Umgelegt in Chicago - Bluternte 1929: Kriminalroman. Alfred Bekker
mich, dass Sie damit nichts anzufangen wissen. Mein Mann ist George McCormick - der Chef der städtischen Abwasserverwaltung von Chicago!“
Mir fiel es wie Schuppen von den Augen. Daher kannte ich den Namen also. Aber da McCormick nun nicht gerade ein seltener Name ist, hatte ihn nicht mit dieser Lady in Verbindung gebracht, zumal sie altersmäßig eigentlich gar nicht zu George McCormick passte.
„Über Ihren Mann habe ich tatsächlich eine Menge in der Zeitung gelesen“, erklärte ich.
George McCormick war Mitte fünfzig und wurde verdächtigt, in einen gewaltigen Korruptionsskandal verwickelt zu sein. Allerdings nur in einen von vielen und die Zeitung sprach davon, dass es in den letzten Monaten eigentlich schon verdächtig ruhig in Chicago gewesen war.
„Die Affäre um Ihren Mann köchelt doch schon eine ganze Weile auf Sparflamme dahin“, meinte ich. „Soweit ich weiß, soll er Gelder, die eigentlich für die Instandhaltung der Abwasserkanäle gedacht waren, in den Bau von Wohnblocks umgeleitet haben.“
„George hat mich nie in seine Arbeit eingeweiht - und ich habe mich da auch immer völlig heraus gehalten“, behauptete Cynthia McCormick. „Die Polizei glaubt jetzt, dass mein Mann die Wertsachen zusammengesucht hat und untergetaucht ist, bevor die Justiz zuschlagen konnte.“
Ich hob die Augenbrauen „Und Sie halten das für völlig ausgeschlossen?“
Ihr Lächeln wirkte kühl und geschäftsmäßig. „Wenn Sie mir auch nicht glauben, sind Sie vielleicht der falsche Mann für diesen Job, Boulder.“
„So habe ich das nicht gemeint, Mrs McCormick“, versuchte ich sie sofort wieder zu beruhigen.
„Und wie dann?“, fragte sie.
„Ich dachte nur, dass Sie vielleicht dasselbe denken würden, wenn Sie bei der Polizei wären!“
Sie schüttelte den Kopf. „Nein, Mister Boulder, ich bin mir sicher, dass mein Mann einem Verbrechen zum Opfer fiel.“
„Irgendwelche weiteren Anhaltspunkte haben Sie dafür aber nicht, oder?“
„Er hat die besten Anwälte und jede Menge Freunde in der Stadtverwaltung! Ich glaube einfach nicht, dass die Sache mit den –angeblich! – veruntreuten Geldern für die Sanierung der Abwasserrohre ein Grund für ihn gewesen wäre, einfach alles stehen und liegen zu lassen.“
„Wie war Ihr Verhältnis?“, stellte ich jetzt eine heikle Frage, bei der ich bei dieser empfindsamen Mimose damit rechnen musste, dass sie mir den Job gleich wieder entzog. Aber alles hatte seine Grenzen.
Meine Kompromissfähigkeit auch.
Ich halte mich für einen ganz guten Detektiv. Manchmal kann ich sogar Wunder vollbringen – aber immer nur dann, wenn alle Fakten auf dem Tisch liegen.
Und das war ein Stadium, von dem wir in diesem Fall noch weit entfernt waren.
„George liebt mich!“, behauptete sie. „Er weiß, was er an mir hat. Regelrecht auf Rosen gebettet hat er mich...“
„Und was empfinden Sie ihm gegenüber?“, unterbrach ich sie.
„Nun, er...“ Sie zögerte, dann trat sie etwas näher an mich heran.
Ich konnte ihr Parfum riechen. Wahrscheinlich kostete ein Flakon davon mehr, als ich in einer Woche durchschnittlich verdiente. Sie spreizte den Arm mit der Zigarettenspitze etwas ab und sah mich mit ihren dunkelbraunen Rehaugen an.
Eins musste man ihr lassen – den Augenaufschlag hatte sie gut drauf. Wahrscheinlich hatte sie in ihrem langweiligen Luxusleben kaum etwas anderes gemacht, als vor dem Spiegel zu posieren und dabei ihre Wirkung genau zu kalkulieren.
Ein paar Jahre früher und sie hätte es beim Film versuchen können.
Aber sie hatte auf eine andere Option gesetzt und die hieß George McCormick. Ein sorgenfreies Leben an der Seite eines reichen Mannes.
Vielleicht war ihre Entscheidung ganz richtig gewesen, denn für die neumodischen Tonfilme war ihre Stimme einfach entschieden zu schrill.
„Es gibt niemand, der mit George vergleichbar wäre“, sagte sie.
„Und ich weiß genau, dass er mir so etwas nicht angetan hätte!“
„Okay, ich bekomme normalerweise 25 Dollar am Tag plus Spesen. Aber in Ihrem Fall sind die Ermittlungen aufwändiger, da muss ich 40 nehmen.“
Das schien sie nicht weiter zu stören. „Kein Problem. Ich bezahle Sie für eine Woche im Voraus, da ich annehme, dass es eine Weile dauert, bis Sie etwas herausgefunden haben.“
„Gut.“
„Außerdem bekommen Sie zehn Prozent des Wertes für jedes wiederbeschaffte Stück aus der Beute des Einbruchs.“
„Wie viel ist da insgesamt abhanden gekommen?“, fragte ich.
Sie ließ die Zigarette noch einmal aufglimmen und machte eine Pause, um ihren Worten eine größere Wirkung zu verleihen.
Außerdem versuchte sie ihrer Stimme einen betont dunklen Klang zu geben, was in ihrem Fall einfach gegen die Natur war. „Ich denke insgesamt hatte der Schmuck einen Wert von 50 000 Dollar. Mindestens!“
Ich pfiff durch die Zähne und dachte: Vielleicht hätte ich noch mehr verlangen sollen!
Andererseits stiegen mit dem Honorar wahrscheinlich auch Mrs McCormicks Erwartungen ins Unermessliche und da es voraussehbar war, dass ich die am Ende nicht erfüllen konnte, bedeutete das im Endeffekt nur Ärger für mich.
„Machen Sie mir bitte eine möglichst vollständige Liste aller verschwundenen Gegenstände. Je genauer die Beschreibung ist, desto größer die Chance für mich, die Klunker ich irgendwo aufzutreiben.“
„Das habe ich bereits erledigt!“, sagte sie, griff in ihre Handtasche und holte ein Kuvert daraus hervor, das sie mir anschließend übergab. Es enthielt tatsächlich eine beeindruckende Liste von Schmuckstücken. Der Gesamtwert von 50 000 Dollar war dabei eher niedrig angesetzt, wie ich feststellte. Ihre Handschrift beeindruckte mich. Sie war sehr klein und wirkte gestochen scharf. Da war kein überflüssiger Tintenklecks und die Striche ließen nicht einmal den Hauch von Unsicherheit erkennen.
Eine Frau, die genau wusste, was sie tat und sehr penibel war, so sagte mir mein Wissen als Amateurgraphologe.
„Ich denke, damit kann ich etwas anfangen“, sagte ich und drückte damit aber in erster Linie wohl eine Hoffnung aus.
Cynthia McCormick atmete tief durch. Sie trat ans Fenster, blickte hinaus in die Stadt und glaubte sich wohl einen Moment lang unbeobachtet. Aber ich sah von der Seite, wie sich ihre Gesichtszüge entspannten.
Irgendetwas stimmte mit diesem Gesicht nicht. Ich vermochte nicht zu sagen, was genau es war. Ich fand nur, dass eine besorgte Witwe anders aussah.
Aber die Aussicht, zehn Prozent vom Wert des verschwundenen Schmucks meinem Konto gutschreiben zu können, verscheuchte diese Bedenken sehr schnell.
Was den Kopf betraf, ging das ganz schnell.
In der Magengegend hielt sich das ungute Gefühl etwas länger und eigentlich war es besser, seiner Instinkte nicht einfach zu ignorieren.
Sie drehte sich wieder herum und schluckte. Ihre Stimme klang Tränen erstickt und im Ganzen machte ihr Auftritt einen ziemlich theatralischen Eindruck auf mich. Breitwand-Kino für ein Ein-Mann-Publikum.
„Sie verständigen mich doch sofort, wenn Sie etwas herausgefunden haben, oder?“
„Natürlich.“
„Ich wusste gleich, dass der Fall bei Ihnen in guten Händen ist, Mister Boulder.“
„So?“
„Ja, Sie haben... das gewisse Etwas eben, das einen sofort erkennen lässt, es mit jemandem zu tun zu haben, der es ehrlich