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ist ein wahres Wunder, daß Ulrich nicht mehr abbekommen hat«, murmelte André.
»Ja, er muß mehrere Schutzengel haben.«
»Hoffentlich bleiben sie ihm zur Seite. Darf ich Sie fragen, ob Bürgner einen Infarkt hatte? Es wird recht viel gemunkelt.«
»Es könnte sein. Ich weiß aber auch nichts Genaues.«
»Aber mit der Firma ist doch alles in Ordnung, oder muß Cordula sich da auch Sorgen machen?«
»Nein, es steht sehr gut.«
»Es ist keine Neugier, wenn ich frage. Ich wäre immer bereit, Cordula zu helfen.«
»Ich auch«, erwiderte Constantin betont. »Aber finanzielle Sorgen wird sie nie haben.«
Die beiden Männer verließen die Klinik gemeinsam. »Noch eine Bitte habe ich, Constantin: Sollte Ihnen Tessa über den Weg laufen, sagen Sie besser, daß wir uns kaum sehen. Sie werden sie sonst nicht mehr los.«
Constantin lächelte flüchtig. »Eigentlich habe ich nie Zeit für eine Unterhaltung«, erwiderte er. Und dann schieden sie mit einem festen Händedruck.
*
Dr. Behnisch wurde anderntags von Tessa buchstäblich überrollt. Sie fände es unerhört, daß sie nicht zu ihrem Sohn gelassen würde, echauffierte sie sich. Immer, wenn sie käme, würde er schlafen.
Dabei war es heute das erste Mal, daß man zu dieser Ausrede gegriffen hatte, weil Anja Koenig bei ihm war. Die Hölle wäre los gewesen, wenn Tessa ihr begegnet wäre.
»Sie müssen das doch verstehen, Frau Riedmann«, sagte Dr. Behnisch. »Der Schlaf ist für den Jungen wichtig. Sie sind sich anscheinend noch immer nicht bewußt, in welch kritischer Situation er operiert werden mußte.«
»Aber deswegen hetzt ja mein Mann alle gegen mich auf und redet, als wäre ich eine Rabenmutter.«
Dr. Behnisch sah sie durchdringend an, und diesem Blick konnte sie nicht standhalten.
»Nun, immerhin ist es doch wohl eine Tatsache, daß Sie den Zustand des Jungen unterschätzt haben und trotz des hohen Fiebers nichts unternahmen«, sagte er ruhig. »Hinsichtlich dieser Tatsache kann ich Ihren Mann verstehen, wenn er Ihnen Vorwürfe nicht erspart.«
»Aber das dürfte wohl doch kein Scheidungsgrund sein«, stieß sie mit schriller Stimme hervor.
»Ich kann nicht beurteilen, wie viele Gründe es dafür gibt. Ich bin Arzt, kein Anwalt.«
Wenn Dieter Behnisch mal der Kragen platzte, kannte er kein Pardon. Er ließ Tessa einfach stehen, aber da sie sowieso nicht wußte, was sie mit ihrer Zeit anfangen sollte, setzte sie sich in die Halle und beobachtete das Kommen und Gehen. Und da kam ihr Constantin Marten gerade recht.
Sie setzte ihre liebenswürdigste Miene auf, als sie auf ihn zuging.
»Dr. Marten, wie nett, Sie zu treffen«, sagte sie mit ihrer süßesten Stimme.
»Sie wollen sicher Cordula besuchen. Ach, das würde ich auch zu gern tun, aber ich werde nicht mal zu meinem Sohn gelassen. Was sagen Sie dazu?« Wie ein Wasserfall sprudelte es von ihren Lippen, und dann lege sie auch noch ihre Hand auf seinen Arm.
Er wich rasch zurück. »Ich habe leider auch keine Zeit für eine Unterhaltung, Frau Riedmann«, sagte er reserviert. »Und Cordula ist noch nicht in der Lage, Besuche zu empfangen.«
»Sie dürfen doch zu ihr«, sagte Tessa spitz.
»Ich vertrete die Firma«, erwiderte er kühl.
»Aber André darf doch sicher auch zu ihr, oder?«
»Nein, das darf er nicht.«
Als er versuchte weiterzugehen, lief Tessa neben ihm her. Constantin fragte sich, wie André diese Frau überhaupt Jahre hindurch hatte ertragen können.
»Niemand hat Verständnis für mich«, klagte sie, »als hätte niemand mal einen Fehler in seinem Leben gemacht. Wissen Sie eigentlich, wie man über Sie redet?«
»Es interessiert mich nicht.«
»Sie haben auch nicht nur Freunde. Man sagt, daß Ihnen Bürgners Tod nur willkommen sein konnte… in mancherlei Hinsicht.«
Er blieb stehen. »Ich bin nicht gern unhöflich, Frau Riedmann, aber würden Sie mich jetzt bitte mit Ihrem Geschwätz verschonen?«
Jenny war in Sichtweite. Sie eilte schnell von dannen. Sie wollte Anja Koenig warnen, da sie nicht wußte, wie weit Tessa zu gehen gedachte.
Anja schrak zusammen, als sie das Krankenzimmer betrat. Sie hatte Benny eine hübsche Geschichte erzählt, und der Junge war im Einschlafen begriffen.
Dr. Jenny Behnisch winkte ihr, und sie ging schnell zur Tür. »Ich möchte Sie vorwarnen, Frau Riedmann ist im Anrollen«, sagte sie leise. »Gehen Sie lieber schnell ins Ärztezimmer, Frau Koenig.«
Konsterniert folgte ihr Anja. Im Ärztezimmer angekommen, sagte sie: »Ich habe eigentlich keinen Grund, Tessa auszuweichen.«
»Da denkt Herr Riedmann aber anders«, erwiderte sie, aber dann erschraken beide, denn sie hörten Bennys Stimme.
»Sie bleiben hier«, sagte Jenny energisch, »wir wollen doch keinen Skandal heraufbeschwören!« Und schnell lief sie zum Krankenzimmer zurück.
Tessa lehnte an der Wand, nahe der Tür, und redete auf den Jungen ein. Benjamin aber saß im Bett und schrie: »Du sollst gehen, ich will dich nicht mehr sehen, nie mehr!«
Jenna packte Tessa am Arm. »Bitte, gehen Sie«, sagte sie energisch. »Sie machen doch alles nur noch schlimmer. Benny darf sich nicht so aufregen, die Wunde könnte aufbrechen.«
»Und an die Wunden, die mir geschlagen werden, denkt niemand«, empörte sich Tessa theatralisch, als stünde sie vor der Kamera.
Gewaltsam drängte die Ärztin sie aus dem Zimmer. »Sie sollten sich im klaren darüber sein, daß Benny noch nicht über den Berg ist, Frau Riedmann, und Sie haben gehört, was er sagte.«
»Er wurde aufgehetzt«, stieß sie hervor. »Man will mir meinen Sohn wegnehmen. Aber ich nehme es nicht hin, niemals!«
»Seien Sie doch vernünftig, Frau Riedmann. Sie sollten jetzt zu allererst an das Wohl von Benny denken…«
Jenny hätte ihr am liebsten ganz was anderes gesagt, aber das durfte sie ja nicht. Sie mußte sich beherrschen, so schwer es ihr auch fiel. Eine Mutter, die um das Leben ihres Kindes besorgt war, war Tessa ganz gewiß nicht, dafür hatte sie nun den endgültigen Beweis. Es war niemand dagewesen, der sich ihr in den Weg gestellt hätte, als sie zu dem Zimmer des Kindes ging. Jetzt war Jenny unsicher, ob sie vielleicht doch Anja Koenig bemerkt hatte. Aber diesbezüglich sagte Tessa nichts. Sie verlegte sich jetzt aufs Jammern, daß niemand sie verstehen und ihr glauben würde. Und sie sei verzweifelt, weil Benjamin so aggressiv reagiert habe.
»Bitte, überlegen Sie mal in Ruhe, was ein Kind empfindet, das krank ist, aber alleingelassen wird, Frau Riedmann«, sagte Jenny mit erzwungener Ruhe. »Da hat es bei dem Jungen einen Knacks gegeben. Sie sollten darüber mal in Ruhe nachdenken.«
»Meine Güte, für ihn hat doch immer nur sein Daddy existiert. Fragen Sie den doch, warum er nicht da war!«
»Ich denke, Ihr Mann hat einen Beruf? Aber ich möchte darüber nicht diskutieren. Würden Sie sich jetzt bitte von hier entfernen. Es ist nicht angenehmer, wenn andere Patienten auch noch aufgeschreckt werden.«
»Die Leute können ruhig hören, wie ich hier behandelt werde!« schrie sie wütend. »Ich denke nicht daran zu gehen. Ich werde hier auf meinen Mann warten. Haben Sie mich verstanden?«
»Es war ja nicht zu überhören«, erwiderte Jenny. »Aber begeben Sie sich bitte in den Warteraum. Ich habe zu tun.«
Da kam ihr ihr Mann zu Hilfe. »Bitte, kommen Sie in mein Büro, Frau Riedmann«, sagte er ruhig.
»Ich