Slumlords. Alexander Broicher

Slumlords - Alexander Broicher


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war stets vorbildlich organisiert. Ich bewunderte das an ihm. Immer straight, alles unter Kontrolle, ein echter Top-Manager. Ich überreichte ihm die drei G und erhielt im Gegenzug 200 Euro. Er verstaute die kleine Lieferung in einem Zigarettenetui, das er dann die Innenseite seiner Manteltasche schob, um das Kokain auf dem Wege nach Bayern zu schmuggeln.

      »Auf euren Konferenzen werden Lines gezogen?«, gab ich mich pikiert. »Ich bin schockiert!«

      »Wir treffen da ein paar Italiener, die es krachen lassen wollen«, teilte er mir mit. »Und mein Hotelconcierge, der mir sonst immer was besorgt, sitzt in Haft.«

      »Wegen Drogen?«

      Harro schüttelte den Kopf. »Vergewaltigung. Ein Zimmermädchen hat ihn angezeigt. Er soll ihr im Koksrausch einen Kerzenständer in den Hintern gesteckt haben. Gegen ihren Willen. Unappetitliche Sache.«

      Ja, da hatte er recht. Wir schwiegen kurz.

      »Gibst du mir eine kleine Nase aus?«, checkte Harro mich ab.

      Er wusste, dass ich es ihm nicht abschlagen würde. Er war mein Premium-Abnehmer. Hätte ich für meine Kundschaft eigene Membercards hergestellt, seine wäre aus Platin. Ich nickte ihm zu.

      »Ziehst du eine mit?«, wurde er fast kumpelig. Ein Nein hätte er zwar äußerlich akzeptiert, es aber für unhöflich gehalten. Und solche Leute waren bei ihm schnell unten durch, also streute ich mir auch eine Line. Mitten auf den Tresen.

      »Was geht denn in Italien ab?«, fragte ich den Fondsmanager neben mir. »Da werden ja schon wieder Banken gerettet.«

      »Mit deutschen Steuergeldern«, erklärte er mir. »Weil der Staat in Italien bankrott ist. Deren Schuldenberge sind zehnmal so hoch wie in Griechenland. Gute Nacht, Europa!«, schniefte er.

      Gute Nacht, Europa. Klang unsexy. Also nahm ich noch eine Line.

      Tagsüber Kokain konsumieren, das ballerte bei mir richtig. Fuck. Ich fuhr wie ein Zombie und nahm das Geschehen um mich herum wie durch einen gigantischen Wattebausch wahr. Mein Blutdruck hämmerte gegen meine Schädeldecke. Und so wollte ich Ludmilla nicht gegenüber treten, die extra für mich kochte. Gefüllte Paprika mit Tomatensauce. Also cruiste ich noch eine Dreiviertelstunde durch die Innenstadt, um runterzukommen.

      »Du wunderst dich wahrscheinlich, warum ich noch nicht mit dir gebumst habe?«, fragte Ludmilla mich unvermittelt beim Essen.

      Ich hustete. Und schluckte mit Verzögerung ein Stück Kartoffel runter und spülte mit Rotwein nach. Dann guckte ich ihr ins Gesicht. »Ach, weißt du, ich muss mich auch erst daran gewöhnen, dass hier jetzt jemand wohnt«, wich ich verlegen aus. Sie ahnte, dass alle Männer sofort auf sie raufsteigen würden, daher wollte ich nicht gleich mit der Tür ins Haus fallen.

      Ludmilla wurde ernster. Sie blickte auf ihren Teller. »Ich hab es gerade nicht so mit dem Sex. Ich muss erst wieder zu mir finden«, gestand sie mir. Dann sah sie mich an. »Ich habe doch die letzten Monate bei dieser Lesbe geschlafen. Und die Miete war, dass ich ihre Muschi lecke.«

      Mir fiel fast das halbvolle Glas mit dem Rotwein aus der Hand. Warum konnten Frauen solche Details nicht einfach für sich behalten? Was zum Teufel machte das besser? Dass ich nun ein Bild vor Augen hatte, wie sie mit ihrer Zunge zwischen den Schenkeln einer 45-jährigen Russin rumschlabberte? Fuck.

      »Keine Sorge«, bemühte ich mich angestrengt um Mitgefühl. »Du brauchst hier keine Miete zahlen.«

      »Wenn du einen Job weißt, ich will arbeiten«, betonte sie.

      »Als was?«

      »Ich bin ziemlich gut bei repräsentativen Sachen«, lautete ihre Selbsteinschätzung. »Als Empfangsdame oder Hostess. Aber am liebsten wäre ich Flugbegleiterin. Da kommt man geil viel rum.«

      »Hast du denn ein Traumreiseziel?«

      »New York!«, kiekste sie. »I love it!«, hauchte sie, obwohl sie noch nie dort war. Ich ließ sie spüren, dass ich ihr Ticket nach New York war. Dass ich es mir leisten konnte, sie einzuladen. Doch bevor ich schwanzgesteuert online schon ein Hotelzimmer für uns buchen konnte, bremste mein Businesshandy mich. Es klingelte, aber ich ließ es klingeln. Für keinen Kunden der Welt würde ich jetzt aus dieser häuslichen Idylle mit meiner neuen Traumfrau verschwinden, bloß um ein paar Euro Umsatz zu machen. Genervt sah ich aufs Display. Es war Harro. Ich musste ran.

      »Hey! Hast du den Zug verpasst?«

      Harro antwortete nicht. Aber ein Geräusch war zu hören. Konnte eine schlechte Verbindung sein. Vielleicht steckte er gerade in einem ICE-Tunnel?

      »Meine Frau«, röchelte er. »Sie ist entführt worden!«

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