Sklavenjagd. Tomàs de Torres

Sklavenjagd - Tomàs de Torres


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       Tomás de Torres

       Sklavenjagd

      Sklavenjagd

      SM-Thriller

      von

      Tomás de Torres

       MARTERPFAHL VERLAG

      © der Paperback-Ausgabe 2010 und

      © der Ebook-Ausgabe 2015

      Marterpfahl Verlag Rüdiger Happ,

      Postfach 8, 72147 Nehren

       [email protected]

       www.marterpfahlverlag.com

      Titelgestaltung: Sibil Joho – unter Verwendung

      eines Fotos von »Alex Sommer« (»Master Alex S« in der

      »Sklavenzentrale«), Modell: Nadu (http://sklavin-nadu.de/)

      Druck der Paperback-Ausgabe:

      Print Com, Erlangen (www.print-com.de)

      Produktion der Ebook-Ausgabe:

      Readbox, Dortmund (www.readbox.net)

      ISBN 978-3-936708-75-2 (Paperback)

      ISBN 978-3-944145-50-1 (Ebook)

      I

      Wie ein riesenhafter, zernarbter Silberbarren, wie ein ebenso mächtiges wie drohendes Relikt aus einer Zeit vor den Menschen, lag das langgestreckte Felsmassiv von El Torcal vor Dolores Muñoz Carrasco. Das weder durch Wolken noch durch Dunstschleier getrübte Licht des Vollmonds brachte den von Spalten durchzogenen Kalkblock zum Glänzen; einen Teil dieses Lichts strahlte der Gebirgszug zurück auf die ihn umgebende, vom Mondlicht geflutete Ebene und linderte damit die Härte der Schatten.

      Dolores hatte die alte Straße, die von Málaga, der Hauptstadt der gleichnamigen Provinz an der Costa del Sol, nordwärts über Almogía nach Antequera führte, mehr aus Gewohnheit als aus rationaler Überlegung genommen. Nicht nur bei Nacht war die Autobahn, die sich durch das Tal des Rio Guadalmedina wie ein langer schwarzer Wurm aufwärts wand, die bequemere, schnellere und auch sicherere Lösung. Doch als ihr dies bewusst wurde, hatte sie sich bereits durch die hundert Ampeln der nördlichen Ausläufer von Málaga geschleust; durch eine Umkehr wäre nichts mehr zu gewinnen gewesen.

      Einmal mehr verfluchte sie den aus ihrer Sicht unglücklichen Umstand, der sie mitten in der Nacht auf die Straße gezwungen hatte. Ihr Freund Jorge war Schauspieler und hatte – endlich wieder einmal, musste man sagen – ein Engagement bekommen, wenn es auch nur eine kleine Rolle an einem kleinen Theater in Antequera war, das nördlich von Málaga jenseits des Küstengebirges am Rande einer fruchtbaren Hochebene lag. Heute war die Generalprobe des Stücks angesetzt und morgen, am Samstag, die Premiere. Jorge wohnte während dieses Engagements in der leer stehenden Wohnung eines Bekannten und hatte Dolores für das Wochenende eingeladen. Das hieß, genau genommen hatte er bestimmt: »Du kommst natürlich am Freitagabend, dann können wir das Wochenende zusammen verbringen, und du kannst mich endlich wieder einmal auf der Bühne sehen.« Es hätte Dolores nicht überrascht, wenn er anstelle des Wortes »sehen« das Wort »bewundern« gebraucht hätte, denn er hielt sich für einen überaus begabten Schauspieler. Und er wusste genau, wie sehr Dolores es hasste, die Geborgenheit ihrer vier engen Wände verlassen zu müssen, doch auf solche Überlegungen verschwendete er niemals einen Gedanken.

      Jorge war eben Jorge; er würde sich ebenso wenig ändern wie sie sich selbst. Sie musste nun einmal mit ihm vorliebnehmen, denn sie wusste aus Erfahrung, dass es schlimmere Typen gab als ihn – erheblich schlimmere sogar.

      Sie hatte nun beinahe den Rand des Massivs erreicht; die Steigung und die Enge der Kurven nahmen merklich zu. Links erhob sich ein steiler, von einer Armee bizarrer Felsbrocken besetzter Hang bis an den Fuß des Kalkmassivs, das riffartig emporragte; Schattenkrieger, die sich im Zusammenspiel von Mond- und Scheinwerferlicht drohend auf die Straße zuzubewegen schienen. Rechts fiel der Hang sogar noch steiler ab. Dolores zögerte dennoch, in den zweiten Gang hinunterzuschalten; zum einen beugte sich die Kupplung des elf Jahre alten Citroën Saxo täglich widerwilliger ihrem linken Fuß, und zum anderen wollte sie ihr Ziel so schnell wie möglich erreichen. Sie hatte keine Lust, beinahe die halbe Nacht hinter dem Lenkrad zu verbringen – nicht nach diesem Tag. Obwohl es Freitag war, war sie erst lange nach Einbruch der Dunkelheit aus dem Büro gekommen. Als sie am Nachmittag bereits dabei gewesen war, ihren Schreibtisch für das Wochenende aufzuräumen, war ihrem Chef noch eingefallen, sie müsse eine ellenlange Ladeliste für den Zoll erstellen. Freitagabend? Der war für Señor Buitre nur ein Abend wie jeder andere, Samstag und Sonntag eingeschlossen. Der Typ eines Unternehmers, wie er nach Dolores’ Ansicht längst hätte ausgestorben sein sollen, so wie die Dinosaurier, die gewiss ebenfalls keinen Unterschied zwischen Werktagen und Wochenenden gekannt hatten. Und wie stets in solchen Fällen hatte es natürlich Dolores getroffen, da alle ihre Kolleginnen in weiser Voraussicht vor ihr enteilt waren.

      Und als sie dann vom Parkplatz aus Jorge hatte anrufen wollen, hatte sie feststellen müssen, dass der Akku ihres Handys wieder einmal leer war, was ihr mindestens einmal pro Woche passierte. Aber wahrscheinlich hätte sie ihn wegen der Generalprobe ohnehin nicht mehr erreicht. Sie hoffte nur, dass er erst nach ihr in der Wohnung seines Bekannten einträfe und nicht auf sie warten müsse, denn so viel man auch über Jorge sagen konnte – dass er ein geduldiger Mensch sei, gehörte gewiss nicht dazu, und überdies …

       War da nicht etwas?

      Ein kurzes, metallisches Blinken rechts der Straße, vielleicht 20 oder 30 Meter vor ihr, hatte Dolores aus ihren Gedanken geschreckt. Oder war es nur eine optische Täuschung gewesen, die Reflexion des Scheinwerferlichts an einem Einschluss im Fels?

      Sie nahm den Fuß vom Gaspedal und starrte angestrengt in Richtung der Stelle, an der sie etwas gesehen zu haben glaubte. In diesem Augenblick materialisierte sich ein Schemen unmittelbar vor dem Saxo, von links kommend, lichtlos vor dem Hintergrund der geisterhaft bleichen Felsblöcke. Etwas wie ein Gesicht blitzte kurz auf, Dolores zugewandt und zu einer Maske fassungslosen Erstaunens versteinert. Dann erbebte der Kleinwagen unter einem Stoß, der Dolores in den Sicherheitsgurt schleuderte, und der Schemen war plötzlich wieder verschwunden.

      Instinktiv sprang Dolores auf die Bremse und brachte den bockenden Wagen mit quietschenden Reifen innerhalb weniger Meter zum Stehen. Der Motor starb ab, doch sie hörte es nicht, da das Blut in ihren Ohren toste wie ein unversehens entstandener Geysir und sie ihren Herzschlag in jeder einzelnen Ader zu spüren schien. Für Augenblicke verschmolzen Licht und Schatten vor ihr zu rotierenden Feuerbällen, die ihr die Sicht raubten.

       Das war ein Mensch! Du hast einen Menschen überfahren!

      Zitternd und zu keinem klaren Gedanken außer diesem einen fähig, saß sie da und starrte in die Farbkaskaden, die erst allmählich wieder zu Konturen und Formen kondensierten. Der Lichtbogen des Scheinwerfers – nur der rechte funktionierte noch – erfasste einen einsamen Schuh, der einen grotesken, langgestreckten Schatten warf, tastete sich weiter bis zu einem Fuß, der in einem unmöglichen Winkel abgeknickt war, und umfloss schließlich den dazugehörenden Torso, vier oder fünf Meter vor dem Wagen. Die Wucht des Aufpralls musste ihn dorthin geschleudert haben.

      Das ist nicht wahr, ist nicht passiert! Das kann nicht passiert sein! Nicht hier, nicht um diese Zeit …

      Wieder und wieder kreiste dieser Gedanke durch ihr Gehirn wie eine Beschwörungsformel, ein Mantra, das Dämonen fernhalten sollte.

      Doch den Dämon der Wahrheit kann auf Dauer niemand bannen.

      Nur langsam setzte sich diese Erkenntnis in ihr durch – dass nämlich das, was soeben geschehen war, nicht Teil eines Albtraums, sondern erbarmungslose Realität war: dass sie nach acht Jahren, in denen sie nicht einmal


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