Im wilden Balkan. David Urquhart

Im wilden Balkan - David Urquhart


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Die Bequemlichkeit und Schicklichkeit, Nacken, Arme und Beine zu entblößen, die Leichtigkeit, sie zu waschen, ohne sich dabei ausziehen zu müssen, der Halt eines engen Gürtels rund um die Taille, die Freiheit jedes anderen Körperteils von allem Zwang, das sind Vorteile, von denen das fränkische Kostüm gar nichts weiß, in denen aber gerade der Vorteil jedweder Bekleidung liegt.

      Das waren hinreichende Gründe, um die Snuffers beiseitezulegen, wie der fränkische Anzug dort bezeichnend genannt wird, und der mir in Babá begegnete Vorfall brachte mich auf die Vermutung, dass mit der Veränderung noch größere Vorteile verknüpft seien als die bloße Fähigkeit, anständig ohne Amidam1 und sauber ohne Schuhwichse zu sein, und so kam ich dazu, eine Menge von Gegensätzen zwischen den Sitten des Morgen- und Abendlandes zu bemerken, die ich nicht alle mit Stillschweigen übergehen kann.

      Es gibt Mitglieder der menschlichen Gesellschaft, die unter den abendländischen Völkern verknechtet, entwürdigt und erniedrigt sind, während sie im ganzen Orient einen Grad von Bequemlichkeit und Unabhängigkeit genießen, der eine Satire auf unsere sogenannten freien Institutionen ist. Inwiefern diese Glieder der Gesellschaft, deren Interesse ich verfechte, Beachtung verdienen, mag man daraus entnehmen, dass die Anzahl dieser Bedrückten dem Doppelten der anderen Mitglieder der Gesellschaft sehr nahekommt, die man Köpfe nennt: Ich meine nämlich die Füße. Es ist überflüssig, mich über die Strenge der unseren Füßen auferlegten Maßregeln auszulassen, weil jeder weiß und fühlt, wo ihn der Schuh drückt. In schwarze Formen gezwängt, sind sie der gemeinsamen Vorteile der Luft und oft des Wassers beraubt, und es wird ihnen nie gestattet, sich über den niedrigsten Grad des Daseins zu erheben. Weil wir aber mit diesem Zustand der Entwürdigung und des Leidens durch die Gewohnheit vertraut sind und keinen anderen Zustand der Dinge kennen, bilden wir uns ein, diese Entwürdigung sei notwendig, dieses Leiden unvermeidlich. Wie verschieden ist aber die Lage der Füße im Orient. Zu völlig gleichen Rechten mit ihren Bruderhänden zugelassen, nehmen sie auch einen gleichen Anteil Pflichten auf sich. Kein Sinn wird durch ihre Gegenwart verletzt, kein Widerwille durch ihren Anblick erregt; sie werden mit Achtung auf das Sofa des Großen gelegt oder gehen geschickt mit den Werkzeugen in des Arbeitenden Werkstätte um – und zwar im vollen Genuss des Lichtes, der Luft und des Wassers, Stiefel und Schuhe benutzend statt von ihnen benutzt zu werden. So bewahren sie den ursprünglichen Zweck dieser Einrichtungen, die gleich so vielen anderen von der Not erzeugt und Verwandte des Despotismus geworden sind. Hören wir davon, dass einem orientalischen Monarchen die Füße geküsst werden, welche falschen Ideen bieten sich dann nicht uns dar, nicht nur über die menschliche Natur, sondern auch über die Fußart. Wir denken uns unter dem Begrüßenden ein verworfenes Wesen, das den verworfenen und widerlichen Sklaven küsst, den wir im Stiefel schleppen und einen Fuß nennen. Aber der Fuß, wie er im Morgenland existiert, ist ein ebenso wertvolles wie nützliches Glied, wird zu einem gewissen Rang erhöht, mit Sorgfalt gepflegt und im zierlichen Wohlsein erhalten – simplex munditiis (einfach in seiner Schlichtheit).1

      Dort erfreut sich der Fuß des Daseins in einem Halbstiefel, der in Gemeinschaft mit der Kopfbedeckung, und wie in den Tagen der Größe Roms, die Grundeigenschaft des Mannes bezeichnet. Wenn die festliche Henna ihre Farben den rosigen Fingern mitteilt, verschmäht sie es nicht, die Zehen mit ihrem Purpur zu schmücken, und die listige Kokette, der Allgewalt eines hübschen Fußes bewusst, erweckt Aufmerksamkeit, indem sie den Nagel der dritten Zehe ebenso färbt wie den des dritten Fingers.

      Kein Wunder, dass der verkrümmte und unanständige Fuß des Abendländers den Abscheu fürchtet, den seine Gegenwart erregen würde, und sich scheut, seine abschreckenden Formen zu zeigen. Eingeschlossen, eingesperrt, eingezwängt, verkümmert seine Natur, wie sein Geschick, seines natürlichen Rechtes entäußert. Wie seines schönen Ebenmaßes beraubt, verlangt er die schützende Hülle des Kalbsleders für seine verkrüppelten Zehen, während äußere Zierlichkeit und Glanz die hilflos Eingesperrten für die Marter der Hühneraugen und die Qualen der Gicht entschädigen müssen.

      Dieser Gegensatz zwischen den Gewohnheiten des Ostens und Westens im Blick auf einen solchen Grundbestandteil der Gesellschaft ist nicht der einzige Kontrast, dessen Beobachtung der Mühe wert, dessen Vergleichung höchst lehrreich ist. Ich will noch ein paar Proben hinzufügen, die als Kern dienen mögen zu einem Museum gesellschaftlicher Erscheinungen im Okzident und Orient. Wollten Reisende anfangen Proben zu sammeln, so könnten wir Daten erhalten, um einen künftigen Linné der Sitten anzuleiten, die Abarten zu klassifizieren, die Kennzeichen dieser beiden großen menschlichen Genera zu ordnen und zu bestimmen.

      GEGENSÄTZE

      Europäer erhalten durch das Legen des Grundsteins die Erinnerung, Türken feiern die Errichtung des Daches.

      Bei den Türken ist der Bart ein Zeichen der Würde, bei uns der Vernachlässigung.

      Den Kopf zu rasieren ist bei ihnen allgemein üblich, bei uns hingegen Zeichen der Strafe.

      Wir ziehen vor unserem Souverän die Handschuhe aus, sie bedecken ihre Hände mit den Ärmeln.

      Wir treten in ein Zimmer mit entblößtem Haupt, sie mit entblößten Füßen.

      Bei ihnen tragen die Männer den Nacken und die Arme entblößt, bei uns die Frauen.

      Bei uns kleiden sich die Frauen in helle Farben, die Männer in dunkle; bei ihnen ist es in beiden Fällen umgekehrt.

      Bei uns liebäugeln die Männer mit den Frauen, in der Türkei die Frauen mit den Männern.

      Bei uns blickt die Dame schüchtern und verschämt, in der Türkei tut es der gebildete Mann.

      In Europa kann eine Dame einen Herrn nicht besuchen, wohl aber in der Türkei. Dort kann der Herr eine Dame nicht besuchen, wohl aber in Europa.

      Dort tragen die Damen immer Beinkleider und die Herren zuweilen Unterröcke.

      Bei uns ist die rote Mütze das Zeichen der Frechheit, bei ihnen der Hut.

      In unseren Zimmern ist die Decke weiß, und die Wände sind bemalt; bei ihnen sind die Wände weiß, und die Decke ist bemalt.

      In der Türkei gibt es Abstufungen des gesellschaftlichen Ranges ohne Vorrechte, in England gibt es Vorrechte ohne entsprechende gesellschaftliche Unterscheidungen.

      Bei uns überwiegen gesellschaftliche Formen und Etikette die häuslichen Bande, bei ihnen überwiegt die Etikette der Verwandtschaft die der Gesellschaft.

      Bei uns wendet sich der Schullehrer an das Ansehen des Vaters; bei ihnen muss der Vater sich an die höhere Autorität und Verantwortlichkeit des Schullehrers wenden.

      Bei uns wird ein Schüler dadurch bestraft, dass man ihn in die Kapelle schickt; bei ihnen wird ein Schüler durch Ausschließung von der Moschee bestraft.

      Ihre Kinder betragen sich wie Männer, unsere Männer hingegen wie Kinder.

      Bei uns fragen die Herrschaften den Dienstboten nach; in der Türkei die Dienstboten den Herrschaften.1

      Wir halten das Tanzen für ein artiges Vergnügen, sie für eine unanständige Beschäftigung.

      In der Türkei beschränkt die Religion die Auferlegung bürgerlicher Abgaben, in England legt die Regierung gerade wegen der Religion Steuern auf.

      In England fordert die Staatsreligion Abgaben von den Sektierern, in der Türkei schützt die Staatsreligion das Eigentum der Sektierer vor staatlichen Abgaben.

      Einen Engländer wird erstaunen, dass es der Türkei an dem fehlt, was er öffentliche Kredite nennt; der Türke erschrickt vor unserer Nationalschuld.

      Der Engländer wird den Türken verachten, weil er keine Einrichtung hat, den Geldwechsel zu erleichtern; der Türke wird mit Bestürzung bemerken, dass es in England Gesetze gibt, welche den freien Handel verhindern.

      Der Türke wird sich wundern, wie eine Regierung trotz unterschiedlicher Meinungen geführt werden kann; der Engländer wird nicht glauben, dass ohne Opposition Unabhängigkeit bestehen könne.

      In der Türkei


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