Augmentationschirurgie. Hendrik Terheyden

Augmentationschirurgie - Hendrik Terheyden


Скачать книгу
folgen die Makrophagen, die unter den sauerstoffarmen Bedingungen eines Wundrandes trotzdem überleben können, und hier durch Sezernieren von VEGF (Vascular Endothelial Growth Factor) die Gefäßneubildung und damit die nächste Phase initiieren können.

      Proliferative Phase (Heilung)

      Wenn eine Wunde sauber ist, können Makrophagen Wachstumsfaktoren wie Transforming Growth Factor Beta (TGF-b), Insulin Like Growth Factor (IGF) und Vascular Endothelial Growth Factor (VEGF) sezernieren. Diese Faktoren induzieren die Bildung des Granulationsgewebes, das die provisorische Matrix des Koagulums ersetzt. Die proliferative Phase überlappt mit den angrenzenden Phasen und dauert Tage bis Wochen. Angeregt durch VEGF aus Makrophagen lösen sich perivaskuläre Zellen der angrenzenden Blutgefäße, teilen sich und versammeln sich zu Infiltraten. Sie vereinigen sich und bilden Röhren, die sich an die bestehenden Blutgefäße anschließen. Dann können sie durchströmt werden und so die Sauerstoffversorgung im Defektgebiet verbessern. Den Gefäßen nachfolgend wandern chemotaktisch Fibroblasten ein. Diese stoßen in der Extrazellulärmatrix des Blutkoagulums auf die gespeicherten Wachstumsfaktoren und beginnen mit der Kollagenbildung. Bis hierher ist die Wundheilung weitgehend unspezifisch und gleicht sich in Weichgewebewunden und Kieferknochenwunden. Allerdings laufen die nun folgenden Phasen im Weichgewebe viel schneller als im Knochen ab.

      Für den Unterschied der Knochenwunden zu Weichgewebewunden sind die Bone Morphogenetic Proteins (BMP) verantwortlich. Sie sind im Knochen gespeichert und werden bei Verletzungen des Knochens durch Fraktur oder Osteotomie freigesetzt. Eine wichtige Quelle sind auch Knochenchips (z. B. Scraper) oder der Bohrstaub in einer Implantatalveole, die daher tunlichst nicht vor der Implantatinsertion ausgespült werden sollte. Das BMP führt zur Differenzierung von mesenchymalen Stammzellen zu Knochenvorläuferzellen. Die entstehenden Osteoblasten können nur auf einer festen Grundlage existieren und verankern sich, vermittelt durch Integrine und Osteopontin, an Knochenbälkchen in ihrer Umgebung. Wenn diese Verankerungen den Zellen (Mechanorezeptoren) mechanische Ruhe signalisieren, beginnen sie mit der Expression knochenspezifischer Matrixproteine (Osteoid), ausgehend von der verletzten Knochenoberfläche.

      Abb. 2-5 Initiale Geflechtknochenbildung im Rahmen eines Sinuslifts mit Knochenersatzmaterialgemisch nach 6 Wochen. Präosteoblasten verdichten sich, lagern sich um eine Osteoidmatrix, welche in Richtung des rechten Bildrandes bereits zunehmend mineralisiert (Labor MKG Kiel, unentkalkter Hartschliff, Toluidinblau, Schwein, 200fach).

      Abb. 2-6 Partikel von xenogenem Knochenersatzmaterial (rosa) werden im Rahmen der Heilung eines Sinuslifts von blauem Geflechtknochen überzogen und untereinander verbunden und in den Knochen integriert. Das Fremdmaterial ist osteokonduktiv, es überdeckt sich mit Fibronektin, auf dem sich Osteoblasten anheften (Labor MKG Kiel, unentkalkter Hartschliff Toluidinblau, Schwein, 200fach).

      Remodellierungsphase (Umbau)

      Diese Phase dauert im Knochen Wochen bis Jahre. Sie umfasst den lastabhängigen Umbau von unreifem Geflechtknochen (Kollagenfasern ungeordnet in Zufallsrichtung) in reifen lamellären Knochen (Kollagenfasern parallel in Zugrichtung). Ein frei transplantierter Knochen und in Grenzen auch manche Knochenersatzmaterialien werden ebenfalls mit der Zeit ganz abgebaut und durch neuen Knochen ersetzt. Lastabhängig ist dieser Umbau auch daher, weil man beobachtet, dass Knochen an okklusal belasteten Zähnen und Zahnimplantaten erhalten bleibt, wogegen er in unbelasteten Kieferbereichen meistens schnell wieder abgebaut wird

      Das Bild der Waage (Abb. 2-7) hilft dem Arzt, die Wundheilung als ein quantitatives Problem zu begreifen, zum Beispiel das quantitative Aufbrauchen der Abwehrzellen, wenn die bakterielle Inokulation zu hoch wird oder das quantitative Verbrauchen von Antikörpern, wenn die Antigene überhandnehmen.

      Abb. 2-7 Das Schaubild des Wundgleichgewichts soll dazu animieren, die Wundheilung als quantitativen Prozess zu betrachten. Eine nicht heilende Wunde enthält M1-polarisierte Makrophagen des proinflammatorischen Milieus, eine heilende Wunde enthält M2-polarisierte Makrophagen des antiinflammatorischen Wundmilieus. Die Makrophagen sind die Schaltstelle des Übergangs von der inflammatorischen in die regenerative Phase.

      Im Wundmilieu ist zwischen einer proinflammatorischen Polarisierung und einer antiinflammatorischen Polarisierung als Ausschlag der Waage zu unterscheiden. Regeneration und Gewebeaufbau entsteht nur im antiinflammatorischen Milieu, während das proinflammatorische Milieu für Abbau der Extrazellulärmatrix des Gewebes sorgt. Die im Gewebe aktuell vorhandene Kollagenmenge steht im Gleichgewicht von ständigem An- und Abbau von Kollagen. Wenn abbauende Enzyme von Granulozyten sezerniert werden, wird das Gleichgewicht Richtung Abbau verschoben, denn die Granulozyten schaffen sich Platz, um besser durchs Gewebe marschieren zu können. Der klinische Effekt ist die Blutungsneigung der entzündeten Gingiva, die deshalb auf Sondierung blutet, weil Kollagen abgebaut wurde.

      

      Abb. 2-8 a. Das antiinflammatorische Wundmilieu einer heilenden Wunde zeichnet sich durch einen hohen Gehalt an Extrazellulärmatrix (Fibrin, Kollagen, Fibronektin) und Wachstumsfaktoren (VEGF – vascular endothelial growth factor, TGF – transforming growth factor, FGF – fibroblast growth factor, KGF – Keratinozytenwachstumsfaktor, PDGF – Platelet derived growth factor) und eine Neoangiogenese aus. TIMPs (Tissue Inhibitors of Metalloproteinases) verhindern den Kollagenabbau durch Hemmung der Proteasen. b. Das proinflammatorische oder toxische Wundmilieu einer nicht heilenden Wunde enthält Zytokine wie TNF-α (Tumor-Nekrose-Faktor alpha), viele Granulozyten und eine schwache Extrazellulärmatrix mit wenig Blutgefäßen. Im Randbereich liegt eine Hyperämie vor, zentral mangelt es an Blutgefäßen. Im toxischen Wundmilieu finden sich Sauerstoffradikale, die Bakterien und Körperzellen abtöten. Ebenso finden sich aggressive Proteasen, die Kollagen abbauen und am Ende das Gewebe zu Eiter verflüssigen.

      Zum antiinflammatorischen Milieu gehört das Gegenteil, viel Extrazellulärmatrix und viele Wachstumsfaktoren. Wichtige Komponenten der Extrazellulärmatrix sind Fibronektin


Скачать книгу