Die Hormonrevolution. Michael E Platt
wird immer zur Behandlung von Osteoporose angepriesen, und einige Studien scheinen tatsächlich zu zeigen, dass es eine Zeit lang wirksam ist; aber keine Studie weist auf eine Neubildung von Knochengewebe hin. Die primäre Ursache für die Entstehung von Osteoporose ist Progesteronmangel. Neuere Untersuchungen zeigen, dass Frauen, die die Pille nehmen, die wiederum die körpereigene Produktion von Progesteron unterdrückt, früher an Osteoporose erkranken.
Bei Frauen sollte Progesteron das Hormon für die Osteoporose-Therapie sein, denn es stimuliert die Osteoblasten und damit die Knochenneubildung. Östrogen tut das nicht.
Was man gegen eine Östrogendominanz tun kann
Ich bin nicht der erste Arzt, der auf die heutzutage zu häufige Verordnung von Östrogen hinweist. Der Begriff Östrogendominanz wurde von Dr. John R. Lee in seinem 1966 erschienenen Buch What Your Doctor May Not Tell You about Menopause (etwa:„Was Ihr Arzt Ihnen nicht über die Wechseljahre erzählt“; nicht auf Deutsch erhältlich, Anm. d. Verlags) geprägt. Er war der erste Arzt, der öffentlich die Anwendung von Östrogen als „Heilmittel“ für klimakterische Beschwerden angeprangert hat.
Leider wird der Begriff der Östrogendominanz in medizinischen Fachkreisen nicht akzeptiert. Dies hat seine Ursache darin, dass sehr viele Ärzte von Hormonen nur sehr wenig verstehen. Auf diesen Punkt werde ich immer wieder zurückkommen müssen, denn dies ist eines der Hauptthemen des Buches: Der Ärzteschaft ist nicht bewusst, wie wichtig Hormone für die Regulierung all unserer Körperfunktionen sind, oder, in anderen Worten, sie verstehen zwar die Bedeutung, aber setzen sie nicht in ihrer Praxis um.
Den meisten Ärzten wurde in ihrer Ausbildung nie vermittelt, dass ein Mensch unter zu viel Östrogen leiden kann. Es ist ihnen nicht bewusst, dass zu viel Östrogen krank macht. Sie kennen Krankheitsbilder wie Myome der Gebärmutter und Endometriose sowie zystische Veränderungen des Brustgewebes, aber sie scheinen sich nicht für die Rolle des Östrogens bei der Entstehung dieser Veränderungen zu interessieren. Frauen mit diesen Krankheitsbildern sollte niemals Östrogen verschrieben werden, denn dies würde unter Umständen schwer wiegende Komplikationen aufgrund der bereits vorhandenen Östrogendominanz hervorrufen.
Es ist schwierig für Patienten, aber auch für Ärzte, beim Thema Östrogen die Tatsachen vom Werberummel zu unterscheiden. Die meisten Studien über Östrogen wurden und werden von der pharmazeutischen Industrie finanziert, die nicht nur kontrolliert, was veröffentlicht wird, sondern auch, was nicht veröffentlicht wird.
Jahrelang haben Pharmafirmen Östrogen unter dem Gesichtspunkt der Prävention von Herzerkrankungen angepriesen und die Ärzte dahin gehend beeinflusst, es zu verordnen. Jedoch haben fünf kürzlich veröffentliche Studien gezeigt, dass Frauen, die Östrogen einnehmen, ein höheres Risiko eingehen, einen Herzinfarkt oder Schlaganfall zu erleiden. Aus diesem Grund ist Östrogen heutzutage kontraindiziert für Frauen mit koronarer Herzkrankheit oder einem Schlaganfall in der Vorgeschichte. Eine andere negative Nebenwirkung von Östrogen ist die Erhöhung des Homocysteinspiegels, einer Substanz, die die Gefäßinnenwände schädigt, was zu Gefäßverengung und Plaquebildung führen kann. Die American Heart Association (entspricht in etwa der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie, Anm. d. Übers.) hat die Ärzte deshalb darauf hingewiesen, vorsichtiger mit der Verordnung von Östrogen zu sein.
An dieser Stelle möchte ich auf den Begriff Östrogen eingehen, wie er immer wieder in diesem Buch gebraucht wird. Es gibt drei Basistypen von Östrogen: Östradiol, Östron und Östriol, hier in der Reihenfolge von stark nach schwach wirksam. Östradiol ist das Hormon, das bei Frauen die meisten unangenehmen Nebenwirkungen auslöst. Es ist außerdem verantwortlich für die Entstehung hormonell bedingter Tumore bei Männern und Frauen. (Wenn man dieses Hormon auf die Haut aufträgt, dann scheint es nicht so gefährlich zu sein). Wann immer ich von den negativen Aspekten des Östrogens spreche, dann spreche ich immer von Östradiol.
Östriol, das schwächste und deshalb sicherste Östrogen, erzeugt keine Krebszellen. Es ist sogar so sicher, dass es verwendet wird, um Brustkrebs zu behandeln, da es die Östrogenrezeptoren besetzt und dadurch die stärkeren Formen von Östrogen, die sehr negative Wirkungen haben können, blockiert. Es ist auch das beste Östrogen zur Behandlung von Scheidentrockenheit.
Transdermal verabreichte Östrogene, ja, sogar Östradiol, wenn es auf die Haut aufgetragen wird, sind sicherer als Östrogene, die oral eingenommen werden. Jedoch sollten diese Östrogene niemals ohne begleitendes Progesteron genommen werden, um dem Östrogen entgegenzuwirken und die potenziellen Nebenwirkungen zu vermeiden. Bedenken Sie, dass alle Östrogene lipogen sind, das heißt, sie alle führen zu verstärkter Fettbildung.
Die heilenden Kräfte von Progesteron
Wenn man bedenkt, dass mehr als 300 Progesteronrezeptoren über den ganzen Körper verteilt sind, dann kann man die starken Auswirkungen verstehen, die Patienten empfinden, die dieses Hormon anwenden.
Progesteron ist einfach wunderbar für das Gehirn. Tatsächlich ist der Progesteronspiegel im Hirngewebe höher als an jeder anderen Stelle in unserem Körper. Deshalb beeinflusst Progesteron auch das Gedächtnis. Einige Studien weisen sogar nach, dass Progesteron einen günstigen Einfluss auf Alzheimer hat.
Progesteron ist auch von großem Nutzen für das Nervengewebe. Ich habe es bei Diabetikern angewandt, die eine Polyneuropathie in den Füßen verspürten. Manchmal verschwindet die Neuropathie (Nervenschmerzen) bereits nach drei Tagen. Progesteron stimuliert auch die Schwann’schen Zellen, die im Nervengewebe vorkommen und Myelin produzieren. Multiple Sklerose ist eine der Erkrankungen, die mit einem Myelinabbau in den Nervenzellen einhergeht. Die meisten Patienten mit MS, die ich behandelt habe, waren östrogendominant. Möglicherweise besteht ein Zusammenhang zwischen dieser Erkrankung und einem zu niedrigen Progesteronspiegel.
Progesteron wirkt auch heilend auf die Blutgefäße; es macht die von Östrogen verursachten Schäden rückgängig. Deshalb hat es eine so günstige Wirkung bei der Prävention und Behandlung von menstruell bedingter Migräne. Ein weiterer günstiger Effekt ist, dass es Herzkranzgefäßkrämpfe verhindern kann.
Eine der besten Behandlungsmöglichkeiten gegen Osteoporose ist schlicht und einfach der Einsatz von Progesteron. Es wirkt viel besser als Östrogen. Und weil Progesteron außerdem noch den Insulinspiegel senkt – das Hormon, das dafür verantwortlich ist, dass die meisten Menschen Fett ansammeln –, kann es zur Gewichtskontrolle benutzt werden.
Außerdem ist es, besonders für Frauen, ein Wohlfühl-Hormon und ein natürliches Antidepressivum. Als Gegenspieler von Östrogen hilft es, Brustkrebs, Ovarialkrebs und wahrscheinlich auch Dickdarmkrebs zu verhindern. Meiner Ansicht nach verhindert es außerdem Prostatakrebs, denn ich glaube, dass auch dieser Krebs von Östrogen verursacht wird.
Brenda hätte ein ganz anderes Leben gehabt, wenn die Ärzteschaft die Vorteile von Progesteron verstanden hätte. Stattdessen litt sie unter ihre Östrogendominanz, was zur Gebärmutterentfernung und dadurch zur chirurgisch bedingten Menopause führte. Zu diesem Zeitpunkt wurde Brenda außerdem Opfer des Presomen®-Trends. Ein anderer Begriff dafür ist auch Östrogenersatz-Therapie (Estrogen Replacement Therapy, kurz: ERT) die seit 1970 zunehmend angewendet wurde. Vor 1970 gab es keine gynäkologischen Richtlinien, die vorschrieben, Frauen in den Wechseljahren Östrogen zu geben. Wir werden nochmals auf Presomen® und die ERT in Kapitel 10 (vgl. S. 97) zu sprechen kommen, wenn ich über die Menopause und die Zeit davor (Prämenopause) schreibe.
Fibromyalgie
Die Schmerzen, unter denen Brenda schon in ihren Dreißigern litt, wurden durch Fibromyalgie hervorgerufen. In sehe in meiner Praxis häufig Patienten mit körperlichen Beschwerden, bei denen Schmerzen in Form von Fibromyalgie oder Arthritis vermischt sind mit Symptomen von hormonellem Ungleichgewicht. Lediglich durch den Ausgleich der Hormone verspüren die Patienten oft eine Besserung. Die am häufigsten damit in Zusammenhang stehenden Hormone sind Progesteron, Insulin, Adrenalin, Cortisol und die Schilddrüsenhormone.
Meistens sind diese Menschen in irgendeiner Form zornig und frustriert. Ihr Hormonhaushalt