Paul McCartney - Die Biografie. Peter Ames Carlin

Paul McCartney - Die Biografie - Peter Ames Carlin


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von Jugendlichen Schlange standen, um die Shows zu sehen. Schließlich spielten sie dort selbst, nachdem die Quarrymen den Club im Oktober unter viel Zank und Streit verlassen hatten. Die Jungs hatten sich über Mo Best geärgert, die doch tatsächlich Ken Brown seinen Anteil an den wöchentlichen drei Pfund Gage ausbezahlt hatte, obwohl er krank gewesen war und gar nicht gespielt hatte, und daraufhin hatten sie nach einem hitzigen Streit alles hingeschmissen. Seitdem hatten sie geprobt und hin und wieder auf Partys gespielt, aber Derry And The Seniors waren als Band gut im Geschäft und betrachteten sich daher als Profis. „Wir guckten zu Anfang etwas auf sie runter“67, erinnerte sich der Seniors-Gitarrist Brian Griffiths. „Sie waren schon in Ordnung, aber keine große Band. Sie hatten nicht mal einen Schlagzeuger.“

      Der Rhythmus liegt in den Gitarren, lautete die Maxime der Quarrymen. Inzwischen spielte immerhin Stuart Sutcliffe bei ihnen Bass, nachdem er sich von den 60 Pfund, die er unerwartet mit einem Gemälde verdient hatte, dieses Instrument gekauft hatte. Dass er nicht spielen konnte, war kein Problem, hatten ihm John und Paul versichert. Das würden sie ihm schon beibringen, das konnte doch nicht so schwer sein. Es war jedenfalls leichter, als sich dem gemeinschaftlichen Willen von Lennon und McCartney zu widersetzen, und so hatte sich Stu pflichtschuldig einen Höfner-Bass angeschafft und war ein offizieller Moondog geworden. Sie hatten einen neuen Proberaum und übten nun im Keller des Jacaranda, ihres Lieblingscafés. Hier sah Griffiths sie zum ersten Mal, als sie auf die Tür zugingen, während er selbst, Sänger Derry Wilkie und Saxophonist Howie Casey gerade hinausgingen, um im Pub nebenan noch etwas zu trinken. Man unterhielt sich ein paar Minuten, und während John, Paul, George und Stu das Café betraten, blieben die anderen Musiker draußen im Nieselregen und beendeten das Gespräch mit Casey, der nun beschlossen hatte, nicht mehr mit in den Pub zu gehen. Er drehte sich um, und die anderen wollten ebenfalls gerade aufbrechen, als die Musik begann. „Daran kann ich mich noch ganz lebendig erinnern“68, sagt Griffiths. Er hörte den Anfangsriff von Chuck Berrys „Roll Over Beethoven“, dann setzte Johns energiegeladener Gesang ein und verband sich beim Refrain mit Pauls hellen Harmonien.

      „Es war faszinierend“, sagt Griffiths. Mit drei elektrischen Instrumenten in der Besetzung (nur Paul spielte noch immer Akustikgitarre) hatten sie einen ganz neuen Sound gefunden. „Es war Lennons Song, und er spielte diesen großartigen, rumpelnden Chuck Berry-Rhythmus. Ich konnte das gar nicht glauben, sah Derry an und fragte: ‚Sind die das?‘ Er sah daraufhin durch das Gitter über dem Kellerschacht und nickte: ‚Ja, das sind sie!‘ Ich sagte: ‚Verdammte Scheiße, das klingt aber echt gut!‘ Den Augenblick habe ich nie vergessen.“

      Die Dinge kamen allmählich richtig in Schwung. Stu konnte zwar nur sehr rudimentär spielen, aber seine Anwesenheit wurde zum Katalysator für die Band. Zunächst einmal war es ihm zu verdanken, dass John sich überhaupt wieder auf die Band konzentrierte. Und als John eines Abends im Februar zur Sprache brachte, dass sie sich wirklich einen besseren Namen einfallen lassen mussten als Johnny And The Moondogs, war es Stu, der John bei seinen Überlegungen über die schlichte Schönheit von Buddy Hollys Crickets zu Beetles lenkte, aus dem dann, dank Johns Lust an Wortspielen, Beatals wurde. Daraus entwickelte sich Beatles, und um der damaligen Mode zu entsprechen, machten sie Johnny Silver And The Beatles daraus, später verkürzt auf Silver Beatles. Manchmal hießen sie auch noch Silver Beetles, offenbar je nachdem, wer den Namen schrieb und welcher Wochentag gerade war.

      Als Allan Williams, der dreißigjährige Besitzer des Jacaranda, der offene Fragen auch gern mal mit der Faust regelte, durchblicken ließ, dass er seine damaligen Unternehmen – das Jac, eine Bar und einen Stripclub – zu einem Unterhaltungsimperium ausbauen wollte, zu dem auch Bands und Konzerthallen gehörten, fragte ihn John, ob er nicht Lust hätte, die Band zu managen. Williams war einverstanden und bekam den Auftrag, einen Schlagzeuger zu suchen. Wenig später präsentierte er der Band Tommy Moore, einen erfahrenen Musiker, der tagsüber in einer Flaschenfabrik arbeitete. Moore gehörte allerdings schon fast zu einer anderen Generation – mit seinen 36 Jahren war er mehr als doppelt so alt wie George oder Paul –, und sein Repertoire bestand größtenteils aus Jazzsongs und Shownummern. Aber er war verfügbar und besaß ein eigenes Schlagzeug, daher hießen sie ihn mit offenen Armen willkommen. Dennoch sollte Moore diese Entscheidung schon bald bereuen, denn auf der ersten Tournee der Band kam er beinahe ums Leben. Die Gruppe spielte auf einer zehntägigen Ochsentour durch die heruntergekommensten Tanzsäle Schottlands als Begleitband des weitgehend unbekannten jungen Sängers Johnny Gentle.

      Es war die große Chance für die Beatles/Silver Beatles/Silver Beetles. Oder hätte es sein können, wenn sie gut genug gespielt hätten, dass sie sich für ein Dauerengagement im Ferienort Blackpool empfohlen hätten, um den ganzen Sommer über den Liverpooler Sänger Billy Fury zu begleiten. Das war der eigentliche Grund für ihren Vorspieltermin gewesen. Stattdessen erhielten sie den Trostpreis und durften mit Gentle nach Schottland, auf eine Tour, die viel schlechter bezahlt war und nicht annähernd so viel Ansehen versprach. Dennoch brach die Band voller Hoffnung auf. Tommy war der Einzige, der sich keinen Bühnennamen zulegte, während Paul beispielsweise zu Paul Ramon wurde, weil er fand, dass der Name so herrlich geheimnisvoll klang. Sie alle schwelgten in der Vorstellung, on the road zu sein, von Stadt zu Stadt zu reisen, ein oder zwei Stunden richtig heißen Rock ’n’ Roll zu spielen, ein Mädchen aus der Stadt – oder auch ein paar mehr – aufzureißen und dann im Morgengrauen mit dem heruntergekommenen Bus zu verschwinden, der sie, Johnny Gentle und ihre Ausrüstung transportierte. Eine dieser Fahrten endete beinahe in einer Katastrophe, als der Fahrer – Mr. Gentle alias John Askew persönlich – kurz nicht aufpasste und mit einem anderen Auto zusammenstieß. Schlagzeuger Tommy bekam den Aufprall am härtesten zu spüren; er brach sich die Nase und schlug sich ein paar Zähne aus. Am Abend bei der Show in Aberdeen saß er trotzdem am Schlagzeug, aber der Vorfall trübte seinen Spaß am Rock ’n’ Roll-Leben. Ein paar Tage später war die Band wieder in Liverpool, gab noch ein oder zwei Konzerte und war dann erneut auf der Suche nach einem Schlagzeuger.

      Aber jetzt hatten sie genug Tourneeluft geschnuppert, um alles daranzusetzen, weiter an ihrer Musikerkarriere zu basteln. Den Juli über sorgten sie für die musikalische Begleitung einer Stripperin in Williams’ neustem Club. „Kein wichtiges Kapitel in unserem Leben“69, erklärte Paul später. „Aber ein interessantes.“ Als sie im Schatten hinter dem tanzenden Mädel standen und ihre Gitarren schlugen, ahnten sie nicht, dass ihnen ein noch interessanterer und wesentlich wichtigerer Schritt bevorstand. Als der Sommer zu Ende ging, brachen sie nach Hamburg auf, und dort sollte aus einer Band talentierter Amateure aus den südlichen Vorstädten Liverpools etwas ganz anderes, viel Größeres werden.

      Das Angebot traf bei Williams ein, der über gewisse halbseidene Kontakte den ungehobelten, aber meist recht charmanten deutschen Club­besitzer Bruno Koschmider kennengelernt und sich mit ihm angefreundet hatte. Koschmider, der auf Hamburgs Reeperbahn einige Clubs führte, brauchte Rockmusik, um Publikum in seine Bars zu locken. Britische Bands hatten einen Nimbus, der den heimischen Gruppen abging, und so verbanden sich die Interessen der beiden ideal: Wenn Williams eine seiner Liverpooler Bands an Koschmiders Läden vermitteln konnte, bekamen die Musiker ein langfristiges Engagement, das Williams eine ordentliche Provision einbrachte, und Koschmider verdiente gut am Umsatz mit Bier und Schnaps, wenn die Rockfans in seine Clubs strömten. Und so schickte Williams als Erstes Derry And The Seniors nach Deutschland, die im Juli mit ihrem energiegeladenen Rhythm & Blues den Kaiserkeller erbeben ließen. Das Geschäft mit dem Rock ’n’ Roll lief so gut, dass Koschmider beschloss, auch einen seiner anderen Läden, den Stripschuppen Indra, in einen Musikclub umzuwandeln. Und das bedeutete, dass er eine weitere Band, am besten auch aus England, für die briefmarkengroße Bühne dort brauchte. Williams fragte die Beatles (die inzwischen das Silver endgültig aus ihrem Namen gestrichen hatten), stellte aber eine Bedingung: Sie würden einen Vollzeit-Schlagzeuger brauchen.

      Das war leichter gesagt als getan. Nur wenige Wochen zuvor war der letzte Kandidat, der mit einem schönen harten Schlag gesegnete, zwanzigjährige Norman Chapman, zum Wehrdienst einberufen worden. Wo sollten sie so schnell einen neuen Drummer finden? Ganz in ihrer Nähe, wie sich bald herausstellte. Pete Best, der umgängliche, wenn auch schweigsame Sohn der Casbah-Besitzerin Mo Best, hatte bereits für eine neue Band namens The Blackjacks getrommelt. Aber die lösten sich gerade auf, und daher nahm Paul den Telefonhörer in die Hand und machte Pete den folgenden Vorschlag: Die Beatles hatten ein


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