Gia Yü. Konfuzius
Kung ließ diesen Ort durch einen Graben in den Bereich des fürstlichen Begräbnisfeldes einbeziehen7. Er äußerte darüber zu Gi Huan Dsï: »Einen Fürsten zu brandmarken, so daß die eigenen Sünden noch deutlicher hervortreten, ist nicht der Ordnung gemäß. Ich habe nun dieses Grab mit den anderen wieder vereinigt und so den Vorwurf von Eurem Vater genommen, daß er nicht als treuer Diener seines Herren gehandelt.«
Vom Aufseher der öffentlichen Arbeiten wurde Kung zum obersten Richter von Lu gemacht. Als solcher schuf er Gesetze, die aber nicht angewandt zu werden brauchten, da es keine Leute gab, die sie übertraten.
3. Die Fürstenzusammenkunft in Gia Gu
Fürst Ding hatte eine Zusammenkunft mit dem Fürsten von Tsi8 in Gia Gu. Meister Kung, der das Amt des Kanzlers versah, sprach: »Ich habe gehört, daß man bei friedlichen Verhandlungen stets auf den Krieg vorbereitet sein muß und in kriegerischen Verwicklungen stets auf den Frieden vorbereitet sein muß. In alter Zeit hatten die Fürsten, wenn sie ihr Land verließen, stets Beamte jeder Art im Gefolge. Darf ich bitten, den ersten und zweiten Marschall mitzunehmen.«
Fürst Ding folgte dem Rat. Als man zum Ort der Zusammenkunft kam, war eine Terrasse vorbereitet, zu der drei Erdstufen hinaufführten. Man begrüßte sich nach dem einfachen Begegnungszeremoniell. Mit einer Verbeugung bot man sich gegenseitig den Vortritt an und stieg dann hinauf. Als die Zeremonie des Zutrinkens und Wiedertrinkens beendigt war, ließ der Fürst von Tsi Laibarbaren9 herbeikommen, um sich unter dem Lärm der Waffen und Trommeln des Fürsten Ding zu bemächtigen.
Meister Kung eilte die Stufen hinauf, ließ den Fürsten zurücktreten und rief: »Soldaten vor zum Angriff! Unsere beiden Fürsten kommen in freundlicher Absicht zusammen, und diese Sklaven von wilden Grenzstämmen wagen sie mit Waffen zu stören! Das ist nicht die Art, wie der Fürst von Tsi sich unter den Herrschern durchsetzen könnte. Die Grenzvölker haben sich nicht um China zu kümmern, die Wilden dürfen China nicht stören, Sklaven geht ein Bundesschwur nichts an, Waffen dürfen sich in freundliches Zusammentreffen nicht einmischen. Das wäre den Göttern gegenüber unheilvoll, dem eigenen Wesen gegenüber ein Unrecht und unter den Menschen eine Sittenwidrigkeit. Ein Fürst handelt nicht so.«
Der Fürst von Tsi kam in Verlegenheit und winkte ihnen ab.
Nach einer Weile ließ Tsi Haremsmusik machen, zu der Gaukler und Zwerge vor der Terrasse tanzten. Meister Kung eilte herbei, stieg die Stufen bis auf die oberste hinauf und sprach: »Daß solches Gesindel Fürsten zu behelligen wagt, ist ein Frevel, der den Tod verdient. Ich bitte, daß der zweite Marschall sofort die Strafe an ihnen vollziehen wolle.« Da wurden die Zwerge zusammengehauen, daß Hände und Füße umherflogen. Der Fürst von Tsi geriet in Furcht und zeigte Beschämung.
Als man an den Bundesschwur ging, wurde von Tsi aus folgende Bestimmung in die Schwurformel eingefügt: »Wenn die Heere von Tsi ins Feld ziehen und Lu nicht dreihundert Kriegswagen stellt, so geschehe ihm dem Bundesschwur entsprechend.« Meister Kung ließ durch Dsï Wu Süan erwidern: »Wenn Tsi, ohne unser Gebiet nördlich vom Wenfluß zurückzugeben, uns Befehle erteilt, so möge ihm ebenso geschehen.«
Der Fürst von Tsi wollte noch ein Gastmahl zurichten lassen. Da sprach Meister Kung zu Liang-kiu Gü10: »Wie kommt es, mein Herr, daß Ihr von den alten Bräuchen zwischen Lu und Tsi nichts gehört habt? Nachdem die Geschäfte beendigt sind, nun noch ein Gastmahl halten zu wollen, wäre unnötige Bemühung des Personals. Außerdem verlassen die festlichen Trinkgeräte nicht das Heiligtum, und die festliche Musik paßt nicht fürs Freie. Wäre beim Festmahl alles vollzählig vorhanden, so wäre es ein Mißbrauch der Sitten, wenn aber die Vorbereitungen nicht vollständig wären, so wäre es Lolch (statt Weizen). Lolch (statt Weizen) zu bieten wäre eine Beschimpfung des Fürsten. Die Sitten zu mißbrauchen brächte in schlechten Ruf. Warum habt Ihr das nicht bedacht? Auch soll ein Festmahl dazu dienen, die gute Absicht zum Ausdruck zu bringen. Wenn die nicht zum Ausdruck kommt, so ist es besser, die Sache sein zu lassen.« So kam denn das Festmahl nicht zustande.
Als der Fürst von Tsi heimgekehrt war, machte er seinen Dienern Vorwürfe. Er sprach: »In Lu gehen sie ihrem Fürsten zur Hand mit den Sitten des Edlen. Ihr aber habt mir geraten, nach der Weise der Barbaren zu handeln, so daß ich ins Unrecht gesetzt wurde.«
Darauf gab er die von Lu geraubten vier Städte und das Gebiet nördlich vom Wenfluß11 wieder zurück.
4. Schleifung der Stadtmauern der drei Adelsgeschlechter
Meister Kung sagte zum Fürsten Ding: »Die Adelsgeschlechter sollen keine Rüstung im Vorrat halten. Ihre Städte sollen keine Mauern von 300 dschï12 haben. Das ist die Ordnung des Altertums. Heutzutage aber haben die drei Geschlechter diese Ordnung übertreten. Ich bitte, daß alles das auf das richtige Maß zurückgeführt wird.« Dschung Yu13, der Amtmann war im Dienst der Familie Gi, wurde beauftragt, die Befestigungen der drei Städte niederzulegen.
Ein jüngerer Sohn aus dem Geschlechte Schu-sun14 war in Unfrieden mit dem Haupt des Geschlechtes Gi. Er verband sich mit Gungschan Fu-jau, dem Stadthauptmann von Bi, und führte die Leute von Bi an, die Hauptstadt von Lu zu überfallen.
Meister Kung hatte mit dem Fürsten sowie den Häuptern der Geschlechter Gi-sun, Meng-sun und Schu-sun sich in das Schloß des Geschlechtes Gi begeben und war auf den Turm des Wu-dsï gestiegen. Da machten die Leute von Bi einen Angriff und kamen bis zu dem Turm. Da befahl Meister Kung dem Schen Gü-sü und Yüo Ki, die Soldaten gegen sie hinabzuführen und sie zu züchtigen. Die Leute von Bi wurden geschlagen. Infolge davon wurden die Befestigungen der drei Städte niedergelegt15.
So wurden das Fürstenhaus gestärkt und die Adelsgeschlechter geschwächt, der Herrscher kam zu Ansehen, und die Diener wurden erniedrigt. Dadurch gewann die Regierung sehr an Einfluß.
5. Handel und Wandel
Früher gab es in Lu einen Schafhändler namens Schen Yu, der pflegte frühmorgens seine Schafe zu tränken, um die Leute auf dem Markt zu täuschen. Ein Mann namens Gung Schen hatte eine Frau von leichtsinnigem Lebenswandel, die er frei gewähren ließ. Ein anderer namens Schen Hui war verschwenderisch und üppig in einem Maße, das den Gesetzen widersprach. Die Viehhändler in Lu pflegten ihre Tiere künstlich herzurichten, um die Preise in die Höhe zu treiben.
Als Meister Kung die Regierung ausübte, da getraute sich Schen Yu nicht mehr, seine Schafe frühmorgens zu tränken, Gung Schen verstieß seine Frau, Schen Hui verzog über die Grenze nach auswärts. Nach drei Monaten trieben die Pferde- und Viehhändler die Preise nicht mehr in die Höhe, und die Händler von Lämmern und Ferkeln richteten ihre Tiere nicht mehr besonders her. Männer und Frauen gingen auf verschiedenen Seiten der Wege; was auf den Straßen verlorenging, kam nicht weg. Die Männer strebten nach Treue und Wahrhaftigkeit, die Frauen nach Keuschheit und Gehorsam. Von allen Seiten kamen Fremde ins Land. Sie brauchten sich nicht erst an die Polizei zu wenden; denn es war, als seien sie zu Hause.
2. KAPITEL
SCHÏ DSCHU / Die erste Hinrichtung
Das zweite Kapitel bringt wieder Episoden aus Kungs amtlicher Laufbahn. Der 1. Abschnitt ist ebenfalls in Kungs Biographie im Schï Gi belegt (Chavannes 5, 327, Wilhelm 1928 S. 16). Die Hinrichtung des Schau-dscheng Mau ist ausführlich erzählt im Sündsï, Kap. Yu Dso, im Yinwendsi, Kap. 2 (siehe Masson Oursel in T’oung Pao 15, 1914, S. 589ff.), und im Schuo Yüan, Kap. Dschï Wu; erwähnt ist sie im Schï Gi a. a. O., im Huainandsï, Kap. Fan Lun, und im Po Hu Tung, Kap. Dschu Fa. Die Erzählung wird jetzt allgemein als apokryph angesehen. Es handelt sich wohl um einen zur Anekdote umgewandelten Ausspruch des Konfuzius. Es ist jedoch von Bedeutung, daß zur Han-Zeit Sittenstrenge und Energie