Mein Leben mit den Eagles. Wendy Holden

Mein Leben mit den Eagles - Wendy Holden


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weniger Furcht einflößend als Kalifornien. Ich war bereits ein paar Mal dort gewesen. Ich konnte in weniger als vierundzwan­zig Stunden nach Hause fahren, und außerdem war ich sowieso viel zu gespannt auf die Zukunft, um mich noch zu fürchten.

      Unser Fünftausend-Dollar-Vorschuss reichte weniger als einen Monat. Wir leisteten eine Anzahlung auf einen Lieferwagen von Dodge – das war der Einzige, bei dem wir uns die Ratenzahlungen überhaupt leisten konnten. Dann kauften wir uns jeder einen warmen Mantel und ein paar Mikrofone für unsere Beschallungsanlage. Der Rest ging für Gras, Essen, Zigaretten und Jack Daniel’s drauf.

      Da wir nun bei Creed Taylor Incorporated (CTI) unter Vertrag standen, mieteten wir eine kleine Wohnung in der Horatio Street an der Lower West Side. Sie lag im Fleischereibezirk, der damals keine besonders gute Wohn­gegend war. Einmal hätte man mich fast mit gezücktem Messer auf offener Straße ausgeraubt, und ein Freund, der zu Besuch kam, wurde von einem anderen Räuber mit einem Brett auf den Hinterkopf geschlagen.

      Die Tourmanager halfen uns beim Songschreiben und Proben und orga­nisierten ein paar Auftritte in der Stadt, um uns in Lohn und Brot zu halten. Die Young Rascals wurden unsere Sponsoren. Nach „Groovin’“ und „A Girl Like You“ hatten sie noch einige weitere Hits gehabt und gaben uns nun ein paar von ihren alten Instrumenten und liehen uns eine PA, damit wir in Clubs spielen konnten. Dino Danelli stiftete ein Schlagzeug, Felix Cavaliere eine Hammond B3, und Gene Cornish gab mir eine seiner Gitarren, eine dicke elektrische Gibson.

      Als Teil einer Band mit einem Plattenvertrag in New York zu leben war gut und schön, aber meine Begeisterung wurde durch die Tatsache gedämpft, dass meine Mitmusiker ziemlich lethargisch waren und exzessiv Drogen kon­sumierten.

      Zuvor war ich stets die treibende Kraft gewesen, hatte die Auftritte gebucht und Kontakte geknüpft. Ich war genauso Manager wie Musiker. Doch der Ver­trag mit der Band war über John und Mike zustande gekommen, nicht durch mich. Die übrigen Jungs dachten offenbar, dass sie nicht viel tun müssten, weil die Tourmanager sie ohnehin zu Stars machen würden. Ich fühlte mich irgend­wie hilflos, weil ich nichts an dieser Situation ändern konnte. Wir lebten in einem beschissenen Apartment, hatten kein Geld, und keiner von ihnen tat jemals etwas, außer Musik zu spielen. Jan und ich hatten uns aufgrund der Entfernung getrennt, und ich fühlte mich immer einsamer und elender.

      Wann immer Bernie in die Stadt kam, wurde meine Frustration noch verstärkt. Er und ich waren in Kontakt geblieben, und bei ihm lief alles sehr gut. Als er damals nach Kalifornien zurückgekehrt war, hatte er sich zunächst als Banjospieler und Gitarrist einer Folkrockband namens Hearts & Flowers angeschlossen und war auch auf dem zweiten Album der Gruppe vertreten. Durch seinen alten Freund Chris Hillman hatte er Gene Clark von den Byrds und den legendären Banjospieler Doug Dillard kennengelernt. Bernie war zudem an der Gründung der Gruppe Dillard & Clark beteiligt gewesen, bevor er sich den Corvettes anschloss, der Begleitband von Linda Ronstadt. Diese ging auf Tournee, um für ihr erstes Soloalbum, Hand Sown … Home Grown, zu werben, das sie nach ihrem Ausstieg bei den Stone Poneys veröffentlicht hatte.

      „Du musst mit mir in den Westen kommen, dort geht es wirklich ab, Mann“, sagte Bernie jedes Mal zu mir, wenn wir einander begegneten. Wenn er irgendwo auftrat, trafen wir uns meist in der Garderobe, jammten ein biss­chen und tranken ein paar Bier. „Ich habe ein paar tolle Kontakte geknüpft, und ich bin sicher, dass ich dich unterbringen kann.“

      „Danke, Bernie“, sagte ich dann stoisch. „Aber ich möchte erst noch ein Weilchen hierbleiben und sehen, wie es mit Flow so läuft. Wir haben jetzt einen Plattenvertrag, und ich wäre doch verrückt, würde ich jetzt abspringen. Außer­dem habe ich kein Geld, geschweige denn ein Auto. Und wie soll ich mich denn ohne fahrbaren Untersatz in L. A. vom Fleck bewegen?“

      Als schließlich die Zeit gekommen war, dass Flow ins Studio gingen, um ihr erstes Album aufzunehmen, waren wir alle ziemlich nervös. Creed Taylor buchte ein Studio in Englewood Cliffs, New Jersey. Der Raum, den wir benutz­ten, war rund und sollte natürliche Klangeigenschaften besitzen. Der Studio­besitzer und -betreiber war Rudy van Gelder, ein Deutscher, der von Beruf eigentlich Optiker war und sich als Toningenieur einen ungeheuren Ruf erar­beitet hatte. Er hatte Aufnahmen mit Miles Davis, John Coltrane und Thelo­nious Monk gemacht, und man sagte, er wäre für den typischen Blue-Note-Sound verantwortlich. Er hatte die besten Neumann-Mikrofone und Acht-Spur-Aufnahmegeräte auf dem neuesten Stand der Technik, mit Mischpulten und Equalizern. Er saß in seiner Kabine und bediente die Regler wie ein ver­rückter Wissenschaftler. Er trug sogar weiße Handschuhe, wenn er seine ganz sterilen, perfekten Hi-Fi-Aufnahmen machte.

      Eines Tages nahmen uns Andy und John ins Atlantic-Studio mit und erlaubten uns, dabei zuzuhören, wie die Young Rascals ihre neueste Single aufnahmen. Man kannte einander gut, und die Atmosphäre war entsprechend entspannt. Als wir eintrafen, spielten sie gerade die letzte Version ein, und wir standen am Eingang des Studios und hörten ihnen zu, wie sie „It’s A Beautiful Morning“ aufnahmen. Es gefiel mir sofort. Das Stück klang richtig gut, sogar Bongos waren dabei. Ich fragte mich, ob es wohl ein Hit werden würde. Als wir an der Reihe waren und unsere Sachen im Englewood-Cliffs-Studio auf­bauten, waren wir sehr nervös. Es war unsere erste richtige Aufnahme, und wir standen unter immensem Druck. Das Studio wirkte fast wie eine Klinik: Ein Mann im weißen Kittel rannte herum, und überall standen die neuesten Hightechgeräte. Creed kam herein und nahm im Regieraum Platz, wo er alles überblicken konnte, und machte den Eindruck, als wolle er gleich eine Pfeife hervorziehen und sie rauchen. Er sagte kein Wort. Es gab keinerlei musikali­sche Beschränkungen, nichts.

      Plötzlich wurde mir zu meinem großen Unbehagen klar, dass es nicht Creed Taylor oder Rudy van Gelder waren, die all diese legendären Aufnah­men machten, sondern die Künstler selbst. Ich war nicht der Einzige, der Schmetterlinge im Bauch hatte. Wir begannen zu spielen, doch konnte man hören und spüren, dass es eine Darbietung unter Zwang war. Es war wie ein führerloser Zug, der auf einen Abgrund zuraste, und keiner von uns konnte auch nur das Geringste tun, um ihn aufzuhalten.

      Das Album erhielt den Titel Flow. Auf dem Cover war der Bandname abgedruckt; von den Buchstaben triefte Seifenlauge. Wir hassten es. Es sah aus wie eine Waschmittelwerbung. Ich war einerseits stolz auf das Album, weil es mein erstes war, doch gleichzeitig war ich bitter enttäuscht. Ich hatte erwartet, dass ich es aus der Hülle nehmen und auflegen würde und dann ebenso hin­gerissen wäre wie damals bei der Platte von Quincy Jones. Ich hatte dieselbe Aufnahmetechnik, denselben Tontechniker und denselben Produzenten zur Verfügung gehabt. Ich konnte nicht verstehen, warum es mir beim Hören mei­ner eigenen Platte nicht genauso kalt den Rücken hinunterlief. Die Enttäu­schung wurde sogar noch größer. Wir hatten zwar eine stattliche Menge von Radioeinsätzen im Großraum New York, aber wir waren nicht „UKW-taug­lich“, sodass uns viele Radiostationen wegen unserer langen Jazzsoli nicht spielten. Es machte schnell die Runde, dass wir schon ganz in Ordnung seien, aber eben nicht die Young Rascals. Mag sein, dass wir ein bisschen wie sie klangen und aussahen, aber in Sachen Vermarktung waren wir ein Albtraum, weil es keine Schublade für uns gab. Wir scharten eine eklektische Schar von Jazzfans um uns, anstatt die Massen anzusprechen, die in die Clubs gingen und Schallplatten kauften.

      Niemand sprach mehr von einem Nachfolgealbum, und plötzlich wurden die Phasen ohne Arbeit immer länger. Obwohl wir einen gewissen Erfolg gehabt hatten, war dieser letztlich doch nicht durch die Musik, sondern von Drogen inspiriert gewesen. Unsere Manager waren frustriert. Sie hatten die begrenzten Möglichkeiten, die ihnen zur Verfügung standen, mehr oder weni­ger abgegrast. Wenn wir einmal ein paar Auftritte an Land zogen, dann muss­ten wir am Ende hauptsächlich Coverversionen von fremden Songs spielen, um unsere Rechnungen bezahlen zu können. In der Hoffnung, dass die Leute begriffen, worum es uns ging, versuchten wir, ein paar von unseren eigenen Stücken im Programm unterzubringen. Manchen schienen sie zu gefallen, die Meisten jedoch wollten nur tanzen.

      Ich begriff, dass wir New York verlassen und uns in einem Umfeld nieder­lassen mussten, das dem Songwriting zuträglicher war, um die Band einen Schritt weiter zu bringen. Mike war in der Woche zuvor nach Poughkeepsie gefahren, um einen Freund zu besuchen, und hatte in einer Kleinstadt namens Dover Plains ein kleines Schild mit der Aufschrift „Zu vermieten“ am Straßenrand ent­deckt. Er notierte sich die Telefonnummer. Nachdem wir mit dem Eigentümer gesprochen und festgestellt


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