »Du weißt, daß ich dich glücklich machen


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