Currys für Connaisseure. Frank Winter

Currys für Connaisseure - Frank Winter


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das einmal mehr auf den Sonderstatus in Europa bedacht zu sein schien, und deshalb war die Chance, in Edinburgh professionelle Handwerker zu finden, gering. Eher konnte man mit einem Lotteriegewinn rechnen. »Die Klempner sind die Schlimmsten von allen«, wurde Alberto nicht müde, Maria zu klagen, so als ob er unter einer brutalen Besatzungsmacht zu leiden hätte. Fünfzehn solcher Unmenschen hatte er bereits kontaktiert. Die ersten zwölf erachteten es nicht für nötig, in seinem Haus aufzukreuzen, und nur ein Einziger war gewillt, einen Kostenvoranschlag aufzusetzen. Zumindest behauptete der Mann das. Leider wurde der Brief niemals durch die Klappe in der Haustür geworfen und Alberto musste weiterfahnden. Maria bezweifelte, dass er so viele Telefonate hinter sich hatte, kapitulierte aber und lobte sein hervorragendes Gedächtnis. Sollte der Traum von einem neuen Badezimmer so schnell ein Ende finden? Das konnte er Enkelin Fiona nicht antun. Sie glaubte, dass Großvater nur für sie eine besondere Toilette baute. Nachdem alle Gäste versorgt waren und er das Geschirr in die Spülmaschine geräumt hatte, nahm er, um sich etwas abzulenken, den Bus zur Princess Street. Die schicke Tram glitt fast geräuschlos über die Einkaufsstraße. Alteingesessene Edinburgher nörgelten wegen eines überzogenen Budgets. Aber das war bei solchen Projekten immer so! Alberto schlenderte an den Schaufenstern vorbei. Ein Geschäft mit Taschen und Koffern zog seine Aufmerksamkeit auf sich und dann rief er: »Ein Klempner, ein Klempner!« Den hatte er als Spiegelbild in der Fensterscheibe entdeckt. Blitzschnell drehte er sich zu dem Lastwagen auf der anderen Straßenseite um, wo der Fahrer geduldig auf Grün wartete. Er war Mitte dreißig und kahlköpfig. Alberto wollte über die Straße spurten, doch der Verkehr war zu dicht und er musste am Straßenrand warten. Als der nächste Bus herandonnerte, sprang er zurück. Exakt in dieser Schrecksekunde fuhr der Installateur weiter. Vitiello stampfte mit dem Fuß auf.

      MacDonald war erbost. Ja, der arme Mister Waddell schielte. Dicke Brillengläser vergrößerten sein Missgeschick für die Welt und darüber zu kichern, war ein Zeichen miserabler Erziehung!

      »Fühlt sich Ihre Begleiterin ungut?«, fragte Waddell, der so etwas schon oft erlebt hatte, gleichmütig.

      »Es ist nur die Freude über unsere unverhoffte Befreiung. Nicht wahr, Miss Armour?« MacDonald schob sie aus dem Aufzug.

      »Wenn Sie mir bitte folgen wollen«, sagte Waddell. »Meine Frau wartet bereits.«

      Sie schritten über einen langen, tristen Flur bis zum letzten Büro. Waddells Schuhe quietschten bei jedem Schritt. Als Miss Armour seine Gattin erblickte, verlor sie gänzlich die Kontrolle und rannte davon. Das Ehepaar ähnelte sich wie ein Ei dem anderen: braune Haare mit grauen Strähnen, Hornbrillen, erdfarbene Kleidung. Mrs Waddell wurde allerdings noch ein bisschen mehr als ihr Ehemann vom Schielen geplagt. Sich darüber zu belustigen, war das Allerletzte! MacDonald empfand die Situation als sehr misslich. In Armours »Pause« legten sie das Honorar fest, das MacDonald in Form einer großzügigen Spende aufbrachte. Drei Monate sollte das Projekt dauern und sich auf seinen Wunsch mit der indischen Küche beschäftigen. Über Inhalte wollte man sich in der Konversation einig werden. Falls die Armour jemals von ihrer Erfrischungstour zurückkehrte! Bam! Der Teufel sprach, will heißen, sie klopfte an die Tür. »Ja, bitte«, sagte Mister Waddell schmunzelnd, weil so förmlich um Eintritt gebeten wurde. »Ich hoffe, es geht Ihnen besser, Miss Armour.« Dem Himmel sei Dank, dass der Mann über den Dingen stand, dachte MacDonald. Seine Mitbewohnerin fuhr sich mit der Hand übers Gesicht, versuchte, ihrer habhaft zu werden und schaffte es nicht! MacDonald sprach ein Machtwort: »Da die Dame sich noch immer krank fühlt, schlage ich vor, alles Weitere in einer Telefonkonferenz zu regeln, wenn Sie einverstanden sind, Mister und Misses Waddell?« Die beiden nickten. Man verabschiedete sich und MacDonald schob die Armour aus dem Büro, durch den langen Flur, über die Treppen (!) und zum Ausgang. Dort war es dann an ihm, die Beherrschung zu verlieren. »Sie hatten die Waddells doch schon einmal gesehen!«

      »Nein.«

      MacDonald überlegte. Wenn sie an der Universität gearbeitet hatte, war das unmöglich. Entweder die Armour schwindelte oder sie hatte sich, grässlicher Gedanke, an seinen Whiskybeständen vergriffen und delirierte! Mitunter waren es Abstinenzler, die sich abrupt am Alkohol labten. »Wie konnten Sie es wagen, sich so daneben zu benehmen?«

      »Wovon reden Sie?«, fragte Armour putenrot. »Ich habe nichts getan.«

      »Außer Ihre Arbeitgeber wegen eines körperlichen Gebrechens zu verlachen!«

      »Gebrechen …? Ach, Sie meinen das Schielen? Zu ulkig!«

      »Vielleicht wollen Sie sich das nächste Mal noch auf die Schenkel klopfen, ja? So etwas macht man einfach nicht!«

      »Fanden Sie es nicht komisch?«

      »Hat man mich vielleicht kichern gesehen? Würden Sie einen Einarmigen ebenfalls verspotten?«

      »Das ist etwas anderes«, antwortete sie griesgrämig.

      »Nein, es ist genau das Gleiche! Wir können uns glücklich schätzen, wenn die Waddells noch Interesse haben.«

      »Ich dachte, wir sprechen am Telefon weiter?«

      »So lautete mein Vorschlag, auf den die Herrschaften eingehen müssen.«

      »Das geschah doch bereits?«

      »Es könnte auch schiere Höflichkeit gewesen sein.«

      Sie wurde schneegansweiß. »Oh Gott, meinen Sie, die beiden haben etwas bemerkt?«

      »Miss Armour, ich weiß nicht, was Sie mit dieser Frage bezwecken.«

      »Es ist also alles aus? Erst verliere ich wegen Ihnen meine Projektstelle zur Atkins-Diät und nun vermasseln Sie mir den zweiten Job auch noch!«

      »Sind Sie übergeschnappt? Den Schaden haben Sie … einen Moment mal eben.« Sein Telefon klingelte. »Hier spricht Angus MacDonald. Beruhigen Sie sich bitte. Wir sind gleich da. Ja, sie steht neben mir. Bis gleich.«

      »War das meine Tochter?«

      »So ist es. Thomasina benötigt unsere Hilfe.«

      »Ist etwas passiert? Geht es ihr gut?«

      »Lassen Sie uns nach Hause fahren.«

      »In Ihrer Benzinschleuder? So weit käme es noch!«

      »Schön, dann steigen Sie eben auf Ihren Drahtesel mit angehängtem Leiterwägelchen! Wir treffen uns in Dean Village.« MacDonald ging zu seinem Käfer, den er nahe des Museum of Scotland geparkt hatte. Von wegen Benzinschleuder! Sein Volkswagen war ein treuer Geselle und ließ ihn niemals im Stich. Als er zu Hause ankam, stand Thomasina vor dem Haus und winkte in albatrosähnlichen Flügelschlägen. Indien ist in Not, hatte sie am Telefon furchtsam gesagt und nun würde er hoffentlich erfahren, was das zu bedeuten hatte.

      Miss Armour kochte eine große Kanne Kräutersud und stellte sie auf den Küchentisch: Fenchel mit Anis. Nach MacDonalds Auffassung hatte das mit Tee nichts zu tun. Ebenso gut könnte man ein Stück Holz in Wasser erhitzen! Vielleicht Pinie, der Herr? Oder lieber eine Tasse Eiche rustikal?

      »Mit Milch und Zucker, Mister MacDonald?«, fragte Thomasina.

      »Um Gottes … äh, nein danke. Ich finde, pur mundet er am allerbesten.« Wenn sie ihn so anschaute, hätte er auch das Abwaschwasser getrunken. Dieses gelockte Haupt, perfektes Antlitz wie eine Statue. »Nun, Miss Thomasina, wo drückt der Schuh?«

      Sie lächelte ihn zauberhaft an. »Welcher Schuh?«

      Im eingeschränkten Vokabular der Jugend waren keine Redensarten enthalten. Da ihre liebste Fußbekleidung, Sportschuhe, »super bequem« waren, fehlte auch die Assoziationsbrücke. »Indien ist in Not, hatten Sie vorhin gesagt?«

      »Stimmt, ja. Meine Freundin Devasree steckt in Schwierigkeiten.«

      »Die Prinzessin von der Erbse!«, warf Miss Armour senior schnippisch ein.

      »Sie hegen den Verdacht, dass die Dame etwas unbedarft durch die Welt schreitet, ja?«

      »Das ist noch harmlos ausgedrückt!«, rebellierte die Ernährungsberaterin. »Außerdem benötige ich kein Mannsbild, meine Worte zu erklären! Schon lange nicht


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