Mafiatochter - Aufgewachsen unter Gangstern. Karen Gravano

Mafiatochter - Aufgewachsen unter Gangstern - Karen Gravano


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Christoph Kolumbus, auch wenn ich nicht vor fünfhundert Jahren mit der Santa Maria hierher gekommen war.

      Sonntags traf sich die gesamte Familie zum gemeinsamen Kirchgang und zum Essen im Haus meiner Großeltern mütterlicherseits an der Ecke 15th Avenue und 86. Straße. Papa ging nicht in die Kirche, doch wir anderen gingen zu Fuß zur St. Frances Cabrini an der 86. Straße. Nach dem Gottesdienst machten Großvater und ich einen Spaziergang zur italienischen Bäckerei und holten dort frisches Brot und frischen Mozzarella.

      Großmutter bereitete uns dann eine üppige italienische Mahlzeit zu, mit Pasta, Hühnchen und allem Drum und Dran. Während sie kochte, erledigten Papa und ich unser sonntägliches Ritual: Wir ließen das Auto waschen. Wenn die Jungs, die an der Waschstraße arbeiteten, den Wagen auf Hochglanz poliert hatten, gab Papa allen ein schönes Trinkgeld. Manchmal nahm er mich auch mit ins Baubüro, und ab und zu sogar in den Gesellschaftsverein. Wir waren ein Team, mit dem man rechnen musste, und ich mochte es, wenn ich ihn für mich allein hatte.

      Als wir nach Staten Island zogen, war mein Vater der einzige in Bulls Head, der in der Mafia war. Unsere Nachbarn am Leggett Place wussten alle, dass Papa ein Gangster war, aber es war ihnen egal. Er konnte gut mit Leuten und war so normal und ungekünstelt, dass ihn alle mochten. In seiner Gesellschaft fühlte sich jedermann wohl – obwohl man eigentlich das Gegenteil hätte erwarten können. Er hatte zwar einen Ruf als harter Typ, aber das änderte nichts daran, dass er ein guter Nachbar war, der jedem nach Kräften half. Abgesehen von Tischlerarbeiten war er freilich nicht unbedingt der Geschickteste, also fummelte er immer eine Weile herum, wenn ihn jemand um Hilfe mit seinem Wagen oder Rasenmäher bat. Dann rief er jemanden an, der es besser konnte. Meistens wusste er ganz genau, wen.

      Auf Staten Island wandte sich Papa auch wieder dem Baugeschäft zu. Als Eddie pleite ging, flehte er meinen Vater an, ihn in »das Leben« zurückzubringen. Mein Vater erkannte, dass im Baugeschäft großes Geld zu verdienen war und wusste, wie er seine Mafiaverbindungen spielen lassen konnte, um die Aufträge an Land zu ziehen. Weil er gut arbeitete, erhielt er auch Folgeaufträge. Onkel Eddie hingegen war eher handwerklich versiert, ein Nieten-und-Bolzen-Typ, der genau wusste, wie man etwas richtig machte. Er sorgte dafür, dass die Trupps gut arbeiteten und alle notwendigen Materialien hatten. Darin war er gut. Papa war gut als Gangster. Ich muss zugeben, dass sie ein tolles Team waren. Papa beschaffte die Jobs, und Eddie führte sie aus.

      Nun, da mein Vater wieder im Baugeschäft war, hatten er und Paul Castellano wesentlich mehr gemein. Paul hatte für die Mafia einige Zeit lang die Bauindustrie in New York kontrolliert. Tatsächlich hatte Paul, der capo di tutticapi, der Boss aller Bosse, alles, was aus Beton war, fest im Griff. Wenn bei einem Projekt in New York Zement gegossen wurde, hatte der Mann seine Finger mit ihm Spiel. Mein Vater erledigte Jobs für Paul, sodass er oft in dem Herrenhaus in Todt Hill war.

      Mit ihrer neuen Firma spezialisierten sich Papa und Eddie auf Klempnerarbeiten, und Paul war einer ihrer ersten Kunden. Pauls Haus war so groß, dass der Wasserdruck in den oberen Stockwerken drastisch abfiel, sodass das Duschen dort oben ziemlich unerfreulich war. Mein Vater schlug vor, eine zusätzliche Pumpe zu installieren, und Paul war mit dem Ergebnis äußerst zufrieden. Von da an mochte Paul meinen Vater, und es dauerte nicht lange, da schusterte er ihm und Eddie massenweise Arbeit zu.

      Einmal nahm mein Vater mich und meinen Bruder mit zu Pauls Villa. Er und Paul wollten übers Geschäft reden, und wir wurden auf den Ausflug mitgenommen.

      Pauls Frau Nina öffnete die wuchtige Einfangstür. Sie war ganz und gar nicht so, wie ich sie mir vorgestellt hatte. Ich hatte gedacht, sie hätte teure Sachen an, förmlich und schick. Stattdessen war sie ganz schlicht gekleidet und wirkte mehr wie eine Großmutter, freundlich und warmherzig. Sie maß kaum einen Meter fünfzig, hatte gepflegtes graues Haar und trug ein schlichtes Kleid, das bis über die Knie ging. Sie führte Gerard und mich in eine Küche, die größer war als unser Haus. In der Mitte befand sich ein freistehender, in eine Arbeitsfläche aus rosafarbenem Marmor eingelassener Herd, über dem Dutzende blitzblanker Kupfertöpfe hingen.

      Ein großer Deckenventilator verteilte den Duft frischer Kekse, die gerade gebacken wurden. Gerard und ich saßen an der Kochinsel, aßen Kekse und tranken Milch, während unser Vater anderweitig beschäftigt war. In einem solchen Haus waren wir noch nie gewesen, doch schon bald sollten auch wir in Todt Hill leben.

      Wir wohnten noch am Leggett Place, als Papa beschloss, die Plaza Suite abzustoßen, seine erfolgreichste Diskothek in Gravesend. Obwohl er den Laden mochte, nahm ihn das Bauunternehmen mittlerweile derart in Anspruch, dass er praktisch zwei Jobs gleichzeitig hatte. Tagsüber arbeitete er im Büro seiner Baufirma im Erdgeschoss unter der Diskothek. Abends brauchten ihn die Bautrupps bei bestimmten Aufgaben, jedenfalls stellte ich es mir so vor. Er konnte nicht gleichzeitig im Nachtclub und mit dem Trupp draußen sein. In der Hoffnung, er könnte den Club auf diese Weise behalten, stellte er zwei seiner besten Männer, Mike DeBatt und Tommy »Huck« Carbonaro, dazu ab, dort nach dem Rechten zu sehen. Als ihm der Tscheche Frank Fiala jedoch eine Million Dollar für Club und Gebäude bot, konnte Papa nicht nein sagen. Es war der fünffache Marktwert.

      Erst viele Jahre später erfuhr ich die Wahrheit darüber, was sich zwischen meinem Vater und Frank Fiala abgespielt hatte. Noch vor Abschluss der Vertragsverhandlungen hatte Frank eine Wand des Baubüros durchbrochen, um es mit der Diskothek zu verbinden. Schäumend vor Wut machte sich mein Vater auf nach Brooklyn, um ihn zur Rede zu stellen. Als Papa dort ankam, saß Fiala am Schreibtisch meines Vaters, umgeben von einem ganzen Rudel Dobermänner. Mein Vater konnte ihn ohnehin nicht leiden, weil er einen Ruf als Angeber und schmieriger Kokaindealer hatte. Papa verlangte eine Erklärung für die Beschädigung der Wand. Der Typ zog eine Uzi hervor und richtete sie direkt auf die Brust meines Vaters. Der trommelte daraufhin ein paar Kumpels für eine Strafaktion zusammen.

      All das geschah etwa zu der Zeit, als sich meine Familie auf den großen Umzug nach Todt Hill vorbereitete. Mein Vater schien stets einen Fuß in der Tür eines neuen Hauses zu haben, sobald wir uns irgendwo niederließen. Er liebte es, ein Haus zu renovieren, umzubauen und es dadurch aufzuwerten. Dass Paul Castellano auf dem Hügel wohnte, kratzte ihn nicht. Er wollte beweisen, dass er auch ein Mann mit einer Villa war, obwohl wir alle gern am Leggett Place lebten. Meine Mutter hatte ein wenig gemakelt, um sich zu beschäftigen, daher hatte sie in dem betuchten Viertel bereits ein paar erschwingliche Objekte im Auge.

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