Noch mehr Fußball!. Jürgen Roth

Noch mehr Fußball! - Jürgen Roth


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zu werden, der war eigentlich auch korrupt, weil wir mit der Hertha, was die fußballerische Herzensseite anbelangt, absolut nichts am Hut haben.

      Eckhard Henscheids »Hymne auf Bum Kun Cha« flimmerte Anfang der Achtziger mal über die Anzeigetafel des Waldstadions.

      Greser: Das war in gewisser Weise Vorbild. Es waren allerdings andere Zeiten. Denn ein Bedenken des Pressemannes war zudem, daß man das durchschnittliche Hertha-Publikum mit Witzen, wie wir sie üblicherweise machen, überfordert.

      Da dürfte er nicht falschgelegen haben.

      Greser: Ja. Vielleicht war das damals bei der Eintracht aber auch ein einmaliger Fall, daß der Universitätspräsident Achaz von Thümen gleichzeitig Vereinspräsident war und die Intellektuellen der Stadt an den Klub gebunden oder wenigstens dafür gesorgt hat, daß der schöne Auftritt der schönen Henscheid-Hymne zustande gekommen ist. Was findet heute im Fußball an Kultur statt? Es gibt die vereinsindividuellen Fangesänge. Das ist aber alles von unglaublicher Nichtigkeit und auf dem Niveau von Lustigen Musikanten und Schlagerparade.

      Geht ihr noch zur Eintracht?

      Lenz: Ich war vor einem halben Jahr im Stadion und mußte eine von diesen unsäglichen Zahlkarten lösen, um eine Bratwurst kaufen zu können. Ich hab’ auf dem Kartenkonto immer noch zwischen 1,50 und zwei Euro liegen. Es würde mich schon interessieren, was die mit dem Geld angefangen haben.

      Die haben davon den Mahdavikia gekauft.

      Lenz: Dann müßte immer noch was übrig sein. Funkel hat betont, man habe mit Mahdavikia und Inamoto zwei »Knaller« geholt. Findet mit der starken asiatischen Fraktion – Takahara gehört ja noch dazu – jetzt eine Anknüpfung an die Zeiten mit dem holden Bum Kun Cha statt?

      Greser: Meine Leidenschaft für die Eintracht ist ziemlich abgekühlt, zumal weil in unserer Familie der Graben zwischen Nürnberg- und Eintracht-Fans tief ist. Die Tochter ist erfolgreich auf Nürnberg umgepolt worden, aber der Bub’ hält, vielleicht auch aus purer Opposition zu mir, zur Eintracht. Zu meinem Verdruß.

      Lenz: Bei mir liegt der Fall etwas anders. Ich hätte mir gewünscht, daß die Eintracht mehr schwarze Spieler holt. Man erinnere sich an die Saison ’91/’92 mit Yeboah und Okocha. Davon hätte ich mir mehr versprochen …

      Greser: … als von den asiatischen Batteln, auf die sie sich jetzt kaprizieren.

       Warum bringt der Asiate keine gescheiten Fußballmannschaften her? Die Asienmeisterschaften waren dem Hörensagen nach unterirdisch.

      Lenz: Richtig.

      Woran liegt das? Daran, daß etwa die Iraner um Mahdavikia kein Bier trinken dürfen?

      Greser: Der Iran ist halt nach wie vor ein Schwellenland, zivilisatorisch.

      Und Fußball hat was mit zivilisatorischer Entwicklung zu tun?

      Greser: Es gibt ja permanente Verfeinerungen in der Spielerbetreuung, Spielerausbildung, taktische Veränderungen – das kommt immer aus Europa oder Südamerika. Wissenschaftlich betrachtet ist die Fußballspitzenforschung dort beheimatet.

      Hans Meyer, der unbezweifelbar ein Genie ist, hat die zunehmende Verwissenschaftlichung des Fußballs dergestalt kommentiert, das sei ein grober Unfug. Das einzige, was man mit wissenschaftlichen Verfahren verbessern könne, sei die Athletik, das mache zehn Prozent der Arbeit aus. Der Rest müsse wie vor achtzig Jahren angegangen werden.

      Greser: Meyer hat ja auch fast dogmatische Vorstellungen vom Spielsystem – drei Stürmer, davon ein klassischer Strafraumstürmer. Deshalb hat er so viel Wert darauf gelegt, mit Charisteas einen adäquaten Ersatz für Markus Schroth zu bekommen, so einen langgewachsenen Knaller in der Mitte. Zum anderen sind die Spieler, wie man hört, sehr angetan von der Individualisierung der Trainingsmethoden, von der gezielten Bekämpfung individueller Defizite. Mit dem Waldlauf in der Lemmingherde oder dem Hin-und-her-Schmeißen von Medizinbällen hat das nichts mehr zu tun. Klinsmanns Konzept war ja von Erfolg gekrönt.

       Meyer behauptet, Übungen mit Gummibändern et cetera seien bei Carl Zeiss Jena schon 1969 gemacht worden. Und im gleichen Atemzug hat er gesagt: »Ich habe mal ein Lehrbuch von Reichstrainer Otto Nerz gelesen, Jahrgang 1936. Fast alles, was da drin stand, stimmt heute noch.« Was sagt ihr jetzt?

      Greser: Vielleicht ist Hans Meyer auch überschätzt.

      Lenz: Zumindest hat er zur Attraktivität der Pressekonferenzen beigetragen. Er ist einigen Reportern intellektuell und verbal weit überlegen. Es macht einfach Spaß, dem Mann zuzuhören.

      Greser: Es ist Teil seines Images, daß er sich als Fundamentaloppositionist gegen irgendwelche Zeitgeistreden stellt.

      Lenz: Er bestätigt nicht gern, was ihm die Reporter in den Mund legen wollen.

      Greser: Er ist ein Grunddialektiker, der sich sträubt, Vorgaben zu erfüllen, und erst mal die Antithese formuliert.

      Ein Hegelianer des Fußballs?

      Greser: Das macht ihn so sympathisch.

      Er hat des öfteren geäußert, daß er die grauenhafte Fußballphraseologie verabscheut und deshalb Sprüche klopft, die, wie er selber sagt, mitunter noch dämlicher sind als die Fragen, die ihm gestellt werden.

      Lenz: Das stimmt.

      Greser: Das Gerede ist ja oft unerträglich. Es wird sich aber nicht ändern.

      Es wird immer schlimmer. In dem Maße, in dem der Fußball verwissenschaftlicht wird, wird die Fußballsprache immer dusseliger.

      Lenz: Es gibt wirklich dumme Leut’ mit unglaublich dummen Fragen, auch bei Premiere. »Wie fühlen Sie sich?« – direkt nach dem Sieg im Pokalfinale!

      Miserabel.

      Greser: Obwohl ich zu Premiere anmerken muß, daß da einige jüngere Leute agieren, die mit Sachverstand brillieren, die bei der Sache bleiben und nicht das, was sie sich in Homestorys an nichtigen Boulevardinformationen angelesen haben, loswerden wollen. Die sind fix genug, eine Spielentwicklung zu erkennen und zu beschreiben. Da besteht also doch Anlaß zur Hoffnung. Und vor fünfundzwanzig Jahren, muß man sagen, war es auch nicht viel besser. Einen Eberhard Stanjek würde man heute auch nicht mehr ertragen.

      Ich erlaube mir einen Schwenk zum Weltfußball. Bernd Schuster, der neue Trainer von Real Madrid, verbietet den Spielern jetzt auf Reisen das Tragen von Kopfhörern und das Hantieren mit Chipstüten.

      Lenz: Aus welchem Grund?

      Er will die Disziplin verbessern. Ist das der richtige Weg, um Real Madrid wieder an die europäische Spitze zu führen – keine Chips und keine Kopfhörer?

      Greser: Tja. Wenn sie nach der Saison zwei, drei Pokale in Händen halten …

      Lenz: So erfolglos waren die doch gar nicht. Real ist Meister geworden.

      Greser: Es ist wahrscheinlich in jedem mittelständischen Betrieb so. Wenn ein neuer Produktionsleiter kommt, dann …

      Lenz: … wechselt der erst mal die Biermarke aus.

      Greser: Dann werden die Eisenspäne ordentlich weggefegt. So macht’s auch der Schuster, um sich als zurechnungsfähiger neuer Mann zu präsentieren. Er muß ja hochselbstbewußte Menschen führen, die alle mehr verdienen als er. Das größte Problem ist wohl, den Sauhaufen beieinanderzuhalten. Hat sich nicht sein Vorgänger, der Capello, zum Grundsatz gemacht, einen Euro mehr verdienen zu müssen als der teuerste Spieler? Fand ich gut.

      Dann wird Bernd Schuster ordentlich verdienen, denn Real will Kaká für hundertvier Millionen Euro vom AC Mailand holen und ihm ein Jahresgehalt von dreizehn Millionen zahlen. Über solche Summen muß man nicht den Kopf schütteln, oder?

      Greser: Wer weigert sich, ins Kino zu gehen, wenn er erfährt, daß …

      Lenz: … Tom Cruise …

      Greser: … genau, daß mittelmäßige Kameraden wie Tom Cruise für einen Film zwanzig Millionen kriegen? Was soll denn das?! Der Gladiator,


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