Pink Floyd. Mark Blake

Pink Floyd - Mark  Blake


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Einstellung dem Rock’n’Roll gegenüber aufzutauen. Eines Abends waren er und Barrett nach London gereist, um ein geballtes Rock’n’Roll-Paket bestehend aus den Stones, Helen Shapiro und Gene Vincent im Gaumont State Cinema in Kilburn zu bestaunen. Dem mürrischen, in Leder gewandeten Gene Vincent fehlte der Charme des hübschen Jungen, wie ihn etwa auch Elvis ausstrahlte. Vielmehr war er ein Alkoholiker, der sich bei einem Motorradunfall das linke Bein schwer beschädigt hatte und nun stark hinkte. Es kursierten Storys, dass Vincent von seinem Bodyguard in einen Teppich eingewickelt und auf die Bühne getragen hätte werden müssen, da er sich geweigert hätte, seinen Auftritt abzuspulen. Vielleicht hinterließ Vincents Outsider-Image und sein angeschlagenes Auftreten ja einen bleibenden Eindruck auf Barrett und Waters. Was auch immer es war, während der Zugfahrt zurück nach Cambridge begannen die beiden, Gitarrenverstärker zu skizzieren, wie sie das Duo für ihre gemeinsame Rock’n’Roll-Band haben wollten.

      Als aber Syd schließlich in London landete, spielte Roger bereits in einer Band. Ohne Barrett und Gilmour beziehungsweise deren Gespür für Kunst und Musik war Waters bei der Suche nach Möglichkeiten, die County hinter sich zu lassen, so ziemlich auf sich allein gestellt. Als er Syd mit den Mottoes sah, erklärte er, dass er gerne ein wenig mehr in die Mitte der Gesellschaft streben wollte. Nachdem er seinen Plan aufgegeben hatte, an der Uni von Manchester Maschinenbau zu studieren, unterzog er sich einer Reihe von Eignungstests, die am National Institute of Industrial Psychology ausgewertet wurden. Schließlich teilte man ihm mit, dass er wie geschaffen dafür sei, Architektur zu studieren.

      Als Vorgeschmack darauf arbeitete Waters mehrere Monate in einem Architekturbüro im benachbarten Swavesy, bevor er sich am Londoner Regent Street Polytechnic in der Titchfield Street nahe dem Oxford Circus einschrieb. Mitsamt seiner Gitarre kam er in ein paar heruntergekommenen Studentenbuden unter, dazu gehörte auch ein Squat ohne warmes Wasser nahe der King’s Road. Wie einer seiner späteren Bandkollegen erörtern sollte: „Roger wollte sich selbst befreien, wusste aber nicht, wie er das anstellen sollte.“ Ab dem Frühjahr 1963 fand er sich jedoch in einem Zirkel gleichgesinnter Studenten wieder, der unter anderem auch einen Schlagzeuger, nämlich einen gewissen Nick Mason, sowie einen Keyboarder, Richard Wright, umfasste.

      Nicholas Berkeley Mason war am 27. Januar 1944 in Edgbaston am Rande Birminghams geboren worden. Sein Vater Bill war Mitglied der kommunistischen Partei und ein ehemaliger Arbeitnehmervertreter der Association of Cinematographic Technicians. Nachdem er einen Job als Dokumentarfilmer angenommen hatte, zog er mit seiner Frau Sally und ihrem gemeinsamen zweijährigen Sohn Nick nach Downshire Hill im Nordlondoner Vorort Hampstead Garden. Drei Töchter – Sarah, Melanie und Serena – sollten später das Familienglück noch vervollkommnen.

      Bill sammelte alte Autos und war Motorsportfan, der selbst Amateur-Rennen bestritt. Passenderweise war eine seiner frühen Arbeiten Le Mans eine Dokumentation über das französische 24-Stunden-Rennen aus dem Jahr 1955. Die Autosammlung der Masons war nicht der einzige Hinweis auf ihren Wohlstand. So wie auch seine anderen zukünftigen Bandkollegen wuchs Nick relativ betucht auf. Vermutlich kann man sogar sagen, dass es ein bisschen mehr als nur das war. Pink Floyds erster Manager sollte sich später erinnern: „Ich weiß noch, dass ich enorm beeindruckt davon war, dass Nicks Eltern einen Pool hatten.“

      Auch Nicks musikalischer Werdegang begann mit Bill Haley, Elvis Presley sowie dem regelmäßigen Genuss von Radio Luxemburg. Er lernte, Geige und Klavier zu spielen, trat aber an keinem der beiden Instrumente als außerordentlicher Könner in Erscheinung. Später erhielt er ein Schlagzeug und wurde Mitglied einer spontan entstandenen Band namens The Hot Rods, deren Repertoire kaum mehr als das unermüdliche Wiederholen der Titelmelodie der Fernsehserie Peter Gunn umfasste.

      Im Alter von elf Jahren besuchte Mason die Frensham Heights, ein gemischtes Internat, das sich damit rühmte, dass es dort weder Uniformen noch Wettbewerb gab und die Lehrer und Schüler sich gegenseitig mit Vornamen ansprachen. Im Vergleich mit den Erfahrungen, die etwa Waters an der zugeknüpften County hatte machen müssen, gestaltete sich Masons Zeit an der Frensham Heights doch um einiges entspannter. „Ich genoss meine Zeit an der Frensham“, schrieb er 2004. „Es war einigermaßen traditionell, zumindest in Bezug auf die Blazer und die Examen, aber der Bildungsansatz war schon sehr liberal.“ Mason vertiefte sich nicht ganz so fest in seine akademische Ausbildung, wie es vielleicht von ihm erwartet worden wäre. Stattdessen wurde sein musikalisches Interesse zuerst von Modern-Jazz- und später Bebop-Schallplatten, die im Gemeinschaftsraum liefen, angefeuert. Im Alter von 14 setzte er sich wieder hinters Schlagzeug, doch dieses Mal unter seinen eigenen Bedingungen. „Ich hatte nie irgendeinen offiziellen Unterricht“, erklärte er später. „Ich halte das für einen großen Fehler. Die einfachste Art und Weise, etwas zu erlernen, ist, wenn es einem ordentlich beigebracht wird.“

      Nachdem er die Schule beendet hatte, wandte sich Nick ab 1962 für fünf Jahre dem Architekturstudium am Regent Street Polytechnic zu. Vielleicht hatte das ja auch damit zu tun, dass Frank Rutter, der Vater seiner damaligen Freundin und zukünftigen Ehefrau, ein angesehener Architekt war. Sogar damals schon und obwohl er wieder Schlagzeug spielte, zeigte er nicht denselben brennenden Ehrgeiz, Musiker zu werden, wie ihn etwa ein David Gilmour an den Tag legte. Mason ließ einen Interviewer Jahre später wissen: „Ich bin ein gutes Beispiel dafür, dass Dinge auch dann gut laufen können, wenn man sie nicht wirklich versucht – indem man einfach nur Glück hat.“

      Nicks größte Leidenschaft – noch vor Musik oder Architektur – waren aber die Autos. Er fuhr etwa in einem Austin Chummy von 1930 zum Polytechnic. Mason schrieb 2004 in seinem Buch, dass dieses Auto der Grund dafür gewesen sei, dass Roger Waters sich dazu herabgelassen habe, mit ihm zu sprechen. Waters habe sich den Wagen sogar ausborgen wollen, doch Mason habe ihm diesen Wunsch verweigert und behauptet, dass das Vehikel vorübergehend nicht fahrtauglich sei. Kurz darauf habe Roger Nick erspäht, wie dieser hinter dem Steuer des Wagens gesessen habe. Trotzdem entwickelte sich eine Freundschaft, nachdem die beiden für ein gemeinsames Projekt zusammengespannt worden waren.

      Im September 1963 hatten die Poly-Studenten Keith Noble und Clive Metcalfe ihre Fühler nach gleichgesinnten Studenten ausgestreckt und eine Nachricht ans schwarze Brett der Schule gepinnt. „Da stand geschrieben: ‚Wer hat Lust, eine Band zu gründen?‘“, erinnert sich Clive Metcalfe. Zu jener Zeit hatten Noble und Metcalfe schon einiges mehr an Erfahrung als ihre zukünftige Rhythmussektion. „Keith und ich sangen zusammen in einer Bar in der Albemarle Street in Picadilly. Wir sangen alles von den Beatles bis hin zu Peter, Paul and Mary, R&B oder zwölftaktigem Blues. Ich besuchte ja eigentlich die Chelsea School of Art, aber damals wurde gerade das Gebäude renoviert, weshalb unser Unterricht am Regent Street Poly stattfand.“

      Da sie das Duo erweitern wollten, fingen Noble und Metcalfe an, im Gemeinschaftsraum mit den Leuten zu proben, die auf den Aushang reagierten. Darunter befanden sich auch Mason und Waters (damals spielte er mehr schlecht als recht Gitarre) sowie Keith Nobles Schwester Sheilagh. „Sheilagh sang mit Keith, aber ich kann mich nicht daran erinnern, dass sie instrumental viel beigesteuert hätte“, sagt Metcalfe. „Roger war als Musiker noch nicht sehr weit, weshalb ich, nachdem ich zuerst noch Lead- und Rhythmusgitarre gespielt hatte, an die Bassgitarre wechselte, weil mir auffiel, dass wir einen Bassisten brauchten.“

      Die Band entschied sich für den Namen The Sigma 6, nachdem die Band um einen weiteren Poly-Studenten, nämlich den Keyboarder Richard William Wright, ergänzt worden war und von nun an als Sextett am Start war.

      Wright war am 28. Juli 1943 als Sohn des Biochemikers Robert, der bei Unigate Dairies beschäftigt war, und seiner Frau Daisy zur Welt gekommen. Die Wrights lebten in Hatch End, Pinner, im Norden Londons. Pinner war auch die Heimat von Reg Dwight, der einmal als Elton John bekannt werden würde, sowie viel später auch von Simon Le Bon, dem Leadsänger von Duran Duran.

      Nach der privaten Grundschule St. John’s wurde Richard an der gebührenpflichtigen Grammar School Haberdasher Aske’s eingeschrieben, die sich damals in Hampstead befand und mittlerweile nach Elstree verlegt wurde. Als Richard schließlich das Teenager-Alter erreichte, erlernte er Posaune, Saxofon, Gitarre und Klavier und besuchte regelmäßig traditionelle Jazz-Konzerte in der Railway Tavern im nahegelegenen Harrow and Wealdstone, wo bald schon die Karriere von The Who ihren Ausgang nehmen sollte. „Ich stand eigentlich überhaupt nicht auf Pop“,


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