Peter Gabriel - Die exklusive Biografie. Daryl Easlea

Peter Gabriel - Die exklusive Biografie - Daryl  Easlea


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hier hieß es schlicht: „Genesis In Concerto“. An manchen Abenden trat ein akustischer Act vor ihnen auf, aber es bestand keine Eile, ihr Equipment im Anschluss aufzubauen, und das Publikum lauschte aufmerksam und war bereits mit ihrem Material vertraut.

      Paul Conroy begleitete die Band und übernahm die Rolle eines inoffiziellen Road-Managers. „Nach Italien zu fahren“, erinnert sich Conroy, „war eine Riesenmöglichkeit für sie. Es gab ein Grüppchen von drei oder vier italienischen Konzertveranstaltern, die ins Marquee kamen und nach Acts schnüffelten, die sie nach Italien bringen könnten. Einer von ihnen, Maurizio Salvatore, war derjenige, der Genesis mitnahm. Es war ein bisschen wie im Wilden Westen da unten. Uriah Heep tourten in Italien und weigerten sich, auf kleinen Bühnen aufzutreten. Der Konzertveranstalter zerschoss daraufhin die Reifen ihres Vans. Als ich das erste Mal mit Van Der Graaf Generator dorthin fuhr, brach auf der Straße ein Aufstand aus.“

      Genesis und Conroy kamen sich auf der Tour näher: „Es freute sie, mich in Italien dabeizuhaben. Ich reiste mit ihnen und hielt meine Ohren offen. Wir halfen alle zusammen.“ Alles lief ein wenig anders ab, als man das von den Konzerten in England gewohnt war. „Wir spielten in der Regel zwei Shows. Zuerst eine um drei Uhr am Nachmittag, damit auch Mädchen kommen konnten. Und bevor wir dann die zweite Show spielten, aßen wir noch zu Abend“, sagt Conroy. Es war eine großartige Lernerfahrung: „Zwei, drei Wochen jeden Abend aufzutreten, war fantastisch für sie, weil sie in England dazu nie die Möglichkeit bekamen. Man spielte halt mal am Freitag und dann noch am Samstag, aber sonst ergaben sich nicht wirklich mehr Gigs für sie. Sie waren nur schwer an den Mann zu bringen, weil sie in vielen englischen Clubs nicht auftreten wollten, was an ihrer Ausrüstung lag. Sie spielten an ein paar der größeren Örtlichkeiten, aber es waren die David Stopps dieser Welt, die ihnen erlaubten, auf Kurs zu bleiben.“

      Für Gabriel war die Tour der Beginn einer Liebesbeziehung zu Italien, die schließlich drei Jahrzehnte später darin gipfeln würde, dass er sich ein Hotel auf Sardinien kaufte. „Die starken Melodien und sakralen Einflüsse schienen in der Mittelmeer-Region gut anzukommen“, sollte er später sagen. „Je weiter südlich wir auftraten, desto wärmer war der Empfang.“ Und das wirkte sich wiederum sehr förderlich auf das kreative Klima aus: Während eines Soundchecks am 12. April im Palasport in Reggio entstand der Song „Watcher Of The Skies“, der zu einem Eckpfeiler der nächsten Phase von Genesis werden sollte. Mit seinen seltsamen Arrangements, den Auftritten am Nachmittag, den Mahlzeiten zwischen den Konzerten und einer Show vor 20.000 Menschen in Rom war Italien ein großer Schritt für Genesis hin zu jener Liveband, die wir heute kennen. Detailverliebt analysierten sie jeden Tag auf dem Weg in die nächste Stadt die Performance des Vorabends. „Jedes Mal, wenn ich mit ihnen mitfuhr, mussten wir uns im Van die Aufnahme des Konzerts vom Vorabend anhören“, lacht Conroy. „Sie waren eben Perfektionisten. Und wenn wir uns durch die vier Stunden lange Aufnahme gekämpft hatten, spielten sie die Shadows.“

      „Es bestand stets die Absicht, noch besser zu werden“, ergänzt Steve Hackett, „was sich anhört, als würde man es in einer Grabesrede verwenden können!“

      „Wir steckten irgendwie fest – und dann sahen wir in Italien diesen Silberstreifen am Horizont“, sagt Mike Rutherford. „Es war sehr harte Arbeit, wir mussten uns einen steilen Anstieg hinauf kämpfen. Plötzlich ein Land zu finden, in dem du gemocht wirst … Es braucht gar nicht so viel, damit sich alles auszahlt.“

      ***

      Zurück in Großbritannien war der Terminplan der Band erbarmungslos, aber Conroy versichert, dass zwischen der Agentur und Genesis Einverständnis herrschte: „Peter rief mich aus einer Telefonzelle aus Whitely Bay an. Ich hatte sie zu einem Freitagskonzert geschickt, das aber abgesagt wurde, und vergessen, ihnen zu sagen, dass sie am nächsten Abend in Sunderland spielen würden. Die Agentur musste ihnen nun Geld für ein Hotel zuschießen, aber ich denke, das war das einzige Mal, dass wir Mist bauten.“ Am 29. Mai spielte die Gruppe auf dem Great Western Festival in Bardney. Das Festivalgelände hatte sich durch heftigen Regen in einen Sumpf verwandelt und Genesis spielten auf der Hauptbühne zwischen den Sutherland Brothers und Status Quo.

      Bei diesem Gig vertraute Gabriel erstmals auf einen neuen Look, der an einen stark geschminkten ägyptischen Prinz mit teilweise rasiertem Schädel (entweder der Ausdruck eines unterbewussten Bedürfnisses, sich der Hare-Krishna-Bewegung anzuschließen, oder ein fataler Rasierunfall, wie er selbst scherzte) erinnerte. In einer Ära, als Marc Bolan und David Bowie Make-up trugen, war das nicht so außergewöhnlich, aber trotzdem vollbrachte es Gabriel – was bemerkenswert ist –, für einen Rockstar ungewöhnlich und im Großen und Ganzen sehr, sehr seltsam auszusehen. Erwähnenswert war auch, dass die Nummer „Watcher Of The Skies“ – nebst dem mittlerweile feinst ausgefeilten und auch auf dem Festland erprobten Material – zu seinem Live-Debüt kam. Das feuchte Wetter wirkte sich sehr nachteilig auf das Mellotron aus und die ganze Band musste sich mannhaft durch den nachmittäglichen Auftritt kämpfen, doch war auch klar erkennbar, dass sie immer makelloser wurden. Obwohl Gabriels Look ziemlich abgefahren war, behauptete Tony Banks 2004, dass das Publikum ihren Aufwand und ihre Mühe nicht zu würdigen wusste. „Sie mochten uns nicht. Wir traten am Nachmittag auf und da war keine Stimmung, nichts. Es regnete. Echt beschissen. Wir waren leider nie eine gute Festival-Band, dafür war die Musik zu komplex.“

      Der Tour-Van rollte über die Schnellstraßen Großbritanniens – und doch gab es wenige Gelegenheiten, über die Stränge zu schlagen. Gabriel und Jill reisten oft getrennt von der Band, was auch auf Banks und seine Bald-schon-Ehefrau Margaret zutraf. Macphail, Collins und Rutherford waren noch eher für traditionelle Albernheiten zu haben. „Peter, Jill, Margaret und ich bildeten eine soziale Einheit“, sagt Tony Banks. „Wir unternahmen viel miteinander. Margaret und Jill sind heute noch befreundet. So viel hat sich seitdem verändert, da ist es nicht ganz leicht, sich an all das zurückzuerinnern. Wir waren jung, extrem naiv und grün hinter den Ohren. 19-Jährige können heutzutage ziemlich pfiffig und abgeklärt sein, aber wir waren noch nicht ganz ausgereift. Mit 17 waren wir wie heute 13-Jährige gewesen. Wir stammten aus dem System der Privatschule, also fühlten wir uns unglaublich unbehaglich und waren sehr schüchtern.“

      „Mike, Phil und ich waren diejenigen, die gerne kifften“, sagt Macphail. „Allerdings nur auf dem Rückweg von einem Gig. Da gab es ein bestimmtes Straßenschild auf der M1, das unser Startsignal war. Phil reiste gerne mit der Crew im Van. Da waren Hillman Imp, Gerard Selby und ich. Phil fuhr mit uns, weil er gerne etwas früher vor Ort war. Ich hatte einen Kassettenrekorder und er bastelte diese unglaublichen Mixtapes mit Yes und John McLaughlin drauf.“

      „Richard spielte eine sehr zentrale Rolle“, sagt Hackett. „Er war rund um die Uhr für die Band da. Er machte alles großartig und stets mit einem Lächeln im Gesicht.“ Am 16. Juni 1972, bei einem der vielen Auftritte im Friars, erreichte die Band einen Meilenstein in ihrer Karriere. „Ich war der erste, der ihnen 100 Pfund bezahlte“, sagt Stopps. Er hatte, nachdem er ihnen bei ihrem ersten Auftritt in Aylesbury 10 Pfund gezahlt hatte, ihre Gage kontinuierlich angehoben. „Peter schüttelte mir auf der Bühne deswegendie Hand.“ Diese 100 Pfund wären heute ein bisschen mehr 1.000 Pfund wert. Das wäre gutes Geld gewesen, wenn die Band jeden Abend in der Woche gespielt hätte, aber so war es noch immer nicht genug, um die anwachsenden Schulden der Band einzudämmen. Die Geldsorgen, zu wenig Ausrüstung und die Tatsache, dass ihr Schaffen zwar respektiert wurde, aber nicht unbedingt eine Begeisterungswelle auslöste, führte zu einem gewissen Grad an Unsicherheit. Vielleicht hätte Gabriel doch auf die Londoner Filmschule gehen sollen.

      Gerade einmal zwölf Tage später, am 28. Juni, verschaffte Stopps der Band einen weiteren Schub, indem er für sie eine besondere Show on der Watford Town Hall organisierte. Da er begriff, dass die Band schon bald zu populär für seine Auftrittsmöglichkeiten sein würde, veranstaltete er das Konzert als eine Art Dankeschön für die fruchtbare Zusammenarbeit. Aber es war auch eine Art Auffrischung ihres Selbstvertrauens. „Sie hatten diese schräge Phase, in der ihr Equipment ständig kaputtging und sie ein bisschen finanzielle Unterstützung nötig hatten, damit sie sich eine anständige Ausrüstung oder einen weiteren fähigen Roadie leisten konnten, der sich so um die Ausrüstung kümmerte, dass sie nicht dauernd kaputtging. Ich hatte Angst, dass sie sich auflösen würden, da sie eine so wichtige Rolle für unsere Unternehmungen spielten.


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