Currys für Connaisseure. Frank Winter
sein Magen zu knurren und gegen diesen Kumpan zu kämpfen, war aussichtslos.
»Also«, fuhr Thomasina fort, »gestern Nachmittag habe ich Devasree getroffen …«
»Darf man fragen wo?«
»In der Cafeteria der Uni …«
»Ha!«, rief Miss Armour.
»Lassen Sie Ihre Frau Tochter bitte ausreden!«
»Von dieser Person kommt nichts Gutes. Immer schon habe ich es gesagt!«
»… hat sie mir ihr Herz ausgeschüttet«, fuhr Thomasina fort, »obwohl ich das überhaupt nicht abkann. Es geht um ihren Vater und die Fabrik.«
»Was stellt der Gentleman her?«
»Och, alles Mögliche: Chutneys, Pickles, Soßen. Auch Fertiggerichte.«
»No, thank you«, erwiderte MacDonald nachdrücklich.
»Die Sachen schmecken superlecker.«
»Liebe Thomasina, Sie sollten nicht zu häufig in Cafeterien einkehren. Deren sogenanntes Essen verdirbt den Gaumen.«
»Aber bei Aadis Kram ist das anders. Glauben Sie mir.«
»Na, ich weiß nicht.«
»Sie müssen unbedingt probieren. Devasree hat mir eine kleine Kiste mit Artikeln gegeben. Moment, ich hole sie.«
»Das wird nicht nötig …« Zu spät, Thomasina war nach oben in ihr Zimmer gejoggt. Auch das noch, traute Zweisamkeit mit der Ernährungsberaterin! Er war kurz davor, zwanghaft Konversation zu machen, als ihre Tochter wieder auftauchte. Die Kiste stellte sie mitten auf den Tisch und ihre Mutter brachte seine Teekanne in Sicherheit. MacDonald war es egal, ob sie zu Bruch ging, denn in dem kontaminierten Gefäß konnte er keinen guten Tee mehr aufgießen.
»So, das sind die Sachen«, sagte Thomasina. »Zitronenchutney, Curry mit Lamm und das Allerbeste, Pathia-Soße. Kennen Sie die?«
»Gewiss, wenn auch nicht als Fabrikprodukt.« MacDonald musterte die Produkte mit hochgezogener Augenbraue. Auf allen prangte das lächelnde Gesicht des Fabrikanten Aadi Panicker.
»Kosten Sie doch mal, Mister MacDonald.«
Die Armour legte die Ellbogen auf den Tisch und beugte sich vor. »Thomasina, erzähle uns, worum es geht!«
»Ach so, ja. Devasree möchte so bald wie möglich ihren Schatz heiraten. Die Eltern sind einverstanden. Aber immer wenn sie über den Termin spricht, bekommt sie keine richtige Antwort.«
»Was heißt das, Miss Thomasina?«
»Ihre Mutter sagt, sie solle Vater fragen. Der spricht in Rätseln und will nur seine Geschäfte in Ordnung bringen.«
»Ohne einen Termin zu nennen?«
»Ja, das stimmt.«
»Welcher Religion gehören die Panickers an?«
»Hindus.«
»Ist der zukünftige Gatte auch Hindu?«
»Glaub ich eher nicht.«
»Vielleicht lehnt Panicker den Herrn aus anderen Gründen ab. Es ist zwecklos«, sagte MacDonald, »kein Hase liegt im Pfeffer.«
Thomasina sah hilflos zu ihrer Mutter.
»Unser Herbergsvater übernimmt nur Fälle, die mit Essen oder Trinken zu tun haben.«
»Meine Damen! Ich möchte mich an die Arbeit für mein Buch machen.«
»Wie auch mit der Diät beginnen!«
»Meinethalben! Ich bin übrigens nicht Ihr Herbergsvater!«
»Devasrees Problem hat mit Essen zu tun!«, erklärte Thomasina freudig. »Jemand vergiftet die Pathia-Soße. Mister Panicker liebt sie und kann kaum ertragen, was abläuft. Aber ich verstehe total, wenn Sie keine Zeit finden. Hab ihr gleich gesagt, dass es schlecht aussieht.«
Angesichts ihrer geweiteten Pupillen war MacDonald chancenlos: »Wie wird vergiftet?«
»Mit Salz.«
»Das ist kein Gift.«
»Schon Paracelsus wusste: Im Übermaß kann alles schädlich werden«, dozierte Miss Armour senior.
MacDonald starrte sie wie eine fehlgezündete Silvesterrakete an. »Hat der Erpresser sich schon gemeldet?«
»Welcher Erpresser denn?«
»Derjenige, der die Pathia-Soße versalzt.«
»Von Erpressung hat niemand was gesagt. Nur, dass bei Waitrose auf der Morningside Road Gläschen mit zu viel Salz drin auftauchten.«
»Aber woher weiß Ihre Bekannte dann, dass die Soßen wegen Böswilligkeit ungenießbar sind? Es könnte ein Produktionsfehler sein. Immerhin handelt es sich um Fabrikerzeugnisse.«
Thomasina schwieg, drehte sich mit dem Zeigefinger eine zusätzliche Locke.
»Wie lange kennen Sie diese Devasree schon, Miss Thomasina?«
Sie zeigte mit den Händen einen meterlangen Abstand an.
»Also einige Jahre?«
Thomasina zuckte mit den Schultern.
»Ich frage nur, weil Sie sehr gut über die familiären Verhältnisse Bescheid wissen?«
»In der letzten Zeit sehen wir uns nicht mehr so oft.«
»Warum bitte?«
»Puh, manchmal entwickelt man sich eben auseinander.«
»Ehrenvoll, dass Sie sich trotzdem engagieren.«
»Was sollte ich denn machen?! Devie hat schrecklich geheult. Hab ich ein Problem mit!«
»Ich werde den Herrn mit meinem assoziierten Detektiv aufsuchen. Mal sehen, was wir eruieren können.«
Thomasina blickte ihn wie einen fremdsprachigen TV-Moderator an.
»Er und dieser Vitiello kümmern sich darum«, dolmetschte ihre Mutter.
»Fein! Vielen Dank. Sie sind der Größte, Mister MacDonald! Da gibt es allerdings ein Problem …«
Als Alberto die Villa Buongiorno betrat, rief er. »Peter Pirie, der Ire! Dass ich nicht früher daraufgekommen bin.«
Maria rannte ihrem Mann entgegen. »Ist alles in Ordnung?«
»Hab mich selten besser gefühlt.«
»Darf man deine Freude teilen?«
»Ich habe einen Klempner aufgetrieben!«
»Sitzt er in deiner Jackentasche?«
»Princess Street«, sagte Alberto.
»Ist das nicht die Einkaufsstraße in der Innenstadt?«
»Haha, sehr gut! Erinnerst du dich an die Firma Robertson?« »Si, mein Gatte hat die Installateure aus dem Haus geworfen.«
Alberto atmete kräftig durch. »Zu Beginn, mit diesem jungen Klempner, lief alles tadellos. Peter arbeitete gut und schnell. Heute ist er auf der Princess Street an mir vorbeigefahren. Wie es aussieht, hat er sich selbstständig gemacht. Nun muss ich nur noch seinen Nachnamen und die Geschäftsadresse ausfindig machen.«
»Eine weitere Herausforderung für Alberto Vitiello.«
Das Telefon klingelte.
»Die Ironie habe ich überhört, liebe Frau.«
Maria reichte ihm das Telefon. »Hast du Zeit, ein Gespräch zu führen?«
Alberto nickte. »Pronto. Du bist es, Angus. Schon wieder ein Fall für uns kulinarische Detektive? Ich weiß nicht so recht.«
Maria drückte sich die Hände auf den Kopf und rannte in die Küche. Diese Zeremonie kannte sie zur Genüge.