Moritz von Sachsen (1521-1553). Johannes Herrmann
wohl am Rande erfahren und auch die Trauer des alten, ehrlichen Mannes über seinen ergebnislosen Kampf gespürt.
Moritz war ein gelehriger Schüler seines Onkels. Er hat Georgs gesundes Verwaltungssystem bei Regierungsantritt sofort wieder eingeführt. Die wichtigen, ihm zugewandten Räte Georgs stellte Moritz wieder ein. Zu den herzoglichen Räten entstand in seinen Dresdner Jahren ein Vertrauensverhältnis, besonders zum evangelisch gesinnten Dr. Georg Komerstadt. Dieser berief schon 1536 den evangelischen Pfarrer Jakob Klappe aus ernestinischem Gebiet nach Niederebersbach an die Kirche seiner Gutsherrschaft. Georg von Karlowitz, der Onkel Christophs von Karlowitz, der Moritz nach Halle geleitet hatte, behielt unter Moritz bis Anfang 1545 den gleichen Einfluss, den er unter Georg gehabt hatte.
Herzog Georg hatte einen Vorteil gegenüber der bewusst evangelischen Katharina in Freiberg errungen, indem er den jungen Moritz im altgläubigen Dresden hielt. Katharina vermochte lange Zeit ihren Gemahl nicht zur offenen Opposition gegen Georg den Bärtigen zu bewegen. Wie in Halle wird sich Moritz im Dresdner Schloss in die Ordnung des Tages und des Jahres eingefügt haben, die von den Glocken der altgläubigen Kirchen bestimmt war. Georg hat eine Einordnung gefordert, aber keinen Gewissenszwang ausgeübt. Zu Elisabeth, der Frau des Erbprinzen Johann, entstand ein so gutes Verhältnis, dass diese Moritz auch noch aus Torgau zur Fastnacht an ihren Witwensitz Rochlitz einlud und später die wichtigste Vermittlerin seiner Ehe wurde. Elisabeth wusste sich in Dresden als Evangelische. Man kann darüber nachdenken, ob der Tod seines Sohnes Johann für Georg die Hoffnung, den alten Glauben im albertinischen Herzogtum zu erhalten, zerschlug oder ob die voranstürmende Kraft des neuen Glaubens zwischen 1520 und 1540 einfach nicht aufzuhalten war, ehe nicht die katholische Kirche eine wirkliche Reform von sich aus begann. Moritz scheint aus seinen Jugendjahren die Überzeugung mitgenommen zu haben, dass die evangelische Erneuerung der Kirche sich immer weiter durchsetzen werde. So sehr Moritz die Innenpolitik Herzog Georgs auch für seine eigene Staatsleitung samt den alten Räten übernommen hatte, so wenig war bei ihm etwas von dem starren Eifer Georgs für die altgläubige Kirche, besonders gegen Priester und Mönche, die sich dem neuen Glauben zuwandten, zu spüren. Vielleicht wurde Moritz aber so auch für die entgegengesetzte Starrheit des evangelischen Kurfürsten Johann Friedrich in evangelischen Sachen immunisiert.
Herzog Georg der Bärtige, über ihm die Apostel Jakobus d.Ä. und Petrus, Triptychon (Ausschnitt) von Lucas Cranach d.Ä., Georgskapelle im Dom zu Meißen. Den Flügelaltar stiftete Herzog Georg nach dem Tode seiner Frau Barbara 1534, seitdem erst ließ er sich den beinamengebenden Bart wachsen.
Letzten Endes war Moritz in Dresden und dann noch mehr in Torgau eine Figur auf dem Schachbrett der Politik, die von anderen, d. h. seinen Eltern, Herzog Georg, Kurfürst Johann Friedrich, geschoben wurde. Aber er hat in dieser Zeit nicht ohne persönliches Empfinden und Nachdenken gelebt. Seine Neigung zum Ausgleich mag ihm in diesen Jahren eingeprägt worden sein.
Zu Gast beim „dicken Vetter“ in Torgau
Der Tod von Herzog Georgs Sohn Johann machte Anfang Januar 1537 Herzog Heinrich und seinen Sohn Moritz zu den kommenden Nachfolgern Georgs als regierende Herzöge im albertinischen Sachsen. Das bewirkte die volle und offene Hinwendung der Freiberger Familie zum Kurfürsten Johann Friedrich. Sie wollten dadurch verhindern, dass Georg seinen wohl geistig behinderten zweiten Sohn Friedrich zum Nachfolger machen würde, für den dann ein Ausschuss der Landstände die Regierung wahrnehmen sollte. Gegen solche Pläne stellte sich Herzog Heinrich in den Schutz des Schmalkaldischen Bundes. Johann Friedrich wollte aber nicht nur eine Erbschaft schützen, sondern verlangte eine deutliche Trennung der Freiberger Familie von der altgläubigen Politik des Herzogs Georg. Moritz sollte als Unterpfand vom Dresdner Hof an den Hof Kurfürst Johann Friedrichs nach Torgau umsiedeln. Im Freiberger Ländchen sollte die begonnene Reformation endgültig eingeführt werden. Unter den neuen Umständen ließ sich Heinrich von seiner Frau zu dieser Entscheidung bewegen. Im gleichen Jahr gab auch Elisabeth, die Witwe Johanns, die Reformation in ihrem Wittum Rochlitz und Mittweida frei. In Mittweida war eine große Anzahl der Bürger schon vorher offen evangelisch gewesen und hatte die Gegenmaßnahmen Georgs des Bärtigen erduldet.
Herzog Georg meinte dazu, wenn man ihn bei lebendigem Leibe beerben wolle, so wolle er tun, wie ihm Herzogin Katharina tue, denn diese lebe um so länger, je mehr er auf ihren Tod warte. Katharina bestimme in Freiberg die Richtung in Politik und Kirche. Georg wollte ebenso tun und leben, solange es Gott gefalle. Es verlängere auch sein Leben, wenn man auf seinen Tod warte.
Als Moritz nach Torgau zog, wusste er sich als der Thronfolger von Onkel und Vater, die beide mit 66 bzw. 64 Jahren für die damalige Lebenserwartung hoch ins Alter gekommen waren. Doch Kurfürst Johann Friedrich scheint ihn nicht als künftig regierenden Verwandten des anderen sächsischen Teilstaates behandelt zu haben, sondern eher als einen zur Dankbarkeit verpflichteten, ärmeren Verwandten. Mit ihm wollte er den eigenen Einfluss erweitern.
In Torgau stand der neue Johann-Friedrich-Bau des Schlosses kurz vor seiner Vollendung. Er wurde ein besonderes Werk der Renaissancekunst. Der Sandstein des Wendelsteines leuchtete in weißer Eleganz. Die beengenden Wände der Treppentürme der vorangehenden Zeiten waren hier in senkrechte Säulen aufgelöst, zwischen denen sich die Aufgangstreppen frei spannten. Als Moritz dort lebte, wurde 1538 zum Schluss der ganze Außenputz des Neubaus eingefärbt. Die Werkstatt Lucas Cranachs aus Wittenberg führte die malerische Gestaltung der Innenräume des Schlossflügels durch. In dieser Zeit entstand in Moritz wohl der Wunsch, in Dresden am Sitz der Albertiner selbst ein großes Schloss neu zu errichten. Karl V. bewunderte nach der Schlacht von Mühlberg 1547 das Torgauer Schloss.16 Torgaus Schlosskirche von 1544, die Luther geweiht hatte, wurde später zum Vorbild für die Kapelle im Dresdner Neubau.
In Torgau wurde Moritz zusammen mit Herzog Johann Ernst, dem Moritz gleichaltrigen, jüngeren Stiefbruder des Kurfürsten Johann Friedrich, dem Herzog Ernst von Braunschweig-Lüneburg und dem Sohn des Grafen Wolfgang von Barby erzogen. Der Erbmarschall Hans Löser war am ernestinischen Hof sein Hofmeister. Moritz behielt ihn auch nach 1539 noch im Dienst bis zu seinem Tode 1541. Auch zu seinem lieben Gesellen Ernst von Braunschweig hielt Moritz Verbindung. In Erinnerung der gemeinsamen Tage lud er ihn im Oktober 1548 mit Reitpferd und Turnierausrüstung nach Torgau ein, wo Moritz für Herzog August die Hochzeit ausrichtete. Zu Graf Wolfgang von Barby, dem Vater, blieb ein besonderes Vertrauensverhältnis. Als Moritz regierte, übertrug er ihm in Zeiten seiner Abwesenheit immer wieder die Statthalterschaft.
Mit dem ernestinischen Kurfürsten selbst scheinen die jungen Herren wenig persönlichen Kontakt gehabt zu haben, noch weniger mit Luther, wenn dieser auch von Wittenberg nach Torgau kam. 1538 hat Moritz den Kurfürsten Johann Friedrich nach Eisenach begleitet, wo der Schmalkaldische Bund über die Möglichkeiten von Krieg und Frieden verhandelte.17
Ab Februar 1539 erlebte Moritz in Frankfurt, wohin ihn Johann Friedrich mitgenommen hatte, über zwei Monate die mühseligen Verhandlungen um Sicherung des Friedens zwischen den Schmalkaldischen Bundesverwandten und dem Kaiser, der den Erzbischof von Lund mit den Gesprächen beauftragt hatte. Moritz war dabei immer nur Zuschauer. Er wird aber private Gespräche der verhandelnden Fürsten und Räte gehört haben. Er lernte hier den Gedanken eines vorläufigen Friedens zwischen verschiedenen Bekenntnissen im Reich kennen. Man kämpfte um die Anerkennung des Nürnberger Anstandes (vorläufigen Friedens) von 1532 für neue evangelische Reichsstände, die vielleicht dem Bund beitreten würden, für sie sollte ein erweiterter Anstand auch gelten. Da das Erbe seiner nun offen evangelischen Familie in Dresden bevorstand, wird Moritz sich aus eigenem Interesse über die Vorgänge informiert haben.
Großer Wendelstein vom Johann-Friedrich-Bau des Schlosses Hartenfels in Torgau (vor der Restaurierung), 1533–36 von Konrad Krebs geschaffen, gilt als eine Hauptleistung der Frührenaissance in Deutschland
Linke Seite: Kurfürst Johann Friedrich mit den Reformatoren, von Lucas Cranach d. Ä. um 1532/39, Holz (Toledo, Museum of Art),