Eigensinn und Bindung. Daniel Hoffmann G.
[führt], in der die Stimme der Liebe vernehmbar wird“ (UW 189). Mit dem Mystiker Franz von Sales fasst Wust dieses Ziel dann so zusammen: „Ni désirer, ni refuser.“ (UW 189)27 Dieses Wort aufgreifend, wird Wust nur wenige Wochen vor seinem Tod an seine Tochter Else vom Krankenbett aus schreiben: „Alles wie Gott es will. Man muß so weit in der Gelassenheit kommen, daß man, wie der hl. Franz von Sales, der berühmte Bischof von Genf, es formuliert, weder etwas Angenehmes wünscht, noch etwas Unangenehmes abweist.“ (GW VIII, 118)
Philosophie und Mystik schließen sich nicht grundsätzlich aus – ganz im Gegenteil; viele große Mystiker, wie beispielsweise der pagane Denker Plotin aus dem dritten nachchristlichen Jahrhundert oder Meister Eckhart aus der Zeit der Hochscholastik, waren auch große Philosophen. So hat auch Wust auf seine Weise versucht, Einsichten der Existenzphilosophie mit christlich-mystischen Motiven zu verbinden, und das nicht nur denkerisch, sondern auch existenziell.
In der Einleitung zu seinem Werk „Die großen Philosophen“ schreibt Karl Jaspers unter der Überschrift „Von menschlicher Größe überhaupt“: „Was auch ein anderer hätte leisten können, ist nicht groß. Was sich identisch übernehmen, lernen und noch einmal tun läßt, wenn es auch einer zuerst getan haben muß, verleiht nicht Größe. Die Unersetzlichkeit allein hat Größe.“28 Man kann zwar darüber geteilter Meinung sein, ob Wust zu den „großen Philosophen“ zu zählen ist.29 Dass Wust „menschliche Größe“ in dem von Jaspers angesprochenen Sinne besitzt, scheint mir aber unzweifelhaft zu sein. Das bestätigt auch der priesterliche Freund Karl Pfleger, der kurz nach dessen Tod in einem fiktiven Brief an ihn u. a. Folgendes schreibt: „Übrigens, alles in allem genommen ist dein Lebenslauf ja auch ein Roman, ein von der göttlichen Gnade und deiner Mitwirkung gemeinsam geschriebener Roman, und man könnte ihm den Titel deines letzten Buches geben: ,Ungewißheit und Wagnis‘. Mit dem für dich kapitalen und segensreichen Unterschied, daß das Wagnis, das dort bloß denkerisch gefordert wird, hier existierend vollzogen wurde. Aus dem theoretischen Postulat wurde der erst zögernd beschlossene und dann heroisch gewagte Salto mortale in Gott hinein.“30
Schriften von Peter Wust: Gesammelte Werke. Hg. v. Wilhelm Vernekohl. 10 Bde. Münster 1963 – 1969 – John Stuart Mills Grundlegung der Geisteswissenschaften. Diss. Bonn 1914 – Die Oberrealschule und der Moderne Geist. Leipzig 1917 – Im Rahmen der „Edition Peter Wust“, der v. Herbert Hoffmann u. Werner Schüßler hg. Schriftenreihe der Peter-Wust-Gesellschaft, sind erschienen: Ungewißheit und Wagnis. Einl. u. Anm. v. Werner Schüßler. Münster 2002 (22007) – Ein Abschiedswort. Nachw. v. Werner Schüßler. Münster 2007 (22008).
Sekundärliteratur: Ekkehard Blattmann: Peter Wust als Denker und Leser des Bösen. Frankfurt a. M. u. a. 1994 – Ders. (Hg.): Peter Wust – Aspekte seines Denkens. F. Werner Veauthier zum Gedächtnis. Münster 2004 – Alexander Lohner: Peter Wust: Gewißheit und Wagnis. Eine Gesamtdarstellung seiner Philosophie. Paderborn 21995 – Marc Röbel: Das „Andere der Vernunft“ – Staunen und Ehrfurcht bei Peter Wust. In: Trierer Theologische Zeitschrift 117 (2008), H. 3, 181 – 191 – Ders.: Staunen und Ehrfurcht. Eine werkgeschichtliche Untersuchung zum philosophischen Denken Peter Wusts. Münster 2009 – Werner Schüßler: Zur Aktualität der Philosophie Peter Wusts. In: Trierer Theologische Zeitschrift 114 (2005), H. 1, 1 – 10 – Ders.: „Die Philosophie schließt nur eine Nebenpforte auf zum Zentrum des Lebens.“ Peter Wust zum Problem „Glaube und Vernunft“. In: Wissenschaft und Weisheit 70 (2007), H. 1, 120 – 132 – Ders.: „Geborgen in der Ungeborgenheit.“ Einführung in Leben und Werk des Philosophen Peter Wust (1884 – 1940). Münster 2008 – F. Werner Veauthier: Kulturkritik als Aufgabe der Kulturphilosophie. Peter Wusts Bedeutung als Kultur- und Zivilisationskritiker. Heidelberg 1998.
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