Smart Tourism – Share Economy im Tourismus. Martin Linne
nicht verstanden werden oder weil angenommen wird, dass diese nicht im besten Interesse für die Gemeinschaft, sondern nur mit Blick auf das eigene Beste agieren. Als Folge wenden sich Menschen jenen Gemeinschaften zu, in die sie einen besseren Einblick haben und denen sie mehr vertrauen – darunter auch online Communitys. Auch beim Konsum werden daher verstärkt Angebote von Angesicht zu Angesicht vorgezogen. Zudem schafft der gemeinschaftliche Konsum eben dort Lösungen, wo die herkömmlichen Systeme auf die brennenden Probleme und neuen Bedürfnisse der modernen Welt keine Antworten bieten: peer-to-peer Lending entsteht als Folge eines breiten Misstrauens gegenüber dem Bankensektor, Car Sharing entspringt einem Bedürfnis nach neuen, flexibleren Formen von Mobilität.
Suche nach Glaubwürdigkeit und Authentizität
Weil Konsumenten zu oft erlebt haben, dass eine riesige Lücke klafft zwischen den großmundigen Versprechungen der Werbung und der Realität der Kundenbeziehung, verlieren sie zunehmend das Vertrauen in die Marken. Konsumenten schenken Empfehlungen von Familie, Freunden und Bekannten immer mehr Glauben. Und selbst Produktbeurteilungen, Empfehlungen und Bewertungen von völlig Fremden im Internet werden als vertrauenswürdiger eingestuft als die Marketingversprechen der Premiummarken. In einem solchen Umfeld gewinnen peer-to-peer Angebote an Gewicht, weil sie den gewünschten Nutzen erfüllen und dabei noch authentischer und glaubwürdiger erscheinen. Zudem werden beim Sharing völlig neue Konsumentengruppen angesprochen, die ansonsten niemals einen Kauf erwogen hätten, schlicht weil sie sich kein eigenes Auto leisten können oder der Kauf einer Skiausrüstung sich für den einmaligen Winterurlaub nicht auszahlt. Wird in der Share Economy jedoch nur für den zeitlich befristeten Zugang zu den Gütern bezahlt, sieht die Rechnung aus Kundensicht vollkommen anders aus.
Auch wird die alte stark zentralisierte, hierarchische Wirtschaftsordnung abgelöst durch eine dezentrale, auf Netzwerken beruhende Wirtschaft. Dadurch verändert sich das Verhältnis zwischen Produzent und Konsument: Unternehmen haben es heute nicht mehr mit passiven Konsumenten zu tun, sondern mit selbstbestimmten, autonomen Bürgern, die sich befähigt fühlen, ihre Umwelt nach ihren Wünschen zu gestalten. Daher weicht die starre Rollenverteilung des traditionellen Wirtschaftssystems auf, in dem Menschen in jeweils streng definierten Rollen Platz fanden – entweder als Produzent oder als Konsument. Die Machtbalance verschiebt sich: von monolithischen, hierarchischen und zentralisierten Strukturen zu kleinteiligen, vernetzten und verteilten Strukturen. Dies begünstigt das Entstehen einer Konsumwelt, die völlig ohne Intermediäre auskommt, weil alleinig von Peer zu Peer konsumiert wird. Die Entwicklung ist paradox: Als Gegenbewegung zum Konsumismus zielt die Share Economy doch exakt auf das Mantra des Konsumismus – mehr Auswahl und mehr Bequemlichkeit zu geringeren Preisen.
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