Moderne Tauchmedizin. Kay Tetzlaff
(verzögerte oder wirre Antworten)
– Verlust der Orientierung, Amnesie, auch Bewusstlosigkeit möglich – Verlust der Fähigkeit, sinnvoll an der eigenen Rettung mitzuwirken (Rettungsring halten, Seil erfassen, bestimmte Richtung schwimmend einschlagen, Kopf über Wasser halten)
– Kaum noch Zittern, eher rigide Muskeln (ähnlich der Leichenstarre)
– Deutliche Abnahme der Herzfrequenz
– Störungen der Erregungsbildung und -leitung am Herzen
– Deutliche Abnahme der Atemfrequenz
3. Schwere Hypothermie
– Bewusstlosigkeit
– Weite Pupillen, evtl. lichtstarr, keine Sehnenreflexe
– Herzrhythmusstörungen von extremer geringer Herzfrequenz (10–20/min) bis hin zu Kammerflimmern. Stark gesunkener Blutdruck ohne tastbare Pulse, kaum noch Eigenatmung, 1–2 Atemzüge pro Minute, Patienten sehen aus, als ob sie tot wären
3.2.4 Behandlung der Hypothermie
Erstmaßnahmen
■ In allen Fällen einer Hypothermie sollte jeder Patient unabhängig vom klinischen Schweregrad aus dem Wasser in eine horizontale Position gebracht werden. In jedem Fall sollte man den Patienten dabei äußerst schonend bewegen. Dabei muss unbedingt eine vertikale Lage des Opfers vermieden werden, um der Gefahr des so genannten Bergetodes (Afterfall) entgegenzuwirken. Hierbei kommt es zu einem Versacken des Blutes in der unteren Körperhälfte und damit zu einem totalen Kreislaufzusammenbruch, an dem der Patient versterben kann.
Hinweis. Etwa 20 % aller Todesfälle bei Hypothermien im Wasser treten kurz vor, während oder kurz nach der Rettung auf.
■ Nach Überprüfung von Bewusstsein und Herz-Kreislauf-Funktion gegebenenfalls mit Maßnahmen der Reanimation beginnen. Allerdings sollte nur dann eine externe Herzmassage durchgeführt werden, wenn überhaupt keine Pulsaktivität festgestellt werden kann, da sonst das evtl. sehr langsam schlagende und sehr empfindliche Herz durch die Herzdruckmassage zum Flimmern gebracht werden kann.
■ Überprüfen, ob der Patient zittert oder nicht. Wer stark genug zittert, wird auch von allein wieder warm! Zusätzlich sollte man bei dem nicht bewusstlosen Patienten die Bewusstseinslage differenziert überprüfen. Dazu kann man dem Patienten Fragen zum Ort, seiner Person und zur Sache stellen. Anhand der gewonnen Ergebnisse kann man Rückschlüsse auf den Schweregrad der Hypothermie ziehen.
■ Alle nassen Kleidungstücke sind vorsichtig zu entfernen und weitere Wärmeverluste unbedingt zu vermeiden. Dazu sind verschiedene Methoden, wie Zuführung warmer Luft, Wärmepackungen, Kameradenerwärmung, Schlafsäcke oder Decken, anwendbar. Keine Wärmepackungen über 40 Grad! Sonst besteht die Gefahr von Hitzeläsionen der sehr vulnerablen kalten Haut.
■ Bei schwerer und mittelschwerer Hypothermie sollte prähospital keine aktive Wiedererwärmung durch heiße Bäder oder Duschen durchgeführt werden, da hier sonst die Gefahr besteht, dass kaltes Blut aus der Peripherie des Körpers plötzlich in das noch etwas wärmere Herz gelangt, was zu einem Kreislaufversagen führen kann (Afterdrop)!
Erste medizinische Hilfe
Hinweis. Medizinische Hilfe ist bei leichter Hypothermie meist nicht notwendig.
Bei schwerer und mittelschwerer Hypothermie gibt es einige notfallmedizinische Besonderheiten.
■ So sollte man auf die intravenöse Gabe von Ringer-Laktat bei diesen Patienten verzichten, da die kalte Leber nicht in der Lage ist, Laktat zu metabolisieren und somit die Gefahr einer Übersäuerung steigt.
■ Zentrale Venenkatheter sollten so gelegt werden, dass es nicht zur Irritation des Herzens durch Seldinger-Drähte oder Katheter kommt, da hiermit ein Kammerflimmern ausgelöst werden kann.
■ In der Reanimation bei schwerer Hypothermie sollte auf Katecholamine (Adrenalin) verzichtet werden, da diese die Gefahr des Kammerflimmerns erhöhen.
■ Die elektrische Defibrillation bleibt wirkungslos, solange der Patient hypotherm ist. Unter solchen Bedingungen sind auch rhythmisierende pharmakologische Maßnahmen (Amiodaron, Lidocain) kaum mit Aussicht auf Erfolg verbunden.
Grundsätzlich sollten daher alle elektrokardiografischen Anomalien außer der Asystolie (Nulllinie) erst dann behandelt werden, wenn der Patient wiedererwärmt ist.
Hinweis. Der Notarzt muss einen schonenden schnellen Transport ggf. auch unter Reanimation durchführen und dabei vorzugsweise ein medizinisches Zentrum mit Möglichkeiten extrakorporaler Wiedererwärmung ansteuern.
Behandlung im Krankenhaus
Die in der Vergangenheit propagierte Erwärmung mit der Herz-Lungen Maschine wird auf Grund unerwünschter Effekte wie die allgemeine Zellschädigung durch Reperfusion zunehmend kritischer beurteilt (World Congress on Drowning 2002). Dennoch sind invasive Verfahren wie die Erwärmung mit der Herz-Lungen Maschine nach wie vor zu wählen, wenn die Patienten einen Kreislaufstillstand aufweisen.
Konservative Verfahren sind bei Patienten mit noch vorhandener Kreislauffunktion geeignet, diese sicher wieder zu erwärmen. Röggla et al. (2002) konnten an 36 Patienten, die eine Kernkörpertemperatur zwischen 20–28 °C aufwiesen, in 92 % erfolgreich eine konservative Wiedererwärmung mit Luft mit 1 °C pro Stunde durchführen.
Die konvektive Wiedererwärmung durch warme Luft mittels geeigneter Wärmedecken und Warmluftgebläse hat sich unter den konservativen Verfahren eindeutig als das Verfahren der Wahl etabliert.
Diese Methode ist einfach und preiswert in der Anwendung und faktisch in allen Krankenhäusern vorhanden. Ein weiter Vorteil ist, dass alle bisherige Erfahrungen dafür sprechen, dass es bei der Anwendung dieser Methode keinen Afterdrop gibt.
Kompaktinformation
Bei der Behandlung von schwer unterkühlten Patienten gilt es, sich nicht entmutigen zu lassen. Lange Reanimationszeiten und ein Transport unter den Bedingungen einer Reanimation sind bei diesen Patienten immer wieder erfolgreich! Es gilt daher weiterhin die alte rettungsmedizinische Grundregel „Niemand ist tot, bis er warm und tot ist“. Nur diese Strategie ist in der Lage, unnötige Todesfälle von unterkühlten Patienten innerhalb der Rettungskette vom Unfallort bis zum Krankenhaus zu vermeiden. Dabei ist damit zu rechnen, dass viele Patienten, trotz aller Bemühungen, am Ende der mitunter langen Rettungskette vom Unfallort bis zum geeigneten Krankenhaus verstorben sind.
Fallbeispiel. Ein 54-jähriger männlicher, adipöser Sporttaucher begibt sich mit einer Gruppe von Tauchern ohne Sicherheitsleine zu einem Eistauchgang in einem zugefrorenen See. Die Eisdecke ist nicht komplett. Rings um das Ufer ist ein Streifen von ca.12 m eisfrei. Bereits vor dem Tauchgang berichtet der Taucher nach Angaben seiner Tauchpartner über Unwohlsein. Der Tauchgang wird dennoch durchgeführt. Wie alle seine Tauchpartner trägt auch dieser Taucher einen Trockentauchanzug. Etwa 10 min nach Beginn des Tauchganges in ca. 10–12 m Tiefe trennt sich der Taucher von seinem Partner und signalisiert, dass er auftauchen will. Der Partner gibt das OK-Zeichen und lässt seinen Partner allein auftauchen. Zeugen am Ufer berichten später, den Taucher bei seinem Aufstieg gesehen zu haben, als er in das nur dünne Eis mit seiner Lampe ein Loch zu schlagen versuchte. Nachdem seine Hand die Eisdecke durchstoßen hat, hörten seine vom Ufer sichtbaren Bewegungen jedoch auf. Die Zeugen schließen daraus jedoch nicht auf eine Gefahrensituation. Von seiner Position aus hätte der Taucher, ca. 30 m unter dem Eis schwimmend, freies Wasser erreichen können.
Erst als seine Tauchpartner den Tauchgang ca. 50 min später beenden, bemerken sie das Fehlen des Tauchers. Da aber alle Luftvorräte der Gruppe aufgebraucht wurden, sind sie nicht in der Lage, den Taucher zu suchen. Daraufhin wird der Notruf ausgelöst. Die nach weiteren 20 min eintreffende Feuerwehr kann durch den ebenfalls am Unfallort eintreffenden Rettungshubschrauber (BK117) über Funk zu dem sichtbar unter dem Eis treibenden leblosen Taucher dirigiert werden. Die Bergung des Tauchers erfolgt 90 min nach dem letzten Lebenszeichen. Der Taucher ist bewusstlos, die Haut ist kalt, die Pupillen sind weit, Pulse sind keine tastbar, im EKG zeigt sich eine Nulllinie. Der Luftvorrat