Die Poesie des Biers. Jürgen Roth

Die Poesie des Biers - Jürgen Roth


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      Du, sagt Moser, ich trink’ locker meine acht, neun Weizen, aber beim Bock, naa. Vier über ’n Jordan. Wenn du, hör zu, zwei Bock trinkst, sind des alkoholprozentig approximativ zweieinhalb Weizen. Es sind aber, Mosers Stimme klettert in die Höhe, mehr als zweieinhalb Weizen! Da is’ was anderes drin im Bock. Im Bock is’ was im Busch, hehe.

      Moser lacht und greift zum Weizen.

      Hör, des is’ schwierig mit dem Bock, beginnt Moser wieder. Wenn ich mal so vierkommaneun annehme beim Weizen und sechsvier beim Bock, dann dürften zwei oder sechs Bock kei’ Problem sein. Aber, Moser hebt den rechten Zeigefinger, zwei Bock sind mehr als zwei Bock! Im Bock is’ ein Mehr an irgendwas! Es is’ unfaßbar. Unfaßbar ist des mit dem Bock!

      Moser hält inne. Also, sagt er jetzt und nimmt noch rasch einen Schluck, im Bock ist ein anderer Alkohol. Da ist jedenfalls ein irgendwie etwas Anderes im Bock als im Weizen. Oder, sagen wir, auch im Hellen. Jedenfalls ist im Bock ein anderer Alkohol. Du trinkst dieses Bockbier und hast mehr Alkohol drin, als im Bockbier drin is’. Arithmetisch is’ des unmöglich, ich sag’s dir, unmöglich, imponderabel is’ des! Aber es ist so!

      Kenzmann sagt nichts, und Moser sagt, der Alkohol im Bock sei immensurabel. Du saufst halt nicht, erklärt Moser, ein’ Schnaps mit 18 Prozent, sondern mit 80 Prozent. Mir sann auf vierneun geeicht, verstehst, und deshalb haut die Rechnung net hin. Nie haut die hin.

      Moser haut wie zur Bestätigung seiner Rechnung mit der rechten Hand auf den Tisch und ruft: Superfalle Bock! Er ordert ein neues Weizen und sagt, gern würde er Bockbier trinken können, sehr gern. Aber mir ham a Problem drauf: Mir spei’n drauf. Des is’ subito klar. Des is’ der integrierte Schnapsfaktor im Bock.

      Vielleicht gebe es da so gewisse Alkoholfamilien, sagt Kenzmann, Verträglichkeitsverhältnisse zwischen Getränken und Trinkenden. Der eine könne, der andere nicht. Der eine könne das und das, der andere das und das aber nicht. Auch zwischen Bier und bestimmten Schnäpsen gebe es ja Unverträglichkeiten, ganz furchtbare Interferenzen.

      Sicher, sagt Moser, Bier und Whiskey geht, im Prinzip, Bier und Klare, des geht nicht.

      Aber das sei doch Usus, sagt Kenzmann, zum Bier einen Klaren zu trinken. So sei das doch gewöhnlich.

      Das sei ja die Sauerei, fährt Moser auf, daß das mit diesem Drecksschnaps, mit diesen Sauschnäpsen einfach so hingenommen und gemacht werde! Manche Sachen, sicher, die kann man halt wegbuchsen, ohne weiteres, zehn, elf Weizen, kein Problem, aber Tequila, hör mir auf mit Tequila! Das seh’ ich doch, was aus dem Tequila folgt! Mitten hinein in die Gifthölle marschieren die, Moser zeigt zum Tresen, rein in den Schnapssumpf reiten die, schreit Moser jetzt, jeden Abend!

      Nein, Tequila würd’ ich ablehnen, sagt Moser nach einem frischen Schluck Weizen. Wodka ja. Aber Wodka hob’ ich Jahre net mehr getrunken. Ich hob’ Wodkaräusche gehaaaabt, Moser zieht die Stimme in die Länge und mit dem rechten Arm einen weiten Halbkreis, des kannst dir net vorstell’n. Wodka, sag’ ich heut’, Wodka – nur ein’. Und den mit Verstand.

      Schnaps mit Verstand? fragt Kenzmann.

      Du kriegst ein’ Wodka, sagt Moser, und du sagst: Das ist ein Wodka. Und das war ein Wodka.

      Kenzmann winkt nach einem Weizen und fragt: Welchen Schnaps kann man denn dann überhaupt zum Bier trinken?

      Keinen! brüllt Moser, er brüllt tatsächlich, warum brüllt er bloß? Hör zu! brüllt er, ja, er höre ja zu, sagt Kenzmann, hör zu, sagt Moser, der Hugo, mein Freund, der Hugo braucht den Schnaps, der braucht den so, und der braucht den zum Bier, der braucht den, weil er, weißt, weil er Depri hat. Der ruft mich an und sagt: Laß uns ein’ trinken, aber der meint nicht Bier. Der meint: Schnaps trinken.

      Moser dreht den Kopf zur Seite. Mühsam greift er unter den Tisch und hebt seine Zigaretten auf. Aber ich möcht’ nich’ in diese Bratzkigemeinde, sagt Moser jetzt ruhig, weißt, der Hugo is’ mei’ Freund, aber ich möcht’ net. Bratzkischnapski. Aber der Hugo, der is’ mei’ Freund, und dann sitzma da, und dann is’ der Hugo wieder klug zu seiner Umwelt und sagt: Schau dir die Scheißumwelt da draußen wieder an. Und trinkt seinen Schnaps. Und diese Klugheit verdankt der Hugo dem Schnaps. Irgendwie.

      Ich hob’ dem Hugo gestern g’sagt, sagt Moser nach einer kurzen Pause und einem Zug von der Zigarette: Hugo, hör zu, da führ’n wir uns jetz’ halt ein paar Weizen rein. Schnaps, Hugo, Schnaps, schön und gut, aber so geht’s nicht! So geht es natürlich nicht! Das ist pejorativ, Hugo. Das ist äußerst pejorativ, Hugo, hob’ ich dem Hugo g’sagt, aber Weizen, sag’ ich, Weizen geht. Ein Weizen geht noch. Eins geht immer.

      Ja, sagt Kenzmann und schiebt seinen Stuhl nach hinten, ich muß jetzt los, leider.

      Ja, geh ruhig, sagt Moser und winkt der Bedienung.

      Oberharnsbach

      Daß es doch ein Jammer und überhaupt nicht zu verstehen sei, daß ein Ort mit einem solchen Namen über keine Brauerei verfüge, sagt Herr Rehse. Nach Oberharnsbach gehöre doch eine Brauerei! Das gehe doch nicht, daß da keine Brauerei sei. So was gehöre sich doch wirklich nicht, so Herr Rehse. Oberharnsbach und Brauerei, das sei doch ein und dasselbe Ei. So würde ein Schuh draus werden. Aber so brauche man hier nicht anzuhalten.

      Karnevalskirche

      Weh euch, die ihr schon früh am Morgen

      hinter dem Bier her seid.

      Jes 5,11

      Bevor ich vergangenen Sonntag nach dem Frühschoppen die Schankstube der Baunacher Brauerei Sippel verließ, um dem sich ankündigenden fränkischen Faschingsumzugsgelärme und den fanatisch alkoholisierten Festbürgern zu entkommen, ließ ich das Würzburger katholische Sonntagsblatt mitgehen, Ausgabe 4/2002 der »Kirchenzeitung der Diözese Würzburg«; und im friedfertiger gesinnten Nachbarort, in Reckendorf, stieß ich beim rotbraunen Schroll Lager auf die Überschrift »Und Gott lacht mit, weil er euch liebt«.

      Gott lacht? War das nicht ein besonders moderner Blödsinn, ein häretischer Quatsch, eine sündhafte Fehllehre?

      Seit der Scholastik ist ausgemacht, daß Gott, das allmächtige und vollkommene Wesen, keinen Grund zum Lachen haben kann und demzufolge nicht mal gickert. Gott lacht nie, Gott schweigt, schaut und schläft. Gott lacht? Ha! Daß ich nicht lache. Dem Lachen eigne etwas »Lichtfeindliches«, etwas luziferisch Böses, äußerte Baudelaire (Vom Wesen des Lachens). Ihm dämmerte gar, »das Lachen sei Anzeichen von Schwäche«, von Glaubensferne, scheppernde Kunde von der Ankunft des Fürsten der nahenden Finsternis. Und jetzt, mitten in den frühlingsfunkelnden östlichen Haßbergen, zwischen Bamberg und Haßfurt, dem Domizil des erbitterten Kirchenkritikers Karlheinz Deschner, empfing ich via Sonntagsblatt aus Priestermunde die sonntägliche Frohbotschaft, »daß das Lachen zur Natur des Menschen gehört. Und es ist eine Botschaft, daß hinter allem das unendliche Lachen des Schöpfers steht.«

      Nun mag das Lachen laut Freud »die sozialste aller auf Lustgewinn zielenden seelischen Leistungen sein« oder zur Kompensation des Triebverzichts dienen; daß indes Gott den lieben langen Tag und bis in alle Hegelsche Unendlichkeit nichts anderes tut, als zu gakkern und herumzuwiehern, konnte nur ein schlechter Scherz sein. Allein, das Sonntagsblatt, ich traute meinen Augen kaum, feierte nicht bloß den, was es alles gibt, kürzlich stattgehabten »sechsten ökumenischen Wortgottesdienst der Karnevalisten« in der Würzburger Augustinerkirche (wäre’s wenigstens der Münchner Augustinerkeller gewesen), sondern führte zudem aus: »Außerdem hat Fasching einen christlichen Hintergrund, es steckt ein tiefer Sinn dahinter.«

      Es ist wohl eher der, so Michail Bachtin, plane weltliche Unsinn der Maskerade und der diffus erotischen Exaltation; was Pater Adalbert Müller faschingsenerviert nicht daran hinderte, folgenden Predigtwitz zu reißen: »Herr Pater, ich habe Ihre Predigt gehört, sagte mir jemand. Meine letzte? fragte ich. Hoffentlich, war die Antwort.«

      Zum Schießen, fürwahr. »Der Witz gefiel den Mitgliedern der mehr


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