Roland Emmerich. Jo Müller
der mit mir zusammen eine Art amerikanischer Fraktion auf der Filmhochschule in München bildete. Auch er war als Teenager oft in Amerika. Während unserer Studienzeit besuchte er einmal Verwandte in Kalifornien und brachte einen Sticker zurück: HFF – see you in Hollywood. Den klebten wir auf mein Auto und es haben sich alle furchtbar darüber aufgeregt. Dabei war es von uns nur als Spaß gemeint. Wir provozierten da aber natürlich schon ein bisschen. Es gab auf der HFF immer endlose Diskussionen, wenn Filme neu herauskamen. Und als Star Wars gestartet war, wurde er von den meisten Studenten als purer Kommerz abgetan. Wir aber sagten: „Es ist auch ein guter Film!“ Das war die Zeit, in der ich mich an der Filmhochschule, sehr zum Entsetzen vieler, zu meinen US-Vorbildern bekannte. Ich sagte, dass ich nichts mit Wim Wenders oder Rainer Werner Fassbinder anfangen könne. Meine Helden waren Martin Scorsese, Francis Ford Coppola, Steven Spielberg oder George Lucas. Sie waren mir wesentlich näher als die deutschen Filmemacher. So unglaublich das heute klingen mag: Aber wenn man so etwas damals auf der HFF offen sagte, ging ein Aufschrei durch die Klasse. In dieser Zeit begann sich eine kleine Gruppe zu bilden, die sich zum Hollywood-Kino bekannte. Ossi von Richthofen, Gabi Walther oder Egon Werdin. Wir waren Studenten, die kommerzielle Filme machen wollten, keine Kunst. Als Provokation antwortete ich immer auf die Frage, wer mein Regievorbild sei: Harald Reinl. Der hatte Winnetou- und Edgar-Wallace-Filme gemacht. Natürlich war er nicht mein Lieblingsregisseur, aber ich wollte mir diese Provokation nicht entgehen lassen.
Das SOLO-Imperium und der Emmerich-Clan:
Die Wurzeln
Vielleicht war es Liebe auf den ersten Blick. Sehr wahrscheinlich sogar. Aber so genau weiß sich Hilde Klein nicht zu erinnern. Denn 1947 tauschte sie noch romantische Briefe mit einem anderen jungen Mann aus, einem Grenzer, den sie erst kurz zuvor im Urlaub kennengelernt hatte. Da stand eines Tages plötzlich Hans Emmerich vor ihr. Er kam als ehemaliger Leutnant aus der französischen Kriegsgefangenschaft zurück und suchte eine Bleibe. Und im Hause Klein war eine Wohnung freigeworden, die tatsächlich an ihn vermietet werden konnte. Auch Hans hatte während des Krieges, als er verwundet im Krankenhaus lag, jemanden kennengelernt, dem er schrieb.
Hilde, die damals Anfang 20 war, zeigte sich jedoch schon bald von dem „klapperdürren“ Neuankömmling sehr angetan. Denn der packte überall mit an, war hilfsbereit und sich für nichts zu schade. Ein echter Macher eben! Er half auch mit, den hauseigenen Wein zu verarbeiten. „Mir hat gefallen“, so erinnert sie sich heute, „dass er sehr spontan, witzig und ein echter Workaholic war. Wie ich auch.“
Bald schon begann er mit seinem älteren Bruder Heinz in der Scheune der Familie Klein zu basteln und zu tüfteln. Die beiden hatten sich nach dem Krieg zusammengesetzt, um zu überlegen, womit sie ihren Lebensunterhalt verdienen könnten. Heinz war der Ingenieur, Hans der Kaufmann. Eine perfekte Kombination. Sie kamen dann auf die Idee, leichte Verbrennungsmotoren zu entwickeln, die in tragbare Geräte eingebaut werden konnten. Und so kam es zur bahnbrechenden Erfindung mobiler Motorsprühgeräte, die beide reich machten.
Und weil diese tragbaren Sprühgeräte von Einzelpersonen benutzt werden konnten, kam es zum Firmennamen SOLO. Am 10. Februar 1948 wurde die eigene Firma gegründet. Die beiden Brüder hatten sofort riesigen Erfolg und reisten von Messe zu Messe. Die Geräte wurden ihnen dabei regelrecht aus den Händen gerissen. Damit war der Grundstein für ein kleines schwäbisches Firmenimperium gelegt, das schließlich in der ganzen Welt bekannt wurde. SOLO eröffnete Filialen und Werke u.a. in den USA, Südamerika, Australien, Frankreich und der Schweiz. Neben Sprühgeräten stellte die Firma aber auch schon bald andere Gerätschaften her, ob Rasenmäher, Motorsägen oder Mofas, und eroberte damit den Markt. 1972 z.B. brachten die Brüder mit dem Solo 720 das erste Elektro-Mofa der Welt auf den Markt, wofür sie später vom Bundeswirtschaftsminister ausgezeichnet wurden. Durchsetzen konnte es sich aber auch in der Zeit der Ölkrise nicht, was mit dem hohen Preis von damals 1.100 Mark zu erklären ist.
Hilde Klein erlebte den Aufstieg der Firma hautnah mit, denn sie wurde am 25. Februar 1950 zu Hilde Emmerich. Schon nach kurzer Zeit waren Hans und sie sich in der Blautopfstraße 18 in Stuttgart-Obertürkheim näher gekommen. Immer, bevor er sich auf den Weg zu einer Messeveranstaltung machte, schrieb Hans ihr kleine romantische Briefchen. Wovon freilich Hildes Eltern anfangs nichts wissen durften. Gleichzeitig beendeten die beiden ihre Korrespondenzen mit ihren früheren Bekanntschaften. Und nachdem auch Hildes Vater sich von dem hilfsbereiten jungen Mann begeistert zeigte, stand einer Heirat schließlich nichts mehr im Wege.
In der Blautopfstraße kamen schließlich auch die vier Kinder auf die Welt: 1951 Wolfgang, 1954 Andreas, 1955 Roland und schließlich 1961 Ute.
Später ließ sich das Ehepaar Emmerich eine ebenso große wie moderne Flachdach-Villa auf einer Anhöhe im schwäbischen Industrieort Sindelfingen bauen. Ein wundervolles Areal mit eigener Quelle, Hallenbad, üppig bepflanztem Garten und herrlichem Blick über die Stadt. Die perfekte Idylle. Vor allem auch für Kinder. Dorthin zog die Familie 1963. Hilde Emmerich lebt noch heute dort. Sie sei hier „einfach fest verwurzelt“ und liebe den Garten, das ganze Terrain, nach wie vor heiß und innig. Ihr Mann Hans verstarb überraschend am 1. Januar 2005. Er erlag einem Herzinfarkt. Die Söhne Wolfgang und Andreas hatten zu diesem Zeitpunkt schon längst die Geschäftsführung von SOLO übernommen.
Roland und Ute wiederum leben und arbeiten bereits seit 1990 in der Film-Traumfabrik von Los Angeles.
Interview mit Hilde Emmerich:
„Kein Durchschnittskind“
An welche Anekdoten erinnern Sie sich, wenn Sie an Ihren Sohn als kleinen Jungen denken?
HE: In besonderer Erinnerung ist mir folgende Situation: Wir waren erst kurz zuvor in unser neues Haus in Sindelfingen umgezogen, das sich auf einem Hügel befindet. Damit die Kinder richtig spielen konnten, haben wir vieles begradigt – aber trotzdem kam es zu einem Unfall. Roland spielte Fußball, rannte den Garten hinunter und fiel über die Mauer. Er brach sich dabei das Handgelenk und musste ins Krankenhaus. Weil ihm später oft der Arm auskugelte, dachte ich lange Zeit, dass das vielleicht eine Folge des Sturzes war …
Wie war er als Kind?
HE: Roland war kein Durchschnittskind, wie ich finde. Er fiel schon im Kindergarten durch seine künstlerische Begabung auf und konnte wirklich toll zeichnen und malen. Während seiner Schulzeit half er auch einer Klassenkameradin, die Mode studieren wollte, indem er ihr für die Bewerbungsmappe alle Zeichnungen erstellte. Er hatte immer großartige Ideen und lief nie mit der Masse mit. Auch war er alles andere als ein Rowdy. Im Gegensatz zu seinem Bruder Andy hatte er auch keinen riesigen Freundeskreis, sondern verhielt sich eher zurückhaltend. Roland suchte seine Freunde genau aus. Allerdings war er schon sehr lebendig, unruhig und hatte immer was am Laufen. Als Kind ist er manchmal mit seinen Geschwistern und seiner Cousine Renate auf Friedhöfen herumgewandert und hat sich über die absurden Namen auf manchen Grabsteinen amüsiert. Renate erzählt immer, das sei gewesen wie bei Tom Sawyer und Huckleberry Finn. Er hat später mit 15 oder 16 immer Grabsteine und Särge gemalt. An seinem 21. Geburstag ließ er sich schließlich in einem Sarg beerdigen. Er hat das damals im Geheimen zelebriert, auf einem angemieteten Gartengrundstück, mit engen Freunden. Mein Mann und ich wussten nichts davon. Als ich es später erfahren habe, war ich geschockt. Aber es hat wohl mit seinem schwarzen Humor zu tun, vielleicht auch mit Surrealismus, der ihm sehr gefiel. Was Roland vor allem war: Ein absoluter Bücherwurm. Ich kann mich erinnern, dass er z.B. schon als Steppke alles von Hermann Hesse gelesen hatte. Aber auch wenn Roland manchmal etwas eigen war, zu den Familien-Ausflügen ging er immer mit, selbst wenn er vielleicht das eine oder andere Mal gar nicht so viel Lust darauf hatte. Beispielsweise waren wir lange Zeit jeden Samstag auf der Teck, weil unser Sohn Wolfgang gerne Modellflugzeuge steigen ließ und später auch zum Segelflieger wurde. Im Übrigen erlebten wir viele klassische Familienurlaube, an die ich immer noch wundervolle Erinnerungen habe. Im Winter waren wir oft im Engadin Skifahren, im Sommer in Spanien, an der Costa Brava.
Wie haben Sie die ersten filmischen Gehversuche Ihres Sohnes erlebt?
HE: Wir konnten zuerst nicht so viel damit anfangen. Weil es halt so was ganz anderes war. Andererseits war auch beispielsweise mein Mann Hans sehr filmbegeistert. Er drehte