Das großartige Leben des Little Richard. Mark Ribowsky

Das großartige Leben des Little Richard - Mark Ribowsky


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Cent für jedes verkaufte Exemplar. Dies war und blieb über Jahrzehnte hinweg typisch, sogar für einige sehr erfolgreiche Musiker – auch weiße –, die auf die Gelegenheit ansprangen, in ein Studio zu gelangen, was an sich schon lohnte. Wenige verdienten überhaupt etwas, und mancher fiel auf windige, raffgierige Manager herein, die es auf leichtgläubige, verzweifelt um Geltung ringende junge Männer abgesehen hatten. 1951 war Little Richard einer davon.

      * * *

      Zwei Monate vor seinem 19. Geburtstag durfte Richard Wayne Penniman legal ohne Buds oder Leva Maes Einverständnis Verträge unterzeichnen. Er tat dies und betrat das WGST-Studio am 16. Oktober für seine allererste Session beziehungsweise Performance ohne Publikum. RCA zahlte dafür, und heraus kamen unter der Ägide eines RCA-eigenen Produzenten seine ersten vier Songs, für die er auch das Klavier einspielte, begleitet von Billy Wrights Band. Das ausgesuchte Material passte zu dessen Repertoire. Die erste Aufnahme „Get Rich Quick“ war eines von zwei Liedern aus der Feder des britischen Blues-Komponisten Leonard Feather und ein Jive, wofür Richard zu Albert Dobbinsʼ flammenden Saxofonsolos sang und kreischte. Heute geht die Nummer als reiner Rock ’n’ Roll durch. „Taxi Blues“, der zweite Track von Feather, schlug in dieselbe Kerbe, klang aber bluesiger. Konträr dazu gerierte sich Richard mit seinen beiden eigenen Stücken, den Blues-Balladen „Every Hour“ und „Why Did You Leave Me“, als schablonenhafter Schnulzensänger. Wegen des zu hohen Registers überschlug sich seine Stimme am Rande des sexuell Zweideutigen: Männlein oder Weiblein?

      Das Ganze war durchaus hörenswert, aber kaum ergreifend. Seltsamerweise klang Richard bei diesen Aufnahmen älter als ein halbes Jahrhundert später – so verklemmt, dass man den Eindruck gewann, sie seien in einem langsameren Tempo mitgeschnitten worden. Rückblickend lässt sich argwöhnen, fehlende Publikumsresonanzen und die gemeinhin beschwerliche Studioarbeit hätten der Session empfindlich viel Energie geraubt. RCA erhoffte sich am meisten von „Taxi Blues“ und veröffentlichte es mit der Katalognummer 47-3292 im November als Single. „Every Hour“ landete auf der Rückseite. Als Zenas Sears (wer sonst?) die A-Seite zum ersten Mal über den Äther jagte, blieben die Hörer des Senders davon unbeeindruckt, woraufhin Richard zur Tagesordnung zurückkehrte und die Clubs abklapperte.

      Nachdem der Moderator die Scheibe umgedreht hatte, schlug „Every Hour“ einige Wellen, sodass sich Wright bewogen fühlte, flugs seine eigene Version aufzunehmen. Richards Original lief außerhalb Georgias selten im Radio, und ihm blieb die Spucke weg, als er es im Programm eines Senders aus Nashville hörte. „Das ist mein Song!“, soll er gejauchzt haben. Nicht lange, und die Jukeboxen in Macon und Atlanta waren mit dem Lied bestückt – darunter eine, die Little Richard alles bedeutete.

      Bud gab nun mit seinem einst verschmähten Sohn an und fütterte die Box sogar selbst mit Münzen, um die Nummer laufen zu lassen. „Mein Daddy war zum ersten Mal in seinem Leben stolz auf mich“, erzählte Richard. Dieser Stolz ging mit der Annahme einher, der Sohn würde seinem Vater zwar zuwiderhandeln, indem er Teufelsmusik sang und sich einem anormalen Lebensstil hingab, doch der Song entschädigte sozusagen dafür, weil er auf relativ herkömmlichem Rhythm ’n’ Blues aufbaute. Dies reichte Bud, um Richard bitten zu können, unter sein Dach in der Fifth Avenue zurückzukehren – das Zuhause, aus dem Junior verstoßen worden war. Ferner setzte er sich als inoffizieller Berater für ihn ein. Der Junge fand, die Aufnahmen hätten sich schon wegen dieser neuerlichen Annäherung allein gelohnt. Er zog wieder ein und holte viel Versäumtes mit seinem Vater nach.

      Bald führte der lokale Erfolg von „Every Hour“ dazu, dass der Name Little Richard Managern aus der Unterhaltungsbranche auffiel. Horace Silver, der den Blues-Bassisten Percy Welch und dessen Ensemble vertrat, besuchte die Pennimans und bot dem Sohn einen Vertrag an. Nachdem Richard ihn durch Bud bestärkt unterschrieben hatte, ging er wieder auf Achse, wobei er in Sälen des sogenannten Chitlinʼ Circuit und Underground-Clubs für Homosexuelle auftrat. Er verdiente gutes Geld, da ihm Welch 100 Dollar wöchentlich zahlte, doch die Erfahrungen, die er in der turbulenten Unterwelt des Rhythm ’n’ Blues sammelte, waren unbezahlbar. Sein nächstes Vorbild wurde der Sänger und Pianist Eskew Reeder, der sich offen zum Schwulsein bekannte, wie Billy Wright schminkte und dazu wuschelige Perücken sowie coole Panoramasonnenbrillen trug, die als Accessoire zu einem Muss für jeden Rocker wurden. Richard bestaunte Reeders Fähigkeit, noch zusammenhängende Melodien zu spielen, indem er auf die Klaviertasten der höchsten Oktave einhämmerte, was zur manisch verzückten Stimmung bei seinen Auftritten beitrug. Als Richard ihn darauf angesprochen hatte, schaute Reeder bei ihm vorbei und zeigte auf einem tragbaren Keyboard, wie es funktionierte.

      Am langen Zeitstrahl der Geschichte gemessen waren solche Personen lediglich wie vorbeifahrende Schiffe in einer Nacht, die für Richard gerade erst ihren Anfang nahm. Sie fanden trotzdem Platz in seinem Herzen – und umgekehrt sollte er ihnen später den Einzug in die beginnende Ära des Rock ’n’ Roll erleichtern. Welch etwa machte mit seiner Band unter dem Banner Percy Welch and His House Rockers Aufnahmen und hatte mit dem schlüpfrigen „Back Door Man“ 1957 (nicht zu verwechseln mit dem bekannten identischen Titel von Willie Dixon) ein wenig Erfolg. Reeder seinerseits ging mit unter den Pseudonymen Esquirita und Magnificent Maloochi ins Studio, um an Little Richard gemahnende Stücke wie „Hey Miss Lucy“ oder „Rockinʼ the Joint“ einzuspielen.

      Der wildere, lautstärkere Blues, der die Clubs des Chitlinʼ Circuit zum Kochen brachte, war Richards Steckenpferd, aber zu arg für RCA, also wurde er in die konventionelle, sichere Blues- und R&B-Ecke gestellt. Von einer für Januar 1952 anberaumten zweiten Aufnahmesitzung erwartete das Label weitere gleichgelagerte Songs, doch statt sich auf den Studioaufenthalt zu freuen, fühlte sich Richard missbraucht und unter Wert verkauft. Wenn er auch Distanz zu seinem Vater abbaute, indem er die Karriereleiter hochkletterte, gewann er dadurch kaum mehr Vertrauen in sein Talent. Bud glaubte offenbar, „ich sei berühmt, doch das stimmte nicht.“ Er war orientierungslos und sich seiner selbst nicht sicher. Mochte sein Vater ihm auch wohlgesinnt sein, so befürchtete er, Gott sei es vielleicht nicht.

      * * *

      Richard nahm diese gemischten Gefühle und eine innere Unzufriedenheit am 12. Januar 1952 mit ins WGST-Studio. Die Stücke, die er an jenem Tag aufnahm, wirken entwaffnend, und ihre Titel hätten ihm auf der Couch eines Seelenklempners eingefallen sein können – „I Brought It All On Myself“, „Please Have Mercy On Me“, „Ainʼt Nothinʼ Happening“. Nur das Letzte hatte er selbst geschrieben. Von den anderen stammte eines von Leonard Feather, der Rest von den Jazz- und Blues-Songwritern Howard Biggs und Joe Thomas, die schon für Jelly Roll Morton komponiert hatten und den Doo-Wop-Satzgesang der 1950er von Gruppen wie den Ravens oder Beavers vorwegnahmen; Biggs arrangierte auch einen der größten Crossover-Hits der Dekade, „Get a Job“ von den Silhouettes.

      Richards Tracks, bei denen ihn erneut Billy Wrights Band begleitete, waren solide, aber größtenteils genauso gestrickt wie die vorangegangenen. Er raunte abermals bluesig tief, glanzlos ohne spürbaren Eifer, und die Band setzte entsprechend wenige Akzente. Es handelte sich wohlgemerkt um relativ zweckdienlichen Blues, faszinierende Merkwürdigkeiten und auf sein Gesamtwerk bezogen Entwicklungsschritte, obgleich nur wenige sie hörten, als RCA Anfang Februar Richards zweite Platte veröffentlichte, die „Get Rich Quick“ auf der A- und „Mother“ auf der Rückseite enthielt.

      Gerade als die erste Nummer mit ihrem Wunschdenken widerspiegelnden Titel wie zu seinem Spott im steten Turnus bei WGST zu laufen anfing, erlitt Richard einen Rückschlag, der sein Leben auf den Kopf stellte, wobei sein Glaube zum ersten, aber nicht letzten Mal auf die Probe gestellt wurde.

      Es geschah am Abend des 12. Februar 1952. Der schneidige, 41-jährige Bud Penniman mischte sich unter die Gäste des Tip In Inn, als etwas Eigenartiges die Musik und das Geplänkel am Tresen unterbrach: In der Küche knallte es mehrmals laut und heftig. Er ging nachschauen und traf den in der Gegend bekannten Hallodri Frank Tanner an – Richard nannte ihn Jahre später in befremdlicher Weise seinen „besten Freund“ –, der Feuerwerksböller in einen Ofen warf, wo sie nacheinander explodierten. Zunächst tat Bud nichts weiter, als ihn zum Aufhören zu ermahnen, doch da sich Tanner nichts sagen ließ, wurde er aus dem Club geworfen. Draußen auf dem Bürgersteig schloss er sich einer Gruppe von Halbstarken an, die ein- und ausgehende Leute anpöbelten. Nun ging Buds berüchtigtes Temperament


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