Reisch un berümp!. Reiner Hänsch

Reisch un berümp! - Reiner Hänsch


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Walter Knoche, in dem man erfährt, dass die Band den Beatwettbewerb gewonnen und damit einen Schallplattenvertrag mit einer großen Firma bekommen hat und der Durchbruch in Kürze zu erwarten sei. Wow!

      Das wird ja immer besser. Ich blättere ganz aufgeregt weiter und traue meinen armen Augen nicht.

      „WATZMANN MIT DEM ERSTEN

      ALBUM ZUM ERFOLG!“

      steht da wieder in ganz dicken Buchstaben in der Münchner Rundschau vom 30. Juni 1976.

      Jetzt heißt der Knoche also Watzmann und es hat scheinbar geklappt.

      Der Durchbruch.

      Und „Watzmann“ kenn’ ich. Das ist natürlich einmal dieser Berg in den Alpen - und eine Band. Also, ich hab’ jedenfalls schon mal was davon gehört. Alpenrock! Nicht unbedingt mein Ding, aber im Keller von Alex’ Mutter stehen ein paar Platten von denen. Noch so riesige Papphüllen mit großen schwarzen Scheiben drin, die man auf keinen Fall verkratzen darf. ’Watzmann’. Das war mal ’ne richtig berühmte Band. Die haben sogar goldene Schallplatten bekommen und jede Menge Fernsehauftritte gemacht.

      Ein Foto ist auch dabei und in der ersten Reihe steht … ist ja klar … Walter Knoche. Diesmal ganz groß im Bild. Vom Rest der Band ist fast nichts mehr zu sehen. Genau, das ist der Typ von den Schallplatten. Walter Knoche ist der Watzmann! Ich werd’ verrückt.

      Das glaubt mir keiner.

      Dann gibt es keine weiteren Ausschnitte mehr. Also gehe ich zurück ins Kabuff und lege den Ordner wieder genau so in die Schublade zurück, wie er dagelegen hat. Ich bin immer noch schwer beeindruckt und ziemlich platt. Der Mann ist berühmt. Also, … er war mal berühmt.

      Im schummrigen Halbdunkel sehe ich jetzt auch, was das für seltsame gerahmte Bilder sind, die da hinten an der Wand lehnen.

      Das sind Goldene Schallplatten! „… verliehen an Walther Knochinger als Sänger, Texter und Komponist der Gruppe ’Watzmann’ für den Verkauf von 750.000 Exemplaren der LP Der Watzmann groovt!’’“

      Knochinger? Und Walther mit h.

      Und die nächste „… an Walther Knochinger für den Verkauf von über 1.000.000 Tonträgern …“

      Das gibt’s nicht.

      Ich bin hier im An- und Verkauf vom verrückten, alten Knoche, einer hoffnungslosen Gerümpelhalde mit nutzlosem Kram bis unter die Decke, und der Kerl ist ’n ehemaliger Rockstar. Naja, also, Alpenrockstar. Aber wieso heißt er auf den Platten Knochinger? Mmh. Seltsam, seltsam.

      Die Türbimmel reißt mich aus meinen wirren Gedanken und ich erschrecke mich zu Tode. Oh, verdammt. Ich husche durch den Perlenvorhang nach vorne und da steht er auch schon da und sieht mich schief an.

      „Hallo, Till“, sagt der Watzmann, also, ich meine, der alte Knoche. Er ist schon wieder zurück. Der Perlenvorhang raschelt noch ein wenig, aber ich hoffe, er bemerkt es nicht.

      „Ha… hallo, Wa… Walter Knoche“, stottere ich.

      „Griaß di, … Till Heisterkamp“, antwortet er etwas irritiert und fragt dann: „Wie schaut’s denn do aus?“, weil das Durcheinander, das ich verursacht habe, schon erstaunlich ist. Ich habe ja noch immer nicht das Schaufenster fertig.

      „Ich … ich wollte aufräumen.“

      „Ja, des sieht ma“, brummt er und lässt sich auf einen der knarzenden Stühle fallen, dass man denkt, er bricht gleich zusammen.

      „Wie geht’s denn der Gunni … äh, Ihrer Frau?“, fällt mir gerade noch ein. Er kommt ja direkt aus dem Krankenhaus.

      „Ach, jetzt wieder a bisserl besser“, meint Knoche, „sie hat heut’ net so viel g’hustet.“

      „Das freut mich. Was hat sie denn eigentlich für ’ne Krankheit?“, frage ich ehrlich interessiert aber ich freue mich auch, dass das Gespräch jetzt in eine andere Richtung geht.

      „An Krebs hat’s“, antwortet er kurz und resigniert.

      „Oh, das tut mir leid!“ Mehr weiß ich nicht zu sagen. Krebs – das ist ja meistens endgültig. Schrecklich.

      „Lungenkrebs“, sagt er dann noch. „I hob ihr immer wieder g’sagt, sie soll mit’m Rauch’n aufhör’n, aber sie hört ja net!“

      Dann entsteht eine längere Pause, Walter Knoche greift zu seiner blauen Schnupftabakdose und schnupft ausgiebig, intensiv und laut. Dann niest er, dass die Wände wackeln.

      „War sonst noch wos?“, fragt er dann und schielt argwöhnisch zum Hinterzimmer. Der verdammte Perlenvorhang bewegt sich immer noch ein bisschen, aber das könnte auch von seinem Nieser gekommen sein.

      „Nee, nee, sonst war nichts“, antworte ich hastig. Ich kann ihm einfach nicht erzählen, dass ich an seiner Schublade war und auch die Goldenen Schallplatten gesehen habe. Später vielleicht.

      „Ich räume noch schnell auf, Herr Knoche und dann muss ich zur Probe, meine Jungs warten schon.“

      „Ja, da darfst net z’spät komm’n. Dann mach’n mir aber erst noch an Strich.“

      Und dann stelle ich alles, was ich eben erst aus dem Schaufenster geholt habe, eigentlich genau so wieder rein und zucke mit den Achseln. Richtig Ordnung machen wir dann eben nächstes Mal.

      Walter hat aber gar nicht bemerkt, dass ich heute eigentlich nichts gemacht habe außer geschnüffelt, dreht sich zur Wand um und macht den zweiten Strich. Wenn’s so weitergeht, dann dauert’s nur ein paar Monate, denke ich, und die Gitarre gehört mir.

      „Dann aber morg’n, wenn’st willst.“

      „Ja, gern. Morgen. O.K., ich bin dann mal weg. Tschüss, Wa… äh, Herr Knoche, bis morgen.

      „Woaßt wos?“, ruft er mir hinterher. „Du sagst ja eh scho immer Wa… Kannst ruhig Walter zu mir sag’n!“

      „Echt?“

      „Ja, freili!“

      Ja, dann versuchen wir’s mal.

      „Tschüss, … äh, Walter!“

      „Pfiat di, Till!“

      Ich verlasse den Laden und denke, das kann doch wohl nicht wahr sein. Der alte Knoche, also jetzt neuerdings für mich der Walter, ist DER Watzmann. Sagenhaft! Welche Geheimnisse hat der Mann wohl noch?

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