Mein Leben mit den Eagles. Wendy Holden
in den Catskills gezogen und hatte dort ihr erstes Album, Music From Big Pink, aufgenommen. Das Haus, das wir vorfanden, war nicht rosa. Es war weiß, lag auf einem eineinhalb Quadratkilometer großen Gelände und wirkte wie aus Vom Winde verweht. Es kostete uns einhundertfünfzig Dollar im Monat – weitaus weniger als das winzige Apartment in New York.
Das Haus war riesig. Vier weiß getünchte dorische Säulen standen vor der Eingangstür, durch die man in eine beeindruckende Diele und ein großzügiges Treppenhaus gelangte. Es gab eine Bibliothek, fünf offene Kamine und einen Hauswirtschaftsraum. Den Dachboden hatte man zu einem Ballsaal für Partys umfunktioniert, mit Bühne und allem Drum und Dran. Das umliegende Land war zum größten Teil verwildert. Einiges davon war jedoch offensichtlich irgendwann einmal landwirtschaftlich genutzt worden, denn alles, was nun darauf wuchs, waren Zucchini in rauen Mengen. Verarmt und konstant hungrig, wie wir waren, gab es Zucchinibrei zum Frühstück, Zucchinibrote zum Mittagessen und mit Käse überbackene Zucchini zum Abendessen.
Wir lebten achtzehn Monate in dem Haus und wurden mit jedem Monat ärmer. Unsere Auftritte in New York schrumpften auf ein Minimum zusammen, und die Hälfte der Zeit konnte sich die Band ohnehin nicht dazu aufraffen, für lausige einhundert Dollar die beschwerliche Reise von insgesamt drei Stunden in die Stadt und wieder zurück auf sich zu nehmen. Oft hatten wir noch nicht mal ein Transportmittel. Wenn jemand den Lieferwagen nahm, um ein paar Drogen zu besorgen oder seine Freundin zu besuchen, stand der Rest von uns ohne Auto da.
Eines Tages waren Chuck Newcomb und ich im Haus, als uns der Tabak ausging und der Lieferwagen wieder einmal nicht da war. Da wir beide starke Raucher waren, blieb uns nichts übrig, als zu Fuß in die Stadt zu gehen und welchen zu kaufen. Wir machten uns auf in Richtung Dover Plains und versuchten nicht einmal zu trampen, da wir beide aus Erfahrung wussten, dass nur wenige Leute aus der Gegend zwei langhaarige, bärtige Hippies mitnehmen würden. Als wir in die Stadt schlenderten, fuhr der Sheriff an Chuck und mir vorbei. Er hielt an, drehte um und verhaftete uns. Man warf uns Gehen auf der falschen Straßenseite vor. Die Strafe betrug fünfundzwanzig Dollar.
Schließlich fuhr uns der Sheriff zurück zum Haus, wo unsere überraschten Bandkollegen sahen, wie der Streifenwagen in der Einfahrt hielt. Schnell rannten sie umher und versteckten alle Drogen. John Winter trat mit einer Flöte in der Hand aus dem Haus. „Was ist denn los?“, fragte er. Der Sheriff gab keinerlei Erklärung, sondern durchsuchte mit seinen Leuten das gesamte Haus von oben bis unten. Es dauerte eine Weile, bis er wieder rauskam, und man konnte ihm im Gesicht ablesen, wie enttäuscht er darüber war, dass er nicht Badewannen voller LSD gefunden hatte. Ich versuchte, die mittlerweile extrem angespannte Situation aufzulockern, wendete mich an John und sagte: „Hey, warum spielst du dem Polizisten zum Abschied nicht ein kleines Ständchen?“
„Hä?“, fragte John und schien rein gar nichts zu begreifen.
„Deine Flöte“, sagte ich und deutete auf das Instrument in seiner Hand. „Warum spielst du nicht etwas, um zu zeigen, dass niemand sauer zu sein braucht?“
John schüttelte den Kopf. „Nein, nicht jetzt. Meine Lippen fühlen sich nicht gut an, Mann. Ich kann jetzt gar nichts spielen.“
„Ach, komm schon“, drängte ich ihn, weil ich seinen Widerwillen und die Unzufriedenheit des Sheriffs gleichermaßen spürte. „Nur ein paar Töne.“
„Ja, spiel uns was“, ermunterte ihn nun auch der Sheriff. „Ihr behauptet doch, Musiker zu sein. Also lass mal was hören.“
John wich nicht einen Millimeter. „Nein“, sagte er mit fester Stimme. „Tut mir leid, ich bin gerade nicht in Stimmung.“
Als der Sheriff und seine Männer abzogen, waren Chuck und ich von den Strapazen des Tages fix und fertig. Alles, worauf wir uns nun noch freuten, waren ein Zucchiniomelett und eine elende Nacht, in der wir wieder einmal die Stummel aus den Aschenbechern klauben mussten. Gereizt, wie ich war, lief ich im Hausflur John über den Weg und schnauzte ihn an: „Wenn du auf deiner verdammten Flöte etwas für den Sheriff gespielt hättest, wäre das alles vielleicht nicht passiert“, sagte ich.
John zuckte mit den Achseln. „Es ging nicht, Mann“, erklärte er und zeigte auf ein zusammengeknülltes Etwas, das aus der Flöte herauslugte. „In der Eile haben wir den ganzen Stoff darin versteckt.“
SECHS
Im August 1969 hörten wir per Mundpropaganda, dass auf einer zweieinhalb Quadratkilometer großen Milchfarm unweit von Dover Plains ein großes Musikfestival stattfinden sollte. Es wurde mit dem Slogan „Drei Tage des Friedens und der Liebe“ angekündigt und sollte in einem Ort namens Bethel in der Nähe von Woodstock stattfinden.
„Hey, da sollten wir hinfahren“, schlug ich meinen Zimmergenossen eines Morgens vor, nachdem jemand ein Flugblatt unter den Scheibenwischer des Lieferwagens geklemmt hatte. „Mehr oder weniger alle, die wir kennen, werden dort sein. Es kommen ein paar Jungs aus New York rauf, und vielleicht sogar aus Florida. Die Besetzung ist unglaublich: Janis Joplin, The Band, The Who, Jefferson Airplane, Joe Cocker, The Grateful Dead. Sogar Hendrix spielt.“
„Wahnsinn“, entgegnete Mike. „Okay. Organisier das.“
Als ich mich in die Liste der auftretenden Bands versenkte, entdeckte ich Crosby, Stills & Nash, deren Debütalbum, Suite – Judy Blue Eyes, rasch die Charts emporkletterte. Etwas sagte mir, dass sich der Pfad meines Lebens und der des jungen Stephen Stills auch in Zukunft kreuzen würden.
Ich hatte recht damit, dass alle nach Bethel kommen würden – am Schluss waren es eine halbe Million Menschen. Als wir mit einer Gruppe von Freunden aus New York in einem alten Chevrolet Suburban eintrafen, schien es, als versuchte jedermann, durch dasselbe zwei Meter breite Tor zu gelangen, auf das auch wir zusteuerten. Unter den Leuten in unserem Konvoi befand sich auch Season Hubley, das hübsche Mädchen, in das ich mich verliebt hatte, als sie zwei Jahre zuvor nach Gainesville gekommen war. Leider war sie mit einem anderen dort. Ich wünschte, sie wäre mit mir zusammen statt mit ihm, was mir das gesamte Erlebnis des dreitägigen Festivals verdarb.
Ich kann mich erinnern, dass es häufig regnete. Es gab einen unglaublichen Sturm, der mit großen, geballten Wolken von Osten her heraufzog. Die kräftigen Winde bliesen beinahe die wackeligen Lautsprechertürme um. Wir schliefen in Schlafsäcken in dem Chevy und hörten zu, wie der sintflutartige Regen auf das Autodach prasselte. Als Sturm und Regen zu stark wurden, musste die gesamte Bühnenelektronik mit Plastikfolie abgedeckt werden, damit es zu keinem Kurzschluss kam. Abgesehen von dieser Unterbrechung, gab es nonstop Musik. Wir lagen hinten im Auto, waren total zugedröhnt und warteten gespannt, wer als Nächstes angekündigt werden würde.
„O Mann, das muss ich sehen“, sagte ich dann und raffte mich auf, stieg aus dem Wagen und schlitterte im Regen den rutschigen Hügel hinunter in Richtung Bühne. Dort lauschte ich den Klängen von Santana, Hendrix oder Alvin Lee, bis ich glaubte, mir müsste das Blut aus den Ohren schießen.
Es war eine Schlammschlacht, absolut grauenhaft, kalt und nass. Der klebrige Lehm drückte sich zwischen unseren Zehen empor und fand seinen Weg in jede Pore und jede Falte, aber das schien niemanden zu kümmern. Gemeinsam mit Tausenden anderer Menschen stand ich im strömenden Regen, wiegte mich im Takt zur Musik, dann kehrte ich zurück und trocknete mich ab. Die Autofenster beschlugen, bis die Matschkruste endlich getrocknet war. Woodstock war wirklich eine Erfahrung für sich.
Als wir nach dem Festival wieder zurück in Dover Plains waren, fiel es mir auf einmal nicht mehr ganz so leicht, unser Dasein zu ertragen. Ich hatte Stephen Stills als Jugendlichen gekannt, doch nun war er in Woodstock aufgetreten, um vier Uhr morgens, auf derselben Bühne wie die Großen des Rock ’n’ Roll, und hatte mit Leuten wie Graham Nash musiziert, den ich so bewundert hatte, als er mit den Hollies nach Gainesville gekommen war. Es war erst das zweite Mal, dass Crosby, Stills & Nash live zusammen spielten, aber sie waren verdammt heiß. Stephen saß auf einem Barhocker, trug einen blauweißen Poncho und sang mit seiner eindringlichen, leicht rauen Stimme. Es war mitreißend. Ich hätte alles dafür gegeben, hätte ich nur dort oben an seiner Seite sein können.
Stattdessen hing ich mit