Knappgeschichten. Christian A Hirsch

Knappgeschichten - Christian A Hirsch


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Es kam aus ihm heraus, dem Baum. Der ähnlich einem Hund mit dem Schwanz, einer Katze durch ihr Schnurren, einem Kind durch sein Lachen, zum Ausdruck brachte, dass es ihm gut ging, dass er im vollen Saft stand, kraftvoll, erfüllt und wohl genährt.

      Die benachbarten Bäume gaben diese Geste zurück und einer nach dem anderen ließ ein Rauschen der Blätter entstehen. Man hätte glauben können, ein kleiner Sturm zöge umher, aber es blieb absolut windstill und das Rauschen verhallte nach einer zweiten Wallung. Das Grün der Blätter schimmerte nur für einen kurzen Augenblick, gelblich grell, und war eins mit der Helligkeit der Sonne. Ein Lächeln.

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      Ein Schuh und eine Brille lagen einsam nebeneinander an einer Wurzel. Efeu nahm sich seiner an und ließ es unter dem Dach seiner Blätter verschwinden.

      In der folgenden sternenklaren Nacht legte sich kühlender Tau auf die Blätter und Rinden und der Baum kam zur Ruhe. Kraft und Größe waren ausgewogen.

      Ein leichtes Vibrieren, rhythmische Schritte, in weiter Ferne.

      Die Säfte begannen träge aus der Ruhe zu erwachen, flossen schneller.

      Die Blätter stellten sich auf und die Bäume ringsherum bildeten eine kleine Gasse zum Feld hin. Eine Person, die weit hinten über das Feld erkennbar war, bewirkte reflexartig die Anregung der kleinen Knospen an den Blattansätzen. Erst ganz vereinzelt, dann mehr, und schließlich in Stößen entschwanden kleine, dann größere Wolken gelber Schwebkörper aus den Drüsen der Knospen. Zielstrebig, einem imaginären Windstoß folgend, flogen die kleinen Teilchen auf das Feld hinaus auf die Person am Horizont zu.

      Schwarze Seele

      1992 (überabeitet 2009)

      Am Horizont ging die Sonne auf, und das war ein Schauspiel, wie er es in dieser Form noch nicht hatte erleben dürfen. Sie durchbrach die hauchdünne Linie der Wolkendecke und ließ diese in allen nur erdenklichen Farbtönen erstrahlen, wobei sie gleichzeitig das dunkle Firmament in ein strahlendes Blau verwandelte, das zuerst noch dunkel war und dann immer heller wurde. Nun gewannen die morgendlichen Rottöne schnell an Raum. Unterhalb der Bruchlinie am Horizont erwachte die Welt in vielfachen Schattierungen von Grau und Schwarz, bis auch hier allmählich der Tag anbrach und das Land seine Farbe zurückerhielt.

      Es war sein erster Flug überhaupt, und er hatte eisern auf dieses Erlebnis hin gespart. Jeden Pfennig, der nicht unbedingt benötigt wurde, hatte er für diese Reise zurückgelegt, die die Erfüllung eines lang gehegten Traumes zum Ziel hatte. Afrika sehen. Sein Afrika. Und so begann also der Tag, an dem dieser Traum wahr werden sollte.

      Er hatte sehr viel gelesen und jede Information gesammelt, die er über dieses Land in die Finger bekommen hatte. Sein Schreibtisch war übersät mit Notizen, seine Wände gespickt mit Ausschnitten aus Zeitungen und Prospekten, ja selbst in der Küche, an und um seine Pinnwand herum, waren Informationen mit Nadeln und Tesafilm angebracht oder hafteten mittels Magneten am Kühlschrank. Von jeder Information, die dort zu finden war, hatte er eine Kopie gemacht, die nun in einer kleinen, prall gefüllten Ledertasche in seinem Handgepäck ruhte.

      Die Stewardess räumte das Frühstück vom Klapptisch und lehnte die Bitte um ein weiteres Getränk ab, da die Maschine bereits mit dem Endanflug auf Harare begonnen hatte. So zog er seinen Gurt wieder straff, brachte den Sitz in die Grundstellung, neigte seinen Kopf in Richtung des Fensters und sank entspannt ein Stück in den Sitz zurück, die Landung erwartend, sich nach dem näherkommenden Land verzehrend.

      Seine Gedanken kreisten um die Viktoria-Fälle im Nordwesten des Landes, den Whanki-Nationalpark mit seiner reichhaltigen Tierwelt. Die letzte Ruhestätte von Cecil Rhodes, der am 26.März 1902 verstorben war. Cecil Rhodes war zwischenzeitlich der Namensgeber für dieses Fleckchen Erde gewesen, bevor sich die Schwarzen die Unabhängigkeit erkämpft hatten. Auch wenn Rhodesien nie wirklich internationale Anerkennung fand, so trug es doch kurzzeitig seinen Namen. Heute liegt er auf einem Berg im Matopo-Gebirge in Simbabwe begraben, am sogenannten World's View. Aber das hatte ihn noch nie so recht interessiert. Ob nun Rhodesien oder Simbabwe – den Sehenswürdigkeiten tat das keinen Abbruch.

      Im Gegensatz zum Start in Frankfurt verlief die Landung recht holprig, aber sie ging ohne größeres Unglück über die Bühne, und endlich entließ ihn das Flugzeug in die warme Sonne des südlichen Afrika. Im Flughafengebäude angekommen, erkundigte er sich nach seinem Weiterflug und stellte überrascht fest, dass er noch bis zum späten Abend Zeit hatte, ehe ihn die hiesige Staats-Airline zu den Viktoria Fällen bringen würde.

      So stand er in dem alten Gebäude, das ihn eher an einen kleinen Bahnhof erinnerte als an einen Flughafen, und betrachtete das Kommen und Gehen der meist hellhäutigen Menschen, die sich hier trafen. In der gesamten Organisation der Abläufe stellte er fest, dass es durchaus Unterschiede in der Art und Weise gab, wie die einheimischen Schwarzen und die Gäste durch die Einreiseformalitäten geschleust wurden. Die meisten Weißen hatten mindestens an zwei Stellen mehr zu halten.

      Er brach seine Beobachtungen des Passagierstromes ab und wandte sich einem Kiosk zu, wo er eine kleine Broschüre über die Hauptstadt Harare entdeckte. Doch als er den Stadtführer kaufen wollte, stellte er fest, dass er zuerst Geld wechseln musste, bevor er weitere Unternehmungen in Angriff nehmen konnte.

      Nachdem er mehrere Formulare ausgefüllt, seine Reiseziele angegeben, die möglichen Hotels aufgeführt und sein Weiterflug-Ticket vorgezeigt hatte, hielt er endlich die heimische Währung in den Händen. Ein Blick auf die Uhr ließ ihn gewahr werden, dass immer noch etliche Stunden bis zu seinem Weiterflug übrig waren.

      So entschloss er sich, einen Blick auf die Hauptstadt zu werfen, und bestellte sich ein Taxi. Er wusste, dass mitten in der Stadt ein großes Hotel lag. Fotos davon schlummerten in seiner Aktentasche und zierten in der Heimat seine Wände. Er bat den Taxifahrer, dieses Hotel anzusteuern, und öffnete anschließend seinen soeben erworbenen Stadtführer, um nachzuschauen, welche Sehenswürdigkeiten in der Nähe des Hotels lagen.

      Leider war der Prospekt komplett in Englisch gehalten, so dass es ihm Mühe bereitete, die Textpassagen zu verstehen. Auf der Fahrt versuchte er mit dem Taxifahrer in ein Gespräch zu kommen, doch musste er schnell einsehen, dass die Verständigung schwierig war. Der Taxifahrer gab sich zwar große Mühe, aber außer seiner Landes- beziehungsweise Stammes-Sprache redete er nur in einem sehr schlecht zu entschlüsselnden Englisch. So zog er es vor, ein längeres Frage-und-Antwort-Spiel zu vermeiden, und versuchte sich erneut an dem Stadtplan. Die Symbolik war insgesamt recht einleuchtend, aber dennoch fand er das Hotel, zu dem er sich gerade bringen lassen wollte, nicht eingezeichnet.

      Am Hotel selbst angekommen, versuchte er mit dem Portier ins Gespräch zu kommen, doch auch hier zeigte sich die sprachliche Barriere. Leicht entnervt gab er auch diesen Versuch auf. Er nahm all seinen Mut zusammen und ging erst einmal blind drauflos, in der Hoffnung, bald einen Platz oder ein Gebäude zu finden, das er in Einklang mit dem Plan bringen konnte. Oder es würde eine Situation eintreten, die sich mit den Daten seiner heimatlichen Recherche deckte. Dann, ja, dann wäre er wirklich angekommen.

      Auf der Fahrt vom Flughafen in die Innenstadt war ihm zu seiner Überraschung aufgefallen, dass der Verkehr ähnlich stark war wie in den Städten zu Hause. Nunmehr zu Fuß unterwegs, mischte er sich in die Menschenmassen, die sich auf den Straßen und Plätzen tummelten. Sein Fortkommen gestaltete sich jedoch langsamer als geplant. Mit der Zeit befiel ihn eine leichte Nervosität ob des regen Treibens in den Straßen von Harare, das bis zum 18. April 1982 noch Salisbury geheißen hatte. Das Gedränge wollte einfach nicht weniger werden, keine Nische der Ruhe und Behaglichkeit bot sich an.

      Jetzt, inmitten der einheimischen Bevölkerung, fühlte er sich zunehmend einsam und fremd. Die vielfältigen neuen Gerüche, die unverständlichen Wortfetzen und Gesprächsfragmente, die an sein Ohr drangen, und die vielen Augen, die ihn zu beobachten schienen, steigerten sein inneres Unwohlsein immer mehr. Unterschwellig wurde ihm bewusst, dass die weiße Hautfarbe nicht die dominierende war. Auch schauten die Menschen sehr ernst und angestrengt drein.

      Als er die erste Metzgerei in seinem Afrika erspähte, traute er seinen Augen nicht. Verwundert positionierte er sich vor dem Eingang


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