Mami Staffel 13 – Familienroman. Lisa Simon

Mami Staffel 13 – Familienroman - Lisa Simon


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kluge Frau.«

      Er nahm ihre Hand und zog sie an seine Lippen. In diesem Moment kam Frau Bauer herein, ein Tablett trug sie, aber die Tassen darauf schwankten bedenklich, als sie den Handkuß sah. So ein neumodischer Kram. Und Lauras Mutter sollte sich schämen, wo sie doch verheiratet war.

      Julian bemerkte davon nichts. Er mußte das sagen, was er auf dem Herzen hatte. »Vielleicht heirate ich Laura, nur um Sie als Schwiegermutter zu bekommen.«

      »Vorsicht«, rief Frau Wagenfeld erschrocken. »Frau Bauer, beinahe wäre das kostbare Geschirr auf den Boden gefallen.«

      Frau Bauer nuschelte empört, was aber niemand verstand.

      Mit der Moral in der Welt war es nicht gut bestellt, grübelte Frau Bauer, während sie in der Küche einen Lärm machte, als wäre eine ganze Putzkolonne darin. Und sie hatte Lauras Mutter für eine anständige Person gehalten. Aber die ließ sich von dem Mann den Kopf verdrehen. Dabei könnte er ihr Sohn sein.

      *

      Sie waren in einem kleinen Schwarzwalddorf gelandet. Das Gasthaus lag an einem riesigen Tannenwald. Sie waren die einzigen Gäste und wurden von der jungen Wirtin wunderbar verwöhnt.

      Das Wetter meinte es gut mit ihnen. Der Himmel war wolkenlos, es war warm, aber unter den Bäumen konnte man es gut aushalten.

      Laura saß unter der großen Linde, die Wirtin hatte erzählt, daß sie schon zweihundert Jahre war.

      Schläfrig spielte der Wind in den Zweigen, auf dem tief herabgezogenen Dach des Hauses saß ein Vogel und schmetterte sein Lied in den Tag, unermüdlich, immer die gleiche Tonfolge.

      Laura saß da, hielt die Augen geöffnet, sie versuchte, sich an der Schönheit ringsum zu erfreuen. Den Druck auf ihrem Herzen ignorierte sie einfach.

      Die Wiese, die zum Bach hinunterführte, war übersät mit Blumen, die in verschwenderischen Farben leuchteten. Ich sollte es malen, dachte Laura schläfrig. Aber sie wußte genau, sie war viel zu müde dazu.

      Es war schon seltsam, Joachim schien jung geworden zu sein. Die drei, er, Stephanie und der Hund, schienen vor Lebensfreude zu bersten, während sie wie eine alte Frau am liebsten unter Bäumen saß.

      Ein feiner Schleier lag zwischen den Bäumen. Als Kind hatte sie so gern das Märchen gehört. Da war von den Feen die Rede gewesen, die feine Schleier aus ihren Haaren spannen, so dicht, daß Menschen mit hartem Herzen sich darin verfingen.

      Du und deine Märchen, dachte Laura spöttisch. Sie nahm das Buch zur Hand, aber sie las nicht darin.

      Sie hörte Stephanies Stimme. Immer lag Jubel und Freude darin. Ich bin sehr undankbar, hielt Laura sich selbst eine Strafrede. Ich habe doch wirklich allen Grund, glücklich zu sein. Natürlich würde sie mit Julian sprechen, sie würde sich sogar anhören, was er als Entschuldigung vorzubringen hatte.

      Sie würde ihm zeigen, daß sie über der Sache stand. Oh, sie konnte die Überlegene spielen, die emanzipierte Frau, die keinen Mann brauchte, die ohne Mann glücklich war.

      Beinahe ärgerte Laura sich, daß sie ausgerissen war. Ja, feige davongelaufen war sie.

      Zum Glück würde er das natürlich nie erfahren.

      Stephanie kam über die Wiese gerannt.

      »Mama, Mama.«

      In wilden Sprüngen rannte der Hund neben ihr.

      Lauras Herz schlug Purzelbäume vor Glück. In den wenigen Tagen war Stephanie braun wie eine Haselnuß geworden, sogar dickere Wangen hatte sie bekommen.

      »Wo hast du deine Sandalen, Stephanie?«

      Das Kind stutzte, sah auf ihre Füße.

      »Macht ja nichts, die bringt Opa mit. Mami, Mami, ich habe einen Rosch.«

      Sie warf sich gegen Lauras Knie und öffnete ganz, ganz wenig die Hand, die sie zu Fäusten geballt hatte.

      Die Hand war leer. Schon brach Stephanie in bitterliches Weinen aus. Das peinigte Herrn Kaisers Ohren, er jaulte mit. Es klang entsetzlich. Kein Wunder, daß die Wirtin aus dem Haus gelaufen kam und schon von weitem fragte: »Was ist passiert? Ist etwas passiert?«

      »Mein Rosch ist weg. Mein Rosch. Ich wollte ihn doch haben. Ich wollte doch mit ihm spielen.«

      Herr Poppel kam langsamer heran, er lachte bei Stephanies Kummer. »Das heißt nicht Rosch, Liebling, das heißt Frosch. Ich habe dir doch gesagt, daß du ihn nicht halten kannst. Außerdem wäre er sehr traurig, wenn er in deinem Zimmer leben müßte. Er fühlt sich unten am Bach viel wohler. Da hat er seine ganze Familie.«

      Die Tränen kullerten noch über ihre Wangen, aber schon wollte sie aufgeregt wissen: »Der hat einen Bruder und eine Schwester und einen Opa und eine Oma und eine Mama? Oh, Opapa, dann laß uns schnell laufen, dann will ich auch mit ihnen spielen.«

      Daß zu einer Familie auch ein Vater gehören konnte, wußte Stephanie nicht.

      »Ich habe einen viel besseren Vorschlag«, lachte die Wirtin erleichtert, daß nichts passiert war. »Ich denke, dein Großvater kann ein wenig Ruhe vertragen. Hast du schon einmal ein Reh gesehen?«

      Die Kleine bekam große Märchenaugen.

      »Hast du eins?« Sie wagte nicht laut zu sprechen, so überwältigend war die Vorstellung.

      »Im Haus nicht«, lachte die Frau, die die Kleine allerliebst fand. »Aber du kannst mit meinem Mann in der Kutsche fahren. Er muß zur Försterei, und da haben sie ein Reh in Pflege.«

      »Au ja, au ja«, Stephanie klatschte begeistert in die Hände. »O bitte, liebe, liebe Mami, sag ja. Laß mich mit, und Herrn Kaiser auch.«

      »Du wirst den Hund nicht mitnehmen können, Stephanie. Das Reh würde sich erschrecken und Angst vor ihm haben.«

      »Ach nein. Ich sag ihm dann, daß man vor meinem lieben Hund keine Angst haben muß. Nich, ich darf ihn mitnehmen? Sonst heult Herr Kaiser und macht furchtbar Theater, dann erschrecken sich sogar die armen Frösche.«

      »Lassen Sie nur, Frau Wagenfeld«, lachte die Wirtin. »Mein Mann wird schon damit fertig werden.«

      »Hier hast du deine Sandalen.« Herr Poppel zog sie der Kleinen an. Eigentlich trennte er sich nicht gern von seinem Liebling. »Und diese Bluse ziehst du auch an, Stephanie.« Die Kleine zappelte vor Aufregung. »Nun halt doch still, du Irrwisch«, seufzte Laura, lachte aber dabei.

      Unbemerkt waren Frau Wagenfeld und Julian herangekommen. Als Julian die kleine Gruppe sah, zog er Frau Wagenfeld blitzschnell in den Schutz eines Baumes.

      Julian konnte nur dastehen. Er sah seine kleine Tochter, hörte ihr Stimmchen. Für den Augenblick war sie das Wichtigste für ihn. Die Locken tanzten um ihren Kopf, sie zappelte unter Lauras Händen.

      Er hatte eine Tochter. Stephanie war seine Tochter. Er hatte, als er das Bild sah, nicht den geringsten Zweifel gehabt. Aber jetzt war es ein Wissen geworden.

      Er hatte eine Tochter und hatte es nicht gewußt. So viel Zeit war ihm gestohlen worden, so viele Jahre hatte er nicht gesehen, wie sie heranwuchs, so viele schöne Stunden waren ihm verlorengegangen.

      Mit der Wirtin an der Hand hüpfte das kleine Geschöpf, dem schon jetzt sein Herz gehörte, davon. Das Stimmchen verlor sich, war wie das Zwitschern eines Vogels.

      Seine Augen streiften Lauras Gesicht. Er erschrak über die krankhafte Blässe.

      In Ischl war sie eine andere gewesen, er hatte sie viel jünger, blühender in Erinnerung gehabt.

      Als spürte Herr Poppel die Nähe der beiden, hob er den Kopf. Er stieß einen überraschten Laut aus, öffnete schon den Mund und wollte Laura auf die Besucher aufmerksam machen. Aber da legte Frau Wagenfeld ihren Finger auf den Mund und zeigte mit der anderen Hand zum Haus hinüber.

      »Ich bin so müde, Joachim«, murmelte Laura und schloß erschöpft die Augen. »Das kleinste Bißchen strengt mich an.«

      »Ich


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