Der Bergpfarrer Staffel 20 – Heimatroman. Toni Waidacher

Der Bergpfarrer Staffel 20 – Heimatroman - Toni Waidacher


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dann das! Hätt’ ich doch nur net angehalten, um die schöne Aussicht zu bewundern!

      Das Dumme an der Sache war, dass Michaela nicht mal einfach so einen Pannendienst anrufen konnte, weil sie ihr Handy zu Hause vergessen hatte. Normalerweise wäre das kein Problem gewesen, sie muss­te nicht ständig erreichbar sein, und eine Freundin konnte sie auch vom Telefon ihrer Mutter anrufen.

      Jetzt aber wünschte sie sich, das Handy dabei zu haben.

      Sie stieg wieder aus dem Wagen und starrte nachdenklich ins Leere. Was sollte sie denn jetzt machen? Sicher, weit war der Weg bis nach Pertenried nicht mehr, aber zu Fuß konnte sich die Strecke dann doch ganz schön in die Länge ziehen. Und bis hier mal ein anderes Auto vorbeikam…

      Sie hatte den Gedanken nicht zu Ende gedacht, als plötzlich Motorengeräusch an ihr Gehör drang, das sich zügig näherte.

      Überrascht schaute Michaela auf. Normalerweise war diese Straße nicht gerade viel befahren, sie schien also wirklich Glück zu haben.

      Gleich darauf erblickte sie dann auch schon den Wagen, der aus derselben Richtung kam wie sie eben.

      Es handelte sich um einen roten Sportflitzer, und der Fahrer fuhr nicht eben langsam.

      Schnell entschlossen stellte Michaela sich mitten auf die Straße und begann, heftig zu winken.

      Bremsen quietschten, und schließlich kam der Wagen einige Meter vor Michaela zum Stehen, wobei die Reifen ordentlich Staub aufwirbelten.

      Einen Wimpernschlag später stieg der Fahrer aus dem Auto und kam auf Michaela zu.

      Der stockte bei seinem Anblick für einen Moment der Atem.

      Er war etwa einsneunzig groß, schlank, ohne aber schlaksig zu wirken, mit starken Oberarmen und einem Brustkorb, für den manch anderer Mann sicher so einiges gegeben hätte. Sein dunkles Haar war kurz und mit Geld modisch in Form gebracht, und seine Augen waren so blau wie das Wasser eines Bergsees.

      Michaela ertappte sich dabei, wie sie einen prüfenden Blick auf seinen rechten Ringfinger war, und errötete. Warum erleichterte es sie nur so über alle Maßen, dass er keinen Ehering trug? Sie kannte diesen Mann doch gar nicht. Dennoch kam sie nicht umhin festzustellen, dass er wohl das attraktivste männliche Wesen war, das ihr je begegnet war.

      »Sagen S’ mal, sind Sie wahnsinnig geworden?« Seine aufgebrachte Stimme riss sie aus ihren Träumereien. »Sie können doch net einfach mitten auf der Straße herumstehen! Stellen S’ sich mal vor, was passiert wär’, wenn ich auch nur einen Augenblick lang unaufmerksam gewesen wär’! Überfahren hätt’ ich Sie!«

      Michaela senkte schuldbewusst den Blick, dann fragte sie sich, was sie da eigentlich machte, und reckte das Kinn vor. So eine Unverschämtheit war ihr ja noch nie untergekommen! Was fiel diesem Kerl eigentlich ein, so mit ihr zu reden?

      »Nun regen S’ sich mal bitt’ schön wieder ab, ja?«, gab sie bissig zurück. »Ich stand ja wohl weit genug weg, und wenn ich g’merkt hätt’, dass Sie mich net sehen, hätt’ ich immer noch zur Seite gehen können.«

      Jetzt endlich erreichte der Mann sie.

      »So, meinen Sie, ja?«, fragte er kopfschüttelnd. »Dann will ich Ihnen mal was sagen: Ich…« Er winkte ab. »Ach, ist ja auch egal. Hat schließlich eh keinen Zweck, einer Frau was erklären zu wollen. Also, wo drückt denn der Schuh? Springt Ihr Wagen net an?«

      Michaela biss die Zähne zusammen. Am liebsten hätte sie dem Kerl mal kräftig die Meinung gesagt, aber dummerweise war sie auf seine Hilfe angewiesen. Sie selbst würde ihren Wagen unmöglich wieder flottkriegen. Von Autos hatte

      sie nämlich so gut wie keine Ahnung.

      Also nickte sie nur und sagte: »Genau das. Gerade lief er noch, dann hab’ ich eine kurze Pause gemacht, und jetzt will er einfach net mehr anspringen.«

      »Schon mal nachgeschaut, ob der Tank leer ist? Wundern tät’s mich ehrlich g’sagt net.«

      Michaela stemmte die Fäuste in die Seiten. »Jetzt hören S’ mal«, protestierte sie. »Ich geb’ ja zu, dass ich net besonders viel Ahnung von Autos hab’, aber ganz bestimmt ist mir net einfach der Sprit ausgegangen. Ich hab’ nämlich vorhin erst noch getankt.«

      »Ist ja schon gut.« Der Mann lächelte beschwichtigend, setzte sich ans Steuer von Michaelas Wagen und versuchte selbst, den Motor zu starten. Natürlich vergeblich.

      »Hm«, sagte er nachdenklich. »Springt tatsächlich net an.«

      Michaela rollte entgeistert mit den Augen. »Na, daran haben S’ doch wohl net etwa gezweifelt, oder? Meinen S’ wirklich, ich würd’ mir hier die Beine in den Bauch stehen, wenn…«

      »Nein, nein, natürlich net, ist ja schon gut.« Er stieg wieder aus, öffnete die Motorhaube und schaute sich alles genau an. Michaela beobachtete, wie er an einigen Kabeln herumfummelte, ab und zu verhalten fluchte und schließlich rief:

      »Versuchen Sie es mal, bitte.«

      Michaela klemmte sich hinters Steuer und drehte den Schlüssel. Als der Motor gleich beim ersten Mal ansprang, konnte sie ihre Überraschung nicht verbergen.

      »Meine Güte«, rief sie durch die noch offene Fahrertür, »das ist ja kaum zu glauben. Wie haben S’ das denn hinbekommen?«

      Er ließ die Motorhaube wieder nach unten fallen, rieb sich die Hände an seiner Hose und winkte ab. »Ach, war ein Kinderspiel. Es hatte sich nur ein Kabel gelöst, mehr net. Also, ich wünsch’ dann weiterhin gute Fahrt.« Er nickte ihr noch einmal zu, wandte sich dann ab und stieg wieder in seinen Wagen.

      »Ihnen auch. Und haben S’ vielen Dank«, rief Michaela ihm noch hinterher, aber da fuhr er schon los. Na, so was, dachte Michaela, während sie ihm nachsah. Das ist aber auch keine Art. Net mal vorgestellt hat er sich. Aber da sieht man’s mal wieder: Gutes Aussehen allein reicht eben noch lange net.

      Doch obwohl sie sich irgendwie über ihren Retter in der Not ärgerte – vor allem wohl deshalb, weil er einfach so schnell verschwunden war –, bekam sie ihn während der Weiterfahrt doch nicht aus dem Kopf. Es war schon beinahe erschreckend, wie oft ihre Gedanken zu ihm wanderten.

      Wo er wohl herkommt?, fragte sie sich. Und wie er wohl heißt?

      Aber das würde sie wohl nie herausfinden. Und Michaela konnte nicht leugnen, dass sie darüber alles andere als froh war.

      *

      Was für eine Frau!

      Karsten konnte sich nicht erinnern, sich jemals in seinem Leben einem weiblichen Wesen gegenüber so unsicher gefühlt zu haben. Ihm war klar, dass er keinen guten Eindruck auf sie gemacht haben muss­te: Zuerst hatte er sie ausgeschimpft, weil sie mitten auf der Straße gestanden hatte, dann hatte er ihr geholfen, ihren Wagen wieder flott zu kriegen, und schließlich war er ohne ein weiteres Wort abgefahren.

      Wahrscheinlich hielt sie ihn jetzt entweder für unfreundlich oder für ziemlich verwirrt, wahrscheinlich aber für beides.

      Karsten konnte es nicht ändern. Fest stand nur, dass er einfach so schnell wie möglich aus der irritierenden Nähe dieser Frau hatte entkommen müssen, und jetzt nickte er. Ja, es war gut gewesen, dass er sein Heil in der Flucht gesucht hatte. Nicht umsonst hatte er sich vor einiger Zeit geschworen, sich so schnell nicht wieder auf eine Frau einzulassen. Nach allem, was er erlebt hatte, war das auch kein Wunder.

      Aber warum ertappte er sich dann trotzdem immer wieder dabei, wie er an die Begegnung mit der jungen Schönheit zurückdachte?

      Die Antwort war einfach: Weil sie ihn fasziniert hatte. Sie war das schönste Madl, das er je in seinem Leben gesehen hatte.

      Und ich bin einfach davon und kenn’ net mal ihren Namen, dachte Karsten und verzog das Gesicht. Jetzt werd’ ich sie wohl nie mehr im Leben wiedersehen. Aber wahrscheinlich ist das auch besser so.

      Aber warum stimmte ihn diese Erkenntnis dann trotzdem so unendlich traurig?

      *

      »Madl!


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