Der Iceman. Anthony Bruno

Der Iceman - Anthony Bruno


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und klemmte sich die Zeitung unter den Arm. »Willst du ’n Kaffee?«

      »Klar.«

      Kuklinski ging um den Shark herum und streckte ihm die Hand entgegen.

      Dominick ergriff sie mit absichtlich ausdrucksloser Miene, um seine wahren Gefühle nicht nicht zu verraten. Er schüttelte die Hand eines Killers, eine Hand, die viele, viele Leben ausge­löscht hatte. Eigentlich hatte er einen festen, zupackenden Griff erwartet, statt dessen war er verblüffend sanft.

      »Man nennt dich Dom?« Die weiche und leise, fast singen­de Stimme des Iceman passte zu seinem Händedruck.

      »Ja, ist eine Abkürzung meines zweiten Vornamens.«

      Kuklinski nickte, als denke er über etwas nach. »Nenn mich Rich.«

      »Okay.«

      Sie betraten das Dunkin’ Donuts, einen öden und men­schenleeren Schuppen. Eine junge schwarze Kellnerin in einer beigefarbenen Uniform verteilte Doughnuts auf große Metalltabletts, die an der rückwärtigen Wand aufgereiht waren. Ein halbwüchsiger Latino in zerrissenen Jeans, der seine Haare zu einer Punkfrisur hochgetürmt und an den Seiten mit ausrasierten Mustern verziert hatte, verschlang einen Honig-Doughnut und schlürfte Limo aus einem Papp­becher. Im Hintergrund dudelte leise Instrumentalmusik.

      Kuklinski deutete auf die Plätze am anderen Ende der Theke, so weit wie möglich von der Kellnerin und dem Jungen entfernt. Er wollte keine unbefugten Lauscher, was ›Michael Dominick Provenzano‹ nur recht war.

      Die Kellnerin kam zu ihnen. »Kann ich Ihnen was brin­gen?«

      »Ja, zwei Kaffee«, sagte Dominick und schaute zu Kuklins­ki.

      »Willst du ’n Doughnut oder so was?«

      »Ich nehme ein Zimtbrötchen, wenn’s das gibt.«

      Das Mädchen nickte. »Für Sie auch, Sir?«, fragte sie Domi­nick.

      Er überlegte eine Sekunde und schüttelte dann den Kopf. Normalerweise hätte er sich einen einfachen Doughnut oder irgendeine Kleinigkeit bestellt, aber als er Kuklinskis Taillenumfang sah, änderte er seine Meinung. Dominick achtete darauf, in Form zu bleiben. Er joggte möglichst jeden Tag und ging regelmäßig in ein Fitnessstudio, doch sobald er etwas nachlässiger wurde, schien er über Nacht zehn Pfund zuzulegen, und die Arbeit als verdeckter Ermittler förderte nicht gerade eine gesunde Lebensweise. In seiner Rolle als Michael Dominick Provenzano verbrachte er fast neunzig Prozent seiner Zeit damit, irgendwo herumzuhängen, Kaffee zu trinken, Dreck zu essen und Scheiße zu reden.

      Verstohlen beobachtete er Kuklinski. Mit seinem gepfleg­ten Bart sah er aus wie ein böser Herrscher aus irgendeinem mythischen Königreich, der bedächtig den nächsten mörde­rischen Schachzug abwägte. Dominick wusste, dass er nicht gleich mit der Tür ins Haus fallen durfte. So lief es in diesem Milieu nicht. Sie mussten einander zuerst abtasten, sich um­kreisen wie Boxer in der ersten Runde und belanglosen Blödsinn reden.

      »Immer gut zu tun, Rich?«

      Kuklinski nickte. »Ja, mal hier was, mal da was. Wie ist es mit dir?«

      »Na, es läuft. Könnte allerdings auch gern besser sein. Ich weiß, dass ich wohl kaum den Haupttreffer im Lotto landen werde, also muss ich selbst zusehen, wo ich bleibe. Du verstehst, was ich meine?«

      »Klar.«

      Kuklinski schien in seiner Zeitung, die er zusammengefal­tet neben sich auf die Theke gelegt hatte, zu lesen und gab sich betont gleichgültig. Die Kellnerin brachte zwei Becher Kaffee und ein Zimtbrötchen von der Größe einer Untertas­se. Er öffnete die Aludeckel von zwei Milchtöpfchen und goss den Inhalt in seinen Kaffee. Dominick rührte in seinem Becher und nahm einen Schlucke.

      »Wie gefällt dir der Lincoln?«, meinte Kuklinski und deute­te zum Fenster auf den draußen geparkten Shark.

      »Ganz gut. Ich hatte früher einen Eldorado, aber mir ist der hier lieber. Fährt sich besser.«

      Kuklinski biss in sein Zimtbrötchen. »Stimmt. Der Lincoln ist kein schlechtes Auto. Komfortabel und geräumig.«

      Sie redeten eine Weile über Autos, verglichen verschiede­ne Modelle, mit denen sie ihre Erfahrungen gemacht hatten, und diskutierten darüber, warum so viele reiche Leute statt Caddys und Lincolns lieber einen Mercedes fuhren. Es ging alles sehr freundlich zu. Dominick hatte die Chance, sich zu entspannen und sich an sein Gegenüber zu gewöhnen, aber schließlich entschied er, es sei Zeit, zur Sache zu kommen, als er eine Gelegenheit sah, das Gespräch in eine andere Rich­tung zu lenken.

      »Also, ein Auto, mit dem ich mich nie anfreunden konnte, war die Corvette. Der Stingray, weißt du? Ich hatte immer das Gefühl, als säße ich in diesen verdammten Dingern direkt auf dem Boden. Lenny hat so eins, und er ist begeistert davon, aber ich kann wirklich nichts daran finden.«

      Kuklinski schwieg einen Moment, kaute nur und nippte an seinem Kaffee. »Ist kein schlechtes Auto.«

      Dominick wusste aus den Polizeiberichten, dass Kuklinski in der Vergangenheit gestohlene Corvettes gefahren hatte. Das war vermutlich der Grund, weshalb er nicht allzu offen­kundig seine Begeisterung für dieses Modell äußerte. Er wusste noch nicht, wie er ihn einschätzen sollte. Dominick musste weiterreden und hoffen, dass er irgendeine gemeinsa­me Basis fand, um allmählich ein wenig sein Vertrauen zu gewinnen und einen Schritt weiterzukommen. Er beschloss, einen kleinen Vorstoß zu machen.

      »Ja, dieser Lenny, das ist schon einer, was?«

      »Stimmt.« Kuklinski schaute wieder gleichgültig hinab auf seine Zeitung.

      Wenn er nicht bald einen Draht zu ihm bekam und er wenigstens ein kleines bißchen auftaute, konnte er die ganze Sache genausogut gleich vergessen. Aber Dominick hatte im Moment keine Ahnung, wie er vorgehen sollte. Eigentlich hatte er gedacht, Kuklinski würde auf die Erwähnung von Lenny DePrima reagieren. Angeblich vertraute er diesem Kerl doch.

      Dominick nahm einen Schluck Kaffee. Er musste sich etwas anderes einfallen lassen. Wenn er dauernd auf diesem Namen herumritt, dachte der Iceman möglicherweise, er sei ein Niemand, der mit dem einzig echten Kontakt prahlte, den er hatte. An Möchtegerns war Kuklinski nicht interessiert. Er würde beim kleinsten Anzeichen einfach gehen und nie wieder etwas mit ihm zu tun haben wollen. Dominick war klar, dass er aufpassen musste, auch wenn er noch so darauf brannte, mit diesem Kerl eine Verbindung anzuknüpfen.

      Nur um das Gespräch nicht abreißen zu lassen, wollte er gerade über das Spiel der New York Giants reden, bei dem sie letzten Sonntag die Steelers geschlagen hatten. Vielleicht war er ja ein Fan und taute etwas auf. Aber dann nahm Kuklinski plötzlich die Sonnenbrille ab und schaute ihm in die Augen.

      Ruhig erwiderte Dominick seinen Blick. Auf keinen Fall durfte er irgendwie unterwürfig wirken, sonst konnte er gleich einpacken. Er hatte sich bereits vorgenommen, nach der Rechnung zu greifen, sobald die Kellnerin damit kam, um jeden Eindruck zu vermeiden, er ließe sich freihalten.

      »Wie ich höre, hast du so einige Verbindungen, Dom.«

      »Ja, hab ich wohl.« Er nippte an seinem Kaffee, ohne diesem kühlen Blick auszuweichen.

      Kuklinski senkte seine Stimme. »Kannst du Schnee besor­gen?« Dominick musterte ihn einen Moment lang bedächtig.

      »Reden wir von dem billigen Zeug oder dem teuren?« Kokain oder Heroin.

      »Dem billigen.«

      Er zuckte die Schultern. »Kann sein. Wie viel willst du?«

      Kuklinski schien zu überlegen. »Zehn. Vielleicht später mehr.«

      »Klar, ist machbar.«

      »Wie viel pro?«

      Dominick strich nachdenklich über seinen Schnurrbart.

      »Einunddreißigfünf.« 31500 Dollar für ein Kilo.

      Kuklinski nickte. »Bisschen happig, Dom. Ich kenne je­manden, von dem ich’s für fünfundzwanzig bis dreißig krie­gen kann.«

      »Dann


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