Der Countertenor Jochen Kowalski. Jochen Kowalski
Susanne Stähr (*1964) war Pressesprecherin der Hamburgischen Staatsoper und leitende Dramaturgin der Salzburger Festspiele; seit 2007 arbeitet sie für das Schweizer LUCERNE FESTIVAL. Sie ist als Autorin tätig, hält Vorträge und gehört zum Musikalischen Quartett des SWR.
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.
ISBN 978-3-89487-930-3
ISBN 978-3-7618-2059-9
© 2013 by Seemann Henschel GmbH & Co. KG, Leipzig
Gemeinschaftsausgabe der Verlage Seemann Henschel GmbH & Co. KG, Leipzig, und
Bärenreiter, Kassel
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Umschlaggestaltung: Ingo Scheffler, Berlin
Titelfoto: Brigitte Dummer
Lektorat und Bildredaktion: Claudia Thieße
Gestaltung und Satz: Grafikstudio Scheffler, Berlin
E-Book: Beltz GmbH Bad Langensalza, Bad Langensalza
Für V.T.
Dank
An erster Stelle bedanke ich mich herzlich bei Susanne Stähr, die Zusammenarbeit mit ihr war eine große Freude. Besonderer Dank gebührt ebenso Birgit Faehse, ohne deren sanften Druck und Engagement das Buch nicht zustande gekommen wäre. Danke sagen möchte ich außerdem den geduldigen und hilfsbereiten Damen vom Henschel Verlag, Claudia Thieße und Susanne Van Volxem, sowie dem stets freundlichen Personal vom Schlosshotel Grunewald, wo die Gespräche für dieses Buch stattgefunden haben.
Jochen Kowalski
Berlin, im August 2013
Inhaltsverzeichnis
PROLOG »Bloß keine Lobhudeleien« Vom heiklen Unterfangen, das eigene Leben zu erzählen
KAPITEL 1 »Olle Jochen ist halt etwas verrückt« Eine Kindheit im Havelland
INTERMEZZO 1 »Entweder singen oder saufen« Der Sängerberuf: ein Traum und seine Tücken
KAPITEL 2 »Und damit machst du Weltkarriere!« Vom Requisiteur zum Countertenor: Lehrjahre in Berlin
INTERMEZZO 3 Geheimpost an Herbert von Karajan Über Repertoire und Interpreten
KAPITEL 4 »Ey, Jochen, die Mauer ist auf!« Wendezeiten: die Jahre 1989/90
INTERMEZZO 5 »Du musst die Führung übernehmen« Vom klugen Umgang mit den Medien
KAPITEL 6 »Jochen, mit Ihnen stimmt etwas nicht!« Das letzte Kapitel: ein neuer Anfang
EPILOG »Warum soll König Lear nicht mal ein Counter sein?« Zum Abschluss ein Ausblick
Verzeichnis der Bühnenrollen im Musiktheater
Prolog
»Bloß keine Lobhudeleien«
Vom heiklen Unterfangen,
das eigene Leben zu erzählen
Lieber Herr Kowalski, wir sitzen hier im noblen West-Berliner Schlosshotel Grunewald …
… ja, in einer echten Oase, an meinem Lieblingsplatz im Westen der Stadt, neben der sechsten Etage des KaDeWe natürlich, der Feinschmeckerabteilung. Es gibt für mich kaum einen angenehmeren Platz in West-Berlin als dieses Schlosshotel, denn schon als Kind wollte ich gerne König sein. Und hier, im neobarocken Ambiente, in diesem Klein-Versailles, kann ich meine Lieblingsrolle spielen, mit Kaiser Wilhelm und seiner Gemahlin, der Kaiserin Auguste Viktoria, an der Wand. Beide gucken uns allerdings ganz schön streng an. Kaiser Wilhelm II. war ja eigentlich ein Freund der Künste, aber wenn ihm etwas nicht behagte, dann sagte er einfach: »Mir passt die janze Richtung nicht!«
Na, das soll hoffentlich nicht der Leitgedanke für unser Projekt werden … Wir werden uns hier in den kommenden Monaten an ein paar Sonntagnachmittagen treffen, um über Ihr Leben zu sprechen und ein Buch zu schreiben. Hätten Sie sich das vor dreißig Jahren, als Sie noch Gesang an der Ost-Berliner Hochschule für Musik »Hanns Eisler« studierten, eigentlich träumen lassen: in einem Fünf-Sterne-Hotel im kapitalistischen »Ausland« Hof zu halten und einer Autorin aus dem Westen Ihre Erinnerungen zu erzählen?
Na, sicher nicht! Aber ist das nicht ohnehin ein verrücktes Jahrhundert, in dem wir leben? Da werden die unwahrscheinlichsten Dinge wahr: Eine einstige FDJ-Sekretärin wird Bundeskanzlerin der Bundesrepublik Deutschland, ein ehemaliger Flakhelfer steigt bis zum Papst auf, um dann wieder nach einigen Jahren freiwillig von diesem Amt zurückzutreten, und da passt es doch gut ins Bild, wenn ein früherer Requisiteur auch zum Countertenor mutiert, zum Wanderer zwischen Ost und West. Wir sind doch eigentlich ganz schön privilegiert, solche einmaligen Dinge erleben zu können, ob sie jetzt große politische und historische Dimensionen berühren oder nur ganz private Lebensläufe.
Die eigene Lebensgeschichte zu erzählen ist ein heikles Unterfangen, und es