Moritz von Sachsen (1521-1553). Johannes Herrmann

Moritz von Sachsen (1521-1553) - Johannes Herrmann


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langen Abstand, wenn er seiner Frau etwa in einem Brief zur baldigen Rückkehr versichert: dann werde ich lang, lang, lang bei dir bleiben; oder von sich sagt: wenn man dem jungen Narren gefolgt wäre, dann wären die Sachen besser gelaufen; oder wenn er in einer Verhandlung die Versammelten des Adels gegen alle politische Zweckmäßigkeit so wütend behandelt, dass ihm sein Kanzler die Freundschaft kündigt. Man sollte hinter dem fürstlichen Politiker auch den Menschen sehen, von hohem Verstand, aber gedrängt und verletzt, mit Plänen zum Ausgleich, doch eingespannt in die Absichten anderer, zu vielem Neuen entschlossen, aber gebunden in die Art seiner Zeit, glaubend, doch ungläubig genannt. Dieser Mensch hat Sachsen mit seinem Handeln in Politik und Kirche auf Jahrhunderte geprägt. Und er hat sich in den reformationszeitlichen Auseinandersetzungen im Reich innerhalb nur eines Jahrfünfts zu einer zentralen Figur entwickelt, deren letztliche Dimension und Perspektive uns sein früher Tod verschließt.

      Die hier vorliegende 2. Auflage hat nötige Korrekturen sowie Ergänzungen in Text und Abbildung erfahren. In den Fußnoten konnten die Fundstellen der Aktenstücke nach dem 2006 erschienenen abschließenden 6. Band der „Politischen Korrespondenz des Herzogs und Kurfürsten Moritz von Sachsen“ genau nachgewiesen werden, was in der ersten Auflage dieser Biografie nur nach dem damaligen Manuskript möglich war. Dem ganz persönlichen Verhältnis von Moritz und Agnes ist der erweiterte Abschnitt „Die hessische Hochzeit“ gewidmet. Schließlich konnte nach jüngsten Forschungen „Die schwere Schlacht bei Sievershausen“ neu formuliert werden. Hinzugekommen sind im Anhang eine Zeittafel mit Lebensdaten von Moritz und eine kleine Literaturauswahl.

      Leipzig am 1. Advent 2012

      Das Geschlecht der wettinischen Markgrafen von Meißen gewann im 15. Jahrhundert seine große Bedeutung für das Deutsche Reich. Kaiser Sigismund belehnte die Wettiner 1423 mit dem Herzogtum Sachsen, zu dem die Kurstimme bei der Wahl des deutschen Königs und der Kurkreis um Wittenberg zusammen mit der Grafschaft Brehna südlich davon und die halbe Pfalz Sachsen in Thüringen nördlich der Unstrut gehörten. Seitdem konnten sich die Wettiner als Markgrafen von Meißen und als Landgrafen von Thüringen auch Herzog von Sachsen nennen. Nach 1500 wurde „Herzog von Sachsen“ als höchster Titel der wettinischen Fürsten immer mehr auf das ganze Land zwischen Wittenberg und dem Erzgebirge angewendet. Damit kam Sachsen im 16. Jahrhundert zu seinem heutigen Namen.

      Als im Jahre 1482 die Thüringer Nebenlinie in Weimar mit Herzog Wilhelm ausstarb, war das gesamte wettinische Territorium geeint. Die Brüder Ernst und Albrecht verwalteten das Gebiet gemeinsam, das von der Werra im Westen bis zur schlesischen Herrschaft Sorau hinter der Neiße, und von dem Raum um Gommern und Beeskow im Norden bis an den Kamm des Erzgebirges und zur Coburger Pflege in Oberfranken reichte. Dies war nach den Landen der Habsburger das größte Territorium im Deutschen Reich. Erst durch den Erwerb von Böhmen und Ungarn im 16. Jahrhundert erhielt der Besitz der Habsburger sein großes Übergewicht.

      Durch den Erwerb der Kurwürde im Jahre 1423 wurde Sachsen zu einem wichtigen Territorium des Reiches, zu dem auch die Habsburger in Österreich gern die Verbindungen hielten. Die Stifte von Meißen, Merseburg und Naumburg, die von den wettinischen Landen umschlossen waren, besaßen reichsunmittelbar nur kleine Gebiete. Sie konnten keine eigenständige, von den Wettinern unabhängige Politik betreiben und ließen sich im 15. Jahrhundert auf den Reichstagen durch die Wettiner vertreten. Sie waren fast wie Grafen und Herren in die wettinischen Lande eingeordnet. Auf den wettinischen Landtagen waren sie vertreten wie die vielen kleinen Grafen südlich des Harzes in Thüringen und im Muldental. Nur die Herren von Reuß schafften es, sich schließlich selbstständig als Reichsfürsten zu halten.

      Der neu erblühte Silberbergbau brachte gute Einnahmen und machte die Wettiner zum Teil von den großen Kaufleuten der Städte unabhängig. Die neuen Bergstädte im Erzgebirge Schneeberg, Annaberg, Marienberg wuchsen durch reiche Silberfunde wie Pilze. Die aktienähnlichen Kuxen, die eine Geschäftsbeteiligung für Kapitalgeber an den Bergwerken darstellten, boten zumindest am Anfang neuer Gruben sehr gute Gewinnaussichten. Die Bevölkerungszahl der ganzen Lande war durch die Pest um 1350 stark gesunken, sie erreichte aber in den letzten Jahrzehnten des 15. Jahrhunderts wieder die Stärke aus der Zeit vor dieser großen Katastrophe. Damit gab es genügend Arbeitskräfte für die vielen Bauvorhaben seit dem letzten Drittel des 15. Jahrhunderts. In den Städten wuchsen Kirchen und Klöster, Stadtmauern, Torbefestigungen und Vorratshäuser empor. Auf den Dörfern wurden Altarräume zur Verehrung des Leibes Christi, der Hostie, gebaut.

       Herzog Albrecht der Beherzte, Stammvater der albertinischen Linie des wettinischen Hauses, Ölgemälde eines flämischen Meisters, um 1491

      Seit 1464 regierten die wettinischen Brüder Ernst und Albrecht gemeinsam das Land. Dabei war allerdings Albrecht als Feldherr für die Habsburger Kaiser Friedrich III. und Maximilian I. vielfach unterwegs. Damit stand er besonders dem Kaiser Maximilian I. nahe. Das Gleichgewicht unter den beiden Brüdern war nach dem Heimfall der Besitzungen der ausgestorbenen Weimarer Linie der Wettiner 1482 schwankend geworden. So teilten sie 1485 das Land unter sich. Seitdem gab es immer zwei Linien der Wettiner, die Ernestiner und die Albertiner, genannt nach den beiden Brüdern, die Sachsen unter sich aufgeteilt hatten. Die Teilung war von den fürstlichen Räten und Ständen des Landes so ausgearbeitet worden, dass beide Teile wirtschaftlich und politisch im Gleichgewicht, aber zur Zusammenarbeit gezwungen waren, weil sie sich durchdrangen und keine natürlichen Grenzen gegeneinander hatten.

      Grundbestand bei den Albertinern wurde die Markgrafschaft Meißen, zu der ein Streifen in Nordthüringen von Leipzig bis südlich Mühlhausen zusammen mit einer Oberherrschaft über die Grafen südlich des Harzes kam. Kernland der Ernestiner war die Landgrafschaft Thüringen, bei denen auch das Vogtland und die Kurfürstenwürde und dazu das Muldental blieb. Mit der Würde des Kurfürsten blieben die Kurlande um

      Wittenberg und Torgau bei den Ernestinern. Sie residierten in Wittenberg und in Weimar. Das moderne Schloss in Meißen, das hoch über der Elbe neben dem Dom eigentlich für die gemeinsame Herrschaft gebaut worden war, konnte diese Rolle nach der Teilung nicht spielen. Die Albertiner hatten nunmehr ihren Hauptsitz in Dresden. Die Urkunden sollten gemeinsam verwaltet werden. Allerdings wurde auch eine ganze Anzahl von Besitzungen und Bergstädte wie das ertragreiche Schneeberg gemeinsam genutzt.

      Der Fernhandel brachte neben dem Bergbau den sächsischen Städten Einkünfte. Herzog Georg der Bärtige, der Sohn und Nachfolger Herzog Albrechts, sorgte dafür, dass Leipzig durch den Kaiser Maximilian seine wichtigen Messeprivilegien erhielt. Den Albertinern wuchsen besonders in Annaberg und Marienberg neu gegründete ertragreiche Bergstädte zu. Durch den aufstrebenden Bergbau im silberreichen Erzgebirge und im Mansfelder Kupferschiefer wanderten kapitalkräftige Familien aus Süddeutschland in die Städte Plauen, Zwickau, Leipzig ein. Auch die Kupfergewinnung von Mansfeld und Eisleben war eng mit Franken verbunden.

      Auf den Handelswegen kam der Humanismus nach Norden in die Universitäten von Erfurt und Leipzig und nach der Neugründung im Jahre 1502 auch nach Wittenberg. In Halle am Hofe des Erzbischofs Albrecht von Magdeburg und Mainz weilte aus Süddeutschland Ulrich von Hutten. In Wittenberg wirkten Hermann von dem Busche, Lucas Cranach, Georg Spalatin, Andreas Bodenstein aus Karlstadt, Martin Polich aus Mellerstadt und Philipp Melanchthon. Größter Stern der Wittenberger Universität wurde Martin Luther. Hieronymus Emser kam über Erfurt an den Hof Herzog Georgs. Ihm folgte schließlich Johannes Cochläus als Hofprediger nach Dresden.

      Herzog Georg von Sachsen, Holzschnitt von Hans Brosamer vor 1534, nach einer Vorlage von Lucas Cranach d. Ä.

      Vor der Leipziger Teilung von 1485 war Sachsen eines der bestimmenden Territorien des Reiches. Durch die Teilung verlor es sein großes Gewicht in der Reichspolitik. Seine beiden Teile besaßen nur durch den Handel und ihre Währung, die auf dem Silberbergbau beruhte, mehr Bedeutung als andere mittlere Territorien des Reiches wie etwa Brandenburg.


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