Fürstenkinder Staffel 1 – Adelsroman. Helga Torsten

Fürstenkinder Staffel 1 – Adelsroman - Helga Torsten


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in immer schnelleren Galopp überging.

      »Dieses kleine Biest hat mich hereingelegt«, murmelte der Fürst und setzte hinterher.

      Diesmal gelang es ihm nicht, die Reiterin einzuholen, so sehr er sich auch bemühte. Erstaunt beobachtete er, wie sie den Hengst zur Koppel zurücklenkte und mit ihm über das Gatter setzte. Dann sprang sie leichtfüßig herunter und tätschelte ihm liebevoll den Hals.

      Sie machte keinerlei Anstalten, davonzulaufen. Als er neben dem Gatter vom Pferd sprang, streckte sie ihm eine schmale feingliedrige Hand hin.

      »Haben Sie zufällig ein Stück Zucker bei sich? Er hat es verdient, und ich habe leider keinen.«

      Der Fürst vergaß, was er hatte sagen wollen, und suchte in seiner Hosentasche nach einem Zuckerwürfel.

      »Hier. Bitte.«

      »Vielen Dank.«

      Sie nahm den Zucker und hielt ihn Ödipus hin. Dann drehte sie sich zu dem Mann, der stumm neben ihr stand, herum und sagte leise:

      »Also meinetwegen können Sie mich jetzt verhaften lassen, es ist mir egal. Sie können mich auch bei Ihrem Fürsten verpetzen, aber der ist ja Gott sei Dank nicht da.«

      »So! Der Fürst ist nicht da? Und woher wollen Sie das so genau wissen?« erkundigte er sich belustigt.

      »Ich weiß es eben«, sagte sie kratzbürstig. »Also nehmen Sie Papier und Stift zur Hand und notieren Sie: Ich heiße Sybill von Gereneck und wohne mit einigen Kommilitonen auf Schloß Degencamp. Wir helfen bei den Erntearbeiten. Sie können es mich ja wissen lassen, ob ich gleich abreisen soll oder ob es möglich sein wird, mir mein Vergehen zu verzeihen. Es steht Ihnen natürlich frei, mich bei der Polizei wegen versuchten Diebstahls anzuzeigen. Auf Wiedersehen, Herr Verwalter!«

      Sie stützte die Hände auf das Gatter und schwang sich elegant darüber. Dann schritt sie hocherhobenen Hauptes davon.

      Er sah ihr kopfschüttelnd nach. Was für eine energische kleine Person! Und wie entzückend sie ausgesehen hatte, als sie ihn so zornig anblitzte. Ein bildschönes Mädchen, diese kleine Wildkatze!

      Sie war also eine Studentin, die zu den Erntearbeiten aufs Schloß gekommen war. Und reiten konnte sie, Donnerwetter! Das machte ihr so leicht keiner nach.

      Er tätschelte gedankenverloren Ödipus’ Hals.

      Wenn sie tatsächlich auf dem Schloß wohnte, hatte sie auch sicher die Wahrheit gesagt. Er schüttelte lächelnd seinen Kopf mit dem vollen braunen Haar.

      Was für ein Einfall, sich einfach ein Pferd von der Koppel zu nehmen und ungesattelt loszureiten. Ein Teufelsmädchen, wirklich! Er würde sich einmal bei der Mamsell nach den Studenten erkundigen.

      Der Fürst ritt langsam zum Schloß zurück. Dort wartete eine neue Überraschung auf ihn. Jackson, sein Diener, hielt ihm den Telefonhörer hin und flüsterte ihm zu, die Gräfin Kingsbird sei am Apparat.

      »Hallo, Hasso! Wie ich höre, bist du gerade erst von einer Reise zurückgekommen«, tönte ihm die etwas schrille Stimme seiner Kusine entgegen. »Wie geht es dir? Wir haben uns ewig nicht gesehen.«

      »Nein wirklich, sehr lange nicht«, sagte er herzlicher, als er beabsichtigt hatte. »Es muß schon einige Jahre her sein, daß wir uns zuletzt gesehen haben – irgendwo in der Schweiz, glaube ich. Wie geht es dir?«

      Er kannte den Grafen Kingsbird recht gut vom Roulette her, wo er selbst gelegentlich Zuschauer war. Und er kannte auch die Spielleidenschaft des andern. Seine Mutter hatte die Kusine damals vor der Heirat gewarnt. Die Grafen Kingsbird gehörten einem der ältesten Adelsgeschlechter an. Graf Egon war das schwarze Schaf der Familie. Jedermann wußte das. Aber Irene hatte damals in ihrer Verliebtheit auf niemanden gehört.

      Inzwischen allerdings mochte sie eingesehen haben, wie recht die anderen mit ihrer Warnung gehabt hatten.

      Wie er wußte, ging es den Kingsbirds ziemlich schlecht; die Kusine tat ihm leid.

      »Ich war lange nicht auf Schloß Degencamp. Wie sieht es aus bei dir? Steht die Ernte gut?«

      »Mehr als gut. Ich bin zufrieden. Aber du kannst gern einmal vorbeikommen; du bist jederzeit gern gesehen.«

      »Das tue ich, ich nehme dich beim Wort«, rief sie eine Nuance zu schnell. »Ich glaube, ein bißchen Landluft würde mir guttun. Hast du etwas dagegen, wenn ich meine Tochter mitbringe?«

      »Aber natürlich nicht«, sagte er leicht schockiert, weil sie so überraschend schnell zugesagt hatte. Er erinnerte sich übrigens gar nicht daran, daß Irene eine Tochter hatte.

      »Schick ein Telegramm vorher, hörst du? Ich hole euch dann von der Bahn ab.«

      »Fein, mein Lieber. Vielen Dank für die Einladung. Wir werden möglicherweise schon bald kommen.«

      Als er wenig später den Hörer auflegte, fragte er sich, was wohl der wahre Grund ihres Anrufs gewesen sein mochte.

      Er legte die Reithandschuhe, die er immer noch in der Hand hielt, achtlos auf den nächsten Sessel und ging zur Hausbar hinüber, um sich ein Glas Whisky einzuschenken.

      Er warf einen Eiswürfel in ein Kristallglas und goß den goldgelben Whisky hinein. Dann füllte er mit Soda auf.

      Als er den Diener sah, winkte er ihn heran.

      »Holen Sie mir die Mamsell, Jackson. Und wenn sie hier ist, achten Sie darauf, daß uns niemand belauscht. Haben Sie mich verstanden?«

      »Sehr wohl, Durchlaucht.«

      In dem knochigen Gesicht des Dieners zuckte kein Muskel. Er eilte lautlos zur Tür.

      Der Fürst ging zur Bar und schenkte sich ein neues Glas Whisky ein. Er hatte gerade Eis hineingetan, als es leise klopfte.

      »Ja, bitte.«

      Die Mamsell kam herein. Ihr gutmütiges Gesicht strahlte.

      »Wie schön, daß Durchlaucht wieder da sind«, sagte sie und blieb bescheiden an der Tür stehen.

      »Kommen Sie her, Lina, setzen Sie sich!« forderte der Fürst sie auf. »Ich habe etwas mit Ihnen zu besprechen. Etwas sehr Wichtiges.«

      Sie setzte sich und blickte ihn aufmerksam an. Seit langem war Mamsell Lina seine Vertraute. Wenn er früher als Junge etwas ausgefressen hatte, kam er stets zu ihr, und sie hatte es immer verstanden, ihn zu trösten. Hatte er Stubenarrest von dem strengen Vater bekommen, schmuggelte sie ihm allerlei Leckeres in sein Zimmer, und die ersten heimlichen Rendezvous mit einer Dorfschönen hatte sie ebenfalls vermittelt.

      »Lina.« Der Fürst stellte das Glas fort und kam heran. Die Mamsell stand auf, aber er drückte sie wieder in ihren Sessel zurück. »Ich kann mich doch auf Ihr Schweigen verlassen?«

      Das volle Gesicht der Mamsell drückte Empörung aus.

      »Aber Durchlaucht wissen doch…«

      »Ja, ja! Schon gut. Ich wollte Sie nicht kränken, Lina. Sie erinnern sich doch sicher an die letzte Gesellschafterin meiner verstorbenen Mutter?«

      »Und ob, Durchlaucht. Was für eine schöne junge Frau war das! Und so lieb war sie immer – so lieb! Ich weiß heute noch nicht so recht, warum die gnädigste Durchlaucht sie damals so plötzlich entlassen hat.«

      Der Fürst schritt erregt im Zimmer auf und ab, die Hände auf dem Rücken verschränkt. In dem männlich-schönen Gesicht zuckte es.

      »Ich werde es Ihnen sagen, Lina: Sie erwartete ein Baby. Und die Fürstin wollte es nicht zulassen, daß ich sie heirate. Darum mußte sie gehen.«

      »Ach!«

      Das gutmütige Gesicht der Frau wirkte betroffen.

      »Ich habe damals immer wieder versucht, ihren Aufenthaltsort ausfindig zu machen. Vergeblich. Jetzt, ein Jahr nach dem Tode meiner Mutter, habe ich in einem Geheimfach ihres Schreibtischs endlich die Adresse gefunden. Ich bin sofort hingefahren, aber…«

      Er


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