100.000 Tacken. Reiner Hänsch
„Die Pollezei hat’s mir gesacht. Die wissen sowwat.“
Ach so. Na, und außerdem ist Herr Dorenkamp ja auch schon sehr lange verheiratet. Da würde er sicher niemals mit so einer Blondine im Hinterzimmer … Schluss jetzt, Alex!
„Ach so, die verbrennen also Scheine.“
„Ja, daran kann man’s erkennen. Auch erkennen, wenn man ganz sicher sein will.“
„Und wenn’s dann nicht bläulich brennt …?“, frage ich dann trotzdem noch, aber die Antwort ist mir ja eigentlich schon klar. Und deshalb zuckt Herr Dorenkamp auch nur mit den Schultern und sagt: „Tja, dann … hasse Pech gehabt, Junge, woll. Hahaha.“
Ja, ja.
„Und Sie mussten den falschen Fünfziger dann bei der Polizei lassen und bekommen ihn nicht ersetzt?“, frage ich ihn dann und mache mir ein paar Notizen.
„So isses“, sagt er. „Ich hätte se lieber dem ollen Kurzhöfer angedreht. Der merkt doch sowieso nix mehr“, kichert er albern los, was ich ihm als seriösem Herrn eigentlich nicht zugetraut hätte. „Aber dat darf man ja nich.“
„Nein. Das darf man nicht, Herr Dorenkamp. Wissen Sie denn, wer Ihnen die Scheine gegeben hat?“, frage ich weiter.
„Na, dat hat de Pollezei mich ja auch schon gefracht, aber ich weises nich genau. „Ich weiß nur, dat einer von Herrn Fauseweh kommt, unser‘m Briefträger. Der hat bei mir so ein kleines Schmuckstück für seine Frau gekauft. So’n billigen Modeschmuckring, wissen Se. Eigentlich verkaufe ich sowwat ja gar nich. Naja … Und ich habb ihm noch fast zwanzich Euro wieder rausgegeb’n. Echte zwanzich Euro.“
„Ja, klar. Aber Sie meinen doch nicht, dass Herr Fauseweh …“
„Nä, nä, der bestimmt nich. Aber irgendjemand hat ihm den Schein ja angedreht. Jemand, der es vielleicht selbs nich wusste, datter falsch ist. Dat ist ja dat Schwierige bei de Rückverfolgung, man weiß nie genau, wo dat Geld herkommt.“
Ja, das stimmt. Schwierig.
„Na, ich bleib mal dran. Vielen Dank, Herr Dorenkamp und einen schönen Tag noch!“
Die Sonne kommt mal kurz raus und es ist noch kälter geworden in Leckede-Hintersten. Wenn das so weitergeht, dann haben wir Weihnachten vielleicht sogar Schnee.
Lord Dumbledore
„Also gut“, sagt Steffi, und seufzt allerdings ein wenig zu theatralisch dabei, als ob sie einem ständig nörgelnden Kind schweren Herzens endlich nachgeben würde. Gibt ja sonst keine Ruhe.
Es geht natürlich um die Sache mit dem Haus, das ich persönlich ja schon sehr ins Herz geschlossen habe – mitsamt aller, nein, einiger Bewohner – und Steffi ja eigentlich auch, oder? Aber … sie ist halt vorsichtig, kann sich nicht so schnell entscheiden, weder bei H&M in der Damenabteilung bei der Anschaffung eines neuen Kleidungsstückes noch beim Häuserkauf anscheinend, und hat halt noch so ihre Bedenken, wie ich sie kenne.
Und obwohl sie „also gut“ gesagt hat, bringt sie dann doch noch mal den arabischen Markt mit der Hinrichtung eines Hammels oder eines Kameldiebes ins Spiel, der möglicherweise ja den Hausfrieden bedrohen könne, und erinnert auch kurz und mahnend an Herrn Horstkötter im Feinripp, der ihr nicht so sehr gefallen hat, wie sie sagt, und der einem ja vielleicht noch mal ganz schön Ärger bereiten könne, auch mit seinem sehr gewöhnungsbedürftigen lautstarken Musikgeschmack. Und auch die Familie Göktürk mit ihren möglicherweise etwas gefährlichen Verfahren der Nahrungszubereitung kommt zur Sprache.
Aber … sie hat „also gut“ gesagt und das zählt, finde ich.
„Schön ist es ja, Alex. Von außen wenigstens, obwohl ja auch da … na gut, das hat man sicher schnell gemacht. Und vielleicht hast du ja recht mit dem Betongold und so. Ist möglicherweise das Beste, was wir mit Onkel Günters Geld machen können. Obwohl es ja nicht reicht, das weißt du?“
„Daaa mach dir mal keine Sorgen“, sage ich beschwichtigend und reichlich voreilig, weil ich es natürlich noch nicht genau weiß, ob unser höchstpersönlicher Berater von der Sparkasse, Heribert Beckebanz, die andere Hälfte auch locker macht. „Aaach, das klappt auf jeden Fall.“
Steffi zieht ihre Stirn ein wenig kraus, sagt aber dann: „Ich hab mir auch alles noch mal angesehen und … ja, es sieht wirklich nicht schlecht aus. Und die Zahlen lügen ja nicht …“
„Genau“, sage ich und sie sieht mir meine wachsende Hoffnung natürlich auch an. Mir, der ich doch so gerne Immobilienbesitzer werden und für meine kleine Familie bis in alle Ewigkeit sorgen will. Mit diesem Haus wird es gehen. Ich freue mich auch sehr, dass es meine Idee war und dass ich mit Steffi ohne jede Hilfe eines Dritten (na gut, vielleicht noch mit Hilfe von Herrn Beckebanz von der Sparkasse) die ganze Sache stemmen werde.
„Die Zahlen lügen nicht. So ist es, und auch der Don hat gesagt, wir sollen’s machen, Schatz. Sieben Prozent wären sehr gut.“
Steffi nickt nur stumm, lächelt eher vorsichtig und ich werde das Gefühl nicht los, dass sie vielleicht doch noch ein paar kleinere Zweifel am Projekt „Grauer Kasten“ hat.
Ich habe recht, denn da geht es schon wieder los mit der Zweifelei. Hach, vielleicht nehme ich doch lieber das grüne Kleid, was meinst du? Oder eben gar keins.
„Nur, Alex, wir verstehen überhaupt nichts von Häusern und Vermietung, und von Geldanlagen und Renditen und so was sowieso nicht. Und du hast doch selbst immer gesagt, wovon man nichts versteht, soll man die Finger lassen. Vielleicht sollten wir doch lieber von Onkel Günters Geld einfach ‘ne schöne Reise machen, ein neues Auto kaufen – der Volvo macht’s doch auch nicht mehr lange – und unsere eigenen Schulden bezahlen“, bäumt sie sich ein letztes Mal schon etwas kraftlos auf. „Oder wir sollten wenigstens meinen Alten Herrn fragen, der war schließlich mal bei der Bank.“
„Alfred? Nä!“
Bloß weil mein Schwiegervater mal bei der Sparda-Bank in Neuharlingersiel an der Nordsee sein Leben bis zur Rente als, naja, immerhin als Filialleiter verbracht hat, werde ich ihn jetzt nicht nach seinem Klugscheißer-Rat fragen.
Nein, das werde ich nicht! Er weiß sowieso immer alles besser und würde mir möglicherweise noch davon abraten. Lass man lieber die Finger von wat, wat du nich versstehss, min Jong, würde er sicherlich mit seinem ausgeprägten norddeutschen Dialekt zu mir sagen, überheblich dabei lächeln und mir schwiegerväterlich auf die Schulter klopfen.
Nee, nee, das mach ich mal schön alleine diesmal. Man kann ja auch nicht viel falsch machen. Die Zinsen sind im Keller und das Haus ist gut.
Und schön sogar. So! Fertig!
„Das kriegen wir auch sehr gut ohne deinen Papa hin“, sage ich mit der Stimme von Christian Kohlund, diesem Traumhotel-Schmierlapp aus dem Fernsehen.
„Stell dir vor, mein Liebling, du und ich an einem schönen Strand, ein kühles Getränk in der Hand und unser Blick über den Ozean, vorbei an Max, der gerade mit dem neuen Jetbike ein paar Runden dreht, während Herr Horstkötter das Überweisungsformular für seine monatliche Miete ausfüllt. Ist das nicht ein schönes Gefühl?“
Und dann nehme ich meine Steffi einfach genau, wie es mein Fernsehvorbild getan hätte, in den Arm, flüstere ihr noch mal mit derselben Stimme das schöne Wort „Betongold“ zu und knabbere ihr am Ohrläppchen.
***
„Falschgeld in Leckede! Wer sind die Hintermänner?“, so soll meine Headline mit einer entsprechend spannend und informativ aufgemachten Geschichte am Samstag im Sauerlandbeobachter stehen und unsere verschlafene Gegend wachrütteln.
Seid wachsam, Leute, das Falschgeld kann überall sein! Im Mittelpunkt der Story steht natürlich das Gespräch mit Juwelier Dorenkamp und dann ein paar Hintergründe über die Machenschaften europäischer und sogar weltweit agierender Geldfälscherringe.
Ich