Lebe Lang ... und was ich auf meinem Weg lernte. David Fisher
Woche oder etwas länger. Ich möchte sie „William Shatner ohne tanzende Damen“ titulieren.
Beinahe zwei Stunden lang stehe ich dabei allein auf der Bühne. Mein Freund Brad Paisley schrieb einen Song mit der Zeile „I’m an entertainer, and that’s all“, und um dieses Thema dreht sich der Auftritt. Ich möchte Sie 90 Minuten lang unterhalten. Ich erzähle einige Geschichten, ich singe, und ich plaudere frei von der Leber weg. Zu Beginn trat ich mit einer anderen Person auf. Meist rekrutierte ich einen bekannten DJ von einem Lokalsender, der mir gegenüber Platz nahm und Fragen stellte. Doch bei einer Einladung des Music Box Theatre am Broadway änderte ich die Struktur. Ich strich die Fragen und ersetzte die andere Person durch einen Stuhl. Aus dem Bürostuhl entwickelte sich eine Requisite: Er ist mein Motorrad, er ist ein Pferd, er ist ein Fiat 500 mit dem auf dem Rücksitz zusammengequetschten Big Pete, doch ich brauche ihn auch, um mich einige Minuten hinzusetzen.
Die Aussicht, auf dem Broadway 50 Jahre nach dem letzten Auftritt zu spielen, begeisterte mich. Das New Yorker Publikum ist am anspruchsvollsten, kritischsten und zugleich am liebenswertesten, weshalb ich zur Vorbereitung des Auftritts die Show neu schrieb und inszenierte. Ich fügte neues Material hinzu und strich altes, was zu einer essenziell neuen Performance führte. Am ersten Abend fand auch das Debüt des brandneuen Konzepts statt.
Ich war sehr aufgeregt und ängstlich und stellte mir die Frage: „Was zum Teufel werden sie davon halten?“ Am Abend vor dem großen Auftritt nahmen Elizabeth, meine Wenigkeit und mein Manager Larry Thompson ein frühes Dinner ein, damit ich schnell ins Bett kam, um mich für den Auftritt gut auszuruhen. In dem exquisiten Restaurant aß ich nur einen Hamburger. Am nächsten Morgen wachte ich mit einer Lebensmittelvergiftung auf.
Mein Magen tanzte, und ich fühlte mich todkrank. Daraufhin verbrachte ich den ganzen Tag im Hotelzimmer und traute mich nicht, den Sicherheitsradius der Toilette zu verlassen. Glücklicherweise eilte mir der fantastische Dr. Mehmet Oz zu Hilfe. Ich war vollkommen dehydriert, bekam aber nichts runter, fühlte mich krank und schwach. Ich zog es jedoch keine Sekunde in Erwägung, die Show abzusagen. Ein Soloauftritt am Broadway stand bevor! Auf den Abend hatte ich 50 Jahre lang hingearbeitet.
Schließlich schaffte ich es zum Theater. Das Music Box war ausverkauft, die Kritiker hatten Platz genommen, und ich litt unter einer Lebensmittelvergiftung. Ich ging auf die Bühne, der Wärme des Publikums entgegen, was möglicherweise die beste Medizin war. Zu Beginn des Auftritts verflüchtigten sich meine Ängste und für einige Minuten sogar die Symptome der Vergiftung. Ich vergaß alles – aber nur für eine kurze Zeit. Dann schüttelte es mich durch.
Überrascht musste ich feststellen, dass sich überhaupt noch etwas in mir befand, doch ungefähr zur Hälfte der Show machte ich mir in die Unterhose. Alles was ich je gelernt habe, der Glaube, dass die Show weitergehen musste, wurde an diesem Abend auf eine Bewährungsprobe gestellt. Ich stand auf der Bühne und dachte: Eines Tages erzähle ich die Geschichte aus einer historischen Perspektive, und die Leute werden sich über diese Peinlichkeit köstlich amüsieren. Das ist doch eine wunderbare Story – aber nicht heute Abend. Nicht in diesem Augenblick.
Ich erklärte dem Publikum: „Es tut mir leid, aber wir haben ein kleines technisches Problem. Ich bin sofort wieder zurück.“ Ich hastete die Treppe rauf und sprang kurz unter die Dusche. Elizabeth hielt sich in der Garderobe auf. Ich wechselte also die Unterhosen, rannte wieder runter, zurück auf die Bühne und beendete die Show. Zu meiner Verblüffung kam nichts mehr nach. Der Auftritt wurde mit guten Kritiken honoriert, und ich hatte während der kompletten Aufführungsdauer keine Probleme mehr: Die Show lief, und meine Läufe endeten.
Seine Einsatzbereitschaft zu zeigen, verlangt oft nur ein einfaches Ja. Ein Bekannter lebt nach einer unumstößlichen Regel: Klingelt das Telefon, lautet die einzig mögliche Antwort: „Ja.“ Egal, welche Frage gestellt wird. Die Antwort heißt: „Ja!“ So mag auch das Credo der Schauspieler sein. Nur wenige Darsteller, besonders zu Beginn, in der Mitte oder am Ende der Karriere (also immer), können es sich leisten, eine Arbeit auszuschlagen. „Wir wollen, dass du gefühlvoll einen Stein spielst. Möchtest du lieber ein Felsen oder ein Kieselstein sein?“ „Wir wollen, dass du die Hauptrolle in einem Film übernimmst, der in einer Sprache gedreht wird, die niemand versteht.“ „Kie estas la necesejo?“ Das bedeutet in Esperanto entweder „Ich nehme den Job an“ oder „Wo ist die nächste Toilette?“
Ein von mir sehr geschätzter Produzent, mit dem ich häufig arbeitete, wollte mich mit einem Helikopter auf einen Gletscher transportieren und dann mutterseelenallein zurücklassen. Meine beiden schlimmsten Ängste sind Einsamkeit und große Höhen. Diese Herausforderung kombinierte beide! „Ja“, lautete meine Antwort.
Bevor der Helikopter abflog und mich allein Tausende Fuß hoch auf einem Bergkamm zurückließ, sprach der Produzent die beruhigenden Worte: „Beweg dich hier nicht so viel. Möglicherweise ist eine Gletscherspalte in der Nähe.“
Naja, um eins musste er sich wirklich keine Sorgen machen – dass ich mich hier oben ausgedehnt bewegen würde.
Ein Ja auszusprechen, ist ein Beginn. Antwortet man mit Nein oder ausweichend, verbaut man sich eine Möglichkeit. Das ähnelt dem Verhalten, auf ein Blind Date mit einem Nein zu reagieren. Der Mann oder die Frau mögen vielleicht nicht der ideale Partner sein, aber mal ein nicht wünschenswertes Dinner mit einem Serienmörder ausgeschlossen, verbaut man sich damit die Chance, eine neue Welt kennenzulernen, neue Menschen zu treffen, neue Abenteuer zu erleben.
Manchmal ist ein Ja auch vorzuziehen, obwohl die Logik und der gesunde Menschenverstand zu einem Nein tendieren lassen. Das kann vielleicht eine bedeutende Entwicklung im Leben anstoßen. Am Anfang meiner Karriere hatte ich das Glück, beim Stratford Festival für den großartigen Regisseur Tyrone Guthrie arbeiten zu dürfen. Für einen jungen Schauspieler stellte es eine bemerkenswerte Gelegenheit dar, mit den Besten der Zunft zu arbeiten. Ich fungierte als Nebendarsteller, der jede noch so kleine und freie Rolle übernahm. Bei der Aufführung von Heinrich V. spielte ich den Herzog von Gloucester und studierte als Ersatz für Christopher Plummer die Hauptrolle ein.
Ich stand ungefähr fünf Minuten auf der Bühne, und Chris Plummer dominierte das Stück. Es ist eine der größten jemals von Shakespeare geschriebenen Rollen. Sie ist hochkomplex und erfordert das langsame Enthüllen der Seele eines Menschen. Chris Plummer brillierte bei seiner Darstellung und erhielt tosenden Beifall. Da ich der Arbeit mit Fleiß nachging, studierte ich seine Rolle ein. Ich war mir sicher, dass es sich auf eine Chance zum Lernen beschränkte, da diese Produktionen meist nur eine kurze Zeit liefen und die Hauptdarsteller oder Hauptdarstellerinnen so gut wie nie einen Auftritt verpassten. Da wir zudem während der Saison schon das nächste Stück probten, bot sich den Nebendarstellern so gut wie niemals eine Gelegenheit, sich auf der Bühne zu beweisen.
Tatsächlich konnte höchstens der Tod oder ein extrem schmerzhafter Nierenstein den Hauptdarsteller von der Bühne fernhalten. Eines Morgens erhielt ich einen Anruf vom Produktionsbüro: Chris Plummer plagten unerträgliche Schmerzen, verursacht durch eben einen Nierenstein. Ob ich wohl an dem Abend auf die Bühne könne?
Auf die Bühne? Einen der respektiertesten jungen Theaterdarsteller ersetzen, eine der komplexesten Shakespeare-Rollen in einem Stück übernehmen, das ich noch nie in dieser Rolle geprobt hatte? Ich hatte den Text ja noch nicht mal laut gesprochen, war einigen der anderen Schauspieler noch nie näher begegnet! Wir hatten Heinrich V. noch kein einziges Mal zusammen aufgeführt, und ich wusste gar nicht, ob mir das Kostüm passte. Meine gesamte Vorbereitung beschränkte sich auf die Beobachtung Plummers in seiner Rolle.
Auf die mir gestellte Frage gab es jedoch nur eine einzige korrekte Antwort: „Auf jeden Fall!“ Ich signalisierte mein Einverständnis, hätte gar nicht gewusst, wie man Nein sagt.
Natürlich zog ich nicht mal das Risiko in Erwägung, das ich da einging. Ich war ein junger Schauspieler, von dem noch niemand etwas gehört hatte, und spielte mit dem Risiko eines Desasters. Meine Karriere hätte an dem Abend enden können. „Shatner? Ist das nicht der Kerl, der sich beim Stratford Festival total blamiert hat?“
Wenn ich nun zurückschaue – 60 Jahre später –, empfinde ich für diesen jungen Typen große Bewunderung. Ich kann mich nicht erinnern, was ich damals