Sie sind nicht krank, Sie sind durstig!. F. Batmanghelidj

Sie sind nicht krank, Sie sind durstig! - F. Batmanghelidj


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zu schwer wiegenden Symptomen, unter Umständen sogar zu lebensbedrohlichen Krisen. Die moderne Medizin hat diese Symptome, die innere, lokalisierbare Wassermangelzustände beschreiben, durcheinander gebracht und unter verschiedenen Krankheiten subsumiert. Folglich werden toxische Medikamente zur Behandlung von „Krankheiten“ verschrieben, anstatt etwas gegen den Wassermangel zu unternehmen. Ein trockener Mund gehört zu den allerletzten Anzeichen für eine Austrocknung des Körpers. Wenn es erst einmal so weit ist, wurden viele Körperfunktionen bereits „heruntergefahren“, und ihr Erlöschen ist absehbar. Genauso vollzieht sich der Alterungsprozess – durch den Verlust von Enzymfunktionen. Ein ausgetrockneter Körper verliert seine differenzierte und vielseitige Funktionalität. Ein Beispiel ist der juvenile Diabetes (oder Diabetes Typ I), bei dem die Insulin produzierenden Zellen der Bauchspeicheldrüse dem anhaltenden Wassermangel zum Opfer gefallen sind.

      2. Der zweite schwer wiegende Fehler in der Grundlagenmedizin besteht in dem Glauben, Wasser sei lediglich eine Substanz, die verschiedene Stoffe löst und durch den Körper transportiert.Doch Wasser ist keine einfache inaktive Substanz. Es erfüllt zwei vorrangige Aufgaben im Körper. Erstens ist es lebenserhaltend. Und zweitens – das ist noch wichtiger – spendet es Leben. Die moderne Medizin erkennt nur die lebenserhaltenden Funktionen von Wasser an. Daher ist chronischer Wassermangel, wird er nicht erkannt, letztlich lebensbedrohlich. Sie müssen diesen Prozess erkennen und verstehen, damit Sie Ihre Gesundheit auf natürliche Weise retten können.

      3. Der dritte schwer wiegende Irrtum in der Medizin ist die Annahme, der menschliche Körper könne die Wasserzufuhr im Laufe seines Lebens effizient regulieren. Mit zunehmendem Alter verlieren wir jedoch unser Durstgefühl und trinken zu wenig, bis die Zellen in vitalen Organen dörrpflaumenartig schrumpfen und ihre Vitalität verlieren. Sie müssen wissen, wie Wassermangel beginnt und wie er sich manifestiert, um verhindern zu können, dass dieser Prozess irreversibel wird.

      4. Der vierte Sargnagel der heutigen Medizin ist die Idee, jede beliebige Flüssigkeit könne den Wasserbedarf des Körpers stillen. Diese Sichtweise stellt momentan ein großes Problem dar. Viele industriell produzierte und gern konsumierte Getränke wirken im Körper anders als natürliches Wasser. Wenn Sie zu verstehen beginnen, warum einige Pflanzen selbst Koffein oder gar Kokain herstellen, werden Sie das Problem erkennen.

      Was Sie in diesem Buch lesen, gehört zu den weltweit bedeutendsten medizinischen Entdeckungen: Hier wird eine Tragödie in der Geschichte der Medizin offen gelegt – die irrige Annahme, ein trockener Mund sei das einzige Anzeichen dafür, dass der Körper Wasser braucht. Anders gesagt: Nach neueren wissenschaftlichen Erkenntnissen kann sich die chronische Dehydration des menschlichen Körpers auf so ebenso viele Weisen manifestieren, wie in der Medizin Krankheiten erfunden wurden.

      Es ist sonnenklar, dass der menschliche Körper seinen allgemeinen oder lokalen Wasserbedarf auf viele verschiedene Arten zum Ausdruck bringen kann. Bisher wurde angenommen, dass diese Manifestationen von Austrocknung Anzeichen für die eine oder andere Krankheit sei. Aufgrund dieser Unwissenheit und geschützt durch die Pharmaindustrie, hat die moderne Medizin die verschiedenen Komplikationen, die aus der Dehydration resultieren, als unterschiedliche „Krankheiten“ abgestempelt.

      Wir müssen begreifen, dass ein anhaltender Wassermangel zu einem „sich kontinuierlich verändernden neuen chemischen Zustand“ im Körper führt. Wenn sich ein neuer durch Wassermangel verursachter chemischer Zustand voll etabliert, kommt es zu vielen strukturellen Veränderungen, sogar zu Veränderungen der genetischen Matrix des Körpers. Daher muss Wassermangel unbedingt verhindert werden. Ich halte deshalb bei Kindern Asthma für ein ebenso großes gesundheitliches Problem wie nicht infektiöse Ohrenschmerzen. Dehydration bis hin zu Asthma bei Kindern erzeugt schließlich einen Gendefekt und Autoimmunkrankheiten, ja kann in späteren Jahren sogar Krebs verursachen.

      Begreift man die Bedeutung chronischen Wassermangels, wird der Weg frei für die Entwicklung eines menschenfreundlicheren Gesundheitssystems. Nach meiner Einschätzung können die Menschen in Zukunft entschieden gesünder und produktiver sein – und das mit einem Aufwand, der nur 30 Prozent der heutigen Kosten im Gesundheitswesen ausmacht. Wie Sie sehen, mache ich keine Werbung für ein profitables Produkt. Ich mache lediglich eine einzigartige medizinische Erkenntnis und das Ergebnis meiner jahrelangen Forschungen bekannt, die den medizinischen Fachleuten und der Öffentlichkeit helfen werden, das Grundübel so vieler Krankheiten zu verstehen.

      Wir leben jetzt im 21. Jahrhundert, doch selbst auf dieser Stufe unserer Entwicklung haben wir Mediziner die äußeren Manifestationen der in bestimmten Körperregionen lokal auftretenden Dehydration noch nicht ganz verstanden. Wir suchten immer nach medikamentösen Lösungen für gesundheitliche Probleme. Es ist uns nicht gelungen, diese Probleme einzugrenzen; stattdessen haben wir sie ständig ausgeweitet und weitere Medikamente dagegen eingesetzt. Im Namen der modernen Medizin richteten wir ein wahrhaftig kostspieliges Chaos an, und ein Ende ist nicht in Sicht. Nun haben wir schwer wiegende Probleme, die dringend gelöst werden müssen. Schon Albert Einstein stellte fest: „Unsere wichtigen Probleme können nicht auf der Ebene des Denkens gelöst werden, wo wir sie geschaffen haben.“ Zur Lösung unserer gesundheitlichen Probleme bedarf es offensichtlich eines neuen wissenschaftlichen Ansatzes.

      Lösen kann man die gegenwärtigen, vom Menschen verursachten und von der Pharmaindustrie gedeckten Gesundheitsprobleme der Gesellschaft nur auf der Basis physiologischer Grundlagen. Versteht man die Physiologie der Dehydration auf molekularer Ebene, kann sich die zukünftige Vorgehensweise der klinischen Medizin neu strukturieren. Dies wird zu einem fundamentalen Paradigmenwechsel in der Medizin führen. Die Vorgehensweise besteht darin, aufzuzeigen, wie sich die Selbstheilungskräfte des Körpers auf der Basis der Physiologie stärken lassen. Der pharmazeutische Ansatz wird im Hinblick auf unsere gegenwärtigen Gesundheitsprobleme keinerlei Rolle mehr spielen. Die Medizin wird sich in erster Linie auf die Vorsorge und weniger auf die bisherigen langwierigen, kostenintensiven und invasiven Behandlungsverfahren konzentrieren.

      Was ist ein Paradigma, und wie kann es innerhalb der klinischen Medizin zu einem Paradigmenwechsel kommen? Ein Paradigma ist die Gesamtheit aller Grundauffassungen, auf denen das Wissen innerhalb eines Wissenschaftszweiges aufbaut. Infolge der Grundüberzeugung, dass der Planet Erde ein kugelförmiger Körper ist, bilden beispielsweise alle geographischen Karten und Modelle die Erde als Kugel ab. Die Erkenntnis, dass die Erde keine Scheibe ist, wie ursprünglich angenommen wurde, revolutionierte die Vorstellungen über die Struktur des Universums. Führt ein Paradigma einen Wissenschaftszweig in eine Sackgasse (wie im Fall unseres Beispiels der Glaube, die Erde sei eine Scheibe), eröffnet sich für diejenigen, die die Gesamtheit aller Grundauffassungen aus einem gewissen Abstand unvoreingenommen einer neuen Bewertung unterziehen können, oft ein neues Paradigma. Es bedarf lediglich einer Assoziation oder einer Beobachtung, um den Denkprozess in Gang zu setzen.

      Taucht ein für eine wissenschaftliche Richtung elementares, wohl begründetes Paradigma auf, erleuchtet es den Pfad in ein riesiges neues Wissensareal, wie ein Blitz, der die Dunkelheit der Nacht erhellt. Ein neues Paradigma hebt Begrenzungen und Barrieren auf und ermöglicht den künftigen Fortschritt innerhalb eines Wissenschaftszweigs.

      Ein neues Paradigma entsteht besonders leicht, wenn die Notwendigkeit besteht, für ein Problem eine Lösung zu finden. Solange diese Notwendigkeit unerkannt bleibt, gewinnt auch eine entsprechende Lösung keine Bedeutung. Die folgende Geschichte ist ein gutes Beispiel für diesen Gedankengang.

      Der Nobelpreisträger Sir Alexander Fleming ist als Entdecker des Penicillins bekannt. Er stammte aus Schottland und arbeitete am Wright-Fleming Institute der St. Mary’s Hospital Medical School der Londoner Universität, als ich in den 1950er-Jahren dort Medizin studierte. Viele Medizinstudenten haben den Drang, Entdecker zu werden, und ich bildete da keine Ausnahme. Von Kindheit an wollte ich Medizin studieren und kranken Menschen helfen.

      Im Einführungskurs Bakteriologie wurden die Studenten in kleine Gruppen eingeteilt und verschiedenen Tutoren zugewiesen. Durch eine glückliche Fügung landete ich in der Gruppe von Sir Alexander. Er war ein kultivierter und bescheidener Mann. Am Ende des Tutorenkurses nahm ich meinen ganzen Mut zusammen und stellte ihm eine Frage, deren Antwort mich bis


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