Gefährlich gute Grooves. John Taylor
erste Vorstellung von meinem künftigen Beruf, Pilot in der Royal Airforce. Abends im Bett überlegte ich, ob die RAF wohl noch Spitfires einsetzte.
Das nimmermüde Zusammenbauen von RAF-Kampfflugzeugen, Panzern und Schiffen der Königlichen Marine war auch ein Weg, um an der Oberfläche des großen Tabuthemas zu kratzen: Dads Kriegsjahre. Wir konnten darüber nicht direkt sprechen, also baute ich einfach weiter. Verdammt, wir englischen Kinder hatten es leicht; worüber redeten die deutschen Kids meiner Generation mit ihren Vätern. Nicht viel, wie ich später herausfand, aber daraus entstand ein Antrieb für all die große, tiefgründige deutsche Kunst und Musik der Siebziger und Achtziger.
Ich legte in meiner Obsession noch einen Zahn zu, als ich begann, Modelle von Napoleons Grande Armée zu sammeln und anzumalen. Besonders liebte ich echte Rockstars wie Marschall Murat, der mit ausgestrecktem Arm und erhobenem Säbel auf einem mit einem Leopardenfell geschmückten Hengst in die Schlacht ritt.
Ich brauchte mehr Geld, um meine Abhängigkeit zu befriedigen, denn diese Figuren sowie ihre kleineren, in Blei gegossenen und aus Frankreich importierten Vettern kosteten viel mehr als die Airfix-Kameraden. Dad bescherte mir unbeabsichtigt eine weitere Fähigkeit fürs Leben. Ich wurde der Autowäscher der Nachbarschaft.
All diese Uniformen an Sieben-Zentimeter-Figurinen bis ins winzigste Detail zu bemalen, die Schulterklappen, Tressen, Schärpen und Stiefel, das prägte mein ästhetisches Empfinden. Man kann bei Duran Duran auf der Bühne noch heute den Einfluss von Airfix erkennen. Ich kann mich einfach nicht davon befreien.
Außerdem war ich ein Autonarr, eine andere Leidenschaft, die ich von Dad geerbt hatte. Es gab keinen stolzeren Autobesitzer als ihn, und die Beziehung zu seinen verschiedenen Autos war beinahe erotisch. Jede freie Stunde verbrachte er allein mit dem Wagen in der Garage, um herumzuwerkeln, sich schmutzig zu machen und Dinge nach seinen Vorstellungen anzupassen. Bei jedem noch so leisen Knattern, jeder Vibration während der Fahrt flippte er aus, und sobald wir zu Hause waren, verschwand er und nahm das Auto auseinander, bis er die Ursache für das Geräusch gefunden und beseitigt hatte. Er stellte sein ganzes Arbeitsleben in den Dienst der britischen Autoindustrie, und jedes Anzeichen mangelnder Vollkommenheit war für ihn eine persönliche Beleidigung.
Über die Jahre erarbeitete sich Dad in der Familie einen Ruf als ausgewiesener Fahrlehrer, denn er hatte zahlreichen Onkeln und Tanten, Nichten und Neffen das Fahren beigebracht. Ausgerechnet bei seiner eigenen Frau Jean, meiner Mutter, scheiterte er.
Eines Abends nach der Schule war Dad der Meinung, es sei an der Zeit, Mum zu zeigen, wie man Auto fährt. Mum hielt das für keine so gute Idee, und der Gedanke, sich hinter das Steuer von Dads Zuchtbullen zu setzen, machte sie nervös. Sie wusste, wie sehr Dad an seinem Wagen hing und wie leicht er ausrastete. Trotzdem stiegen wir alle in den kastanienbraunen Ford – Dad für den Moment noch am Steuer – und fuhren zu dem ausersehenen, einige Meilen entfernten Parkstreifen auf dem Lande.
Dad lenkte das Auto an den Straßenrand. Vor und hinter uns lagen jeweils drei Meter hohe Schotterhaufen. Dazwischen waren vielleicht hundertachtzig Meter Platz. Mum und Dad tauschten die Plätze.
Beide waren gereizt, und etwas von der Stimmung musste sich wohl auf mich übertragen haben, denn ich hopste unruhig auf dem Rücksitz herum und quetschte mich wie immer zwischen die Vordersitze, um richtig mitzubekommen, wie der „Unterricht“ ablief.
Dann legte Mum den ersten Gang ein, ohne den Gebrauch der Kupplung in Betracht zu ziehen (das war in den Tagen, bevor das Automatik-Getriebe nach England kam), und ein kreischender Ton erfüllte das Cockpit.
„Himmel, Jean! Du zerstörst die Gangschaltung!“
Mum war starr vor Schreck.
„Oh, Jack … ich weiß nicht, was ich überhaupt machen soll. Nigel!“ –
das bin ich – „Setz dich wieder hin!“
„Du musst die Kupplung treten, bevor du den Gang einlegst. Benutze den linken Fuß“, sagte Dad.
Wieder versuchte Mum, den Gang einzulegen. Aber dieses Mal hörten wir nicht nur das Kreischen, der Wagen hüpfte schwerfällig vorwärts, bumpa bumpa BUMPS!
Der Motor war abgewürgt.
„Um Gottes Willen, Jean, was ist los mit dir?“ Mum war den Tränen nahe, ihr Gesicht rot angelaufen.
„Vergiss es“, sagte sie trotzig. „Ich will nicht fahren, lass mich raus.“
Sie bekam die Tür nicht auf, und Dad machte sein gefährliches, zorniges Gesicht, als würde er gleich platzen. Dann schwang er sich aus dem Beifahrersitz, stampfte vorne um das Auto herum und öffnete die Fahrertür, damit Mum aussteigen konnte. Sie kletterte zurück auf den Beifahrersitz, und Dad setzte sich wieder ans Steuer.
„Und du! Setz dich! Setz dich verdammt noch mal wieder hin!“, sagte er zu mir. Das Auto verließ die Parkbucht, wobei in völlig untypischer Weise die Räder durchdrehten.
Und das war es dann. Mums erste und einzige Fahrstunde war zu Ende. Jedes Mal, wenn künftig davon die Rede war, wurde meine Rolle unweigerlich ein Stück größer, bis ich der Hauptgrund für das Desaster war.
„Wie hätte ich mich denn konzentrieren sollen, so wie du hinten rumgesprungen bist?“
7: Junior Choice
Jeden Samstagmorgen versammelten wir drei – Mum, Dad und Nigel –
uns am Küchentisch, um zu frühstücken. Im Radio lief um acht Junior Choice mit Ed „Stewpot“ Stewart, das Kindern und ihren Eltern eine weitere hervorragende Möglichkeit bot, einander näher zu kommen.
Aus dem ganzen Land schickten die Leute Briefe. Ed begann sie vorzulesen: „Wir haben einen Brief von Edith Baker aus Accrington. ‚Lieber Ed, unser Jimmy feiert am Samstag seinen achten Geburtstag, und für seine Feier hat er sich einen Kuchen mit einem Bild von dir darauf gewünscht!‘“
Glucksend fuhr Ed fort: „Ich kann mir niemanden vorstellen, der diesen Kuchen essen will, Edith, sind Sie sicher, dass es eine gute Idee ist? Sie schreibt weiter: ‚Wir verpassen die Sendung nie. Könnten Sie ihm bitte etwas aus dem Dschungelbuch vorspielen‘. Nichts lieber als das“, sagte Ed in seiner freundlichen, näselnden Stimme.
Und los ging’s mit „I Wanna Be Like You“. Keith Wests „Excerpt From A Teenage Opera“ wurde in Junior Choice gerne gespielt, ebenso „Puff The Magic Dragon“ und alles von Mary Poppins. Und wir waren alle Wachs in Eds Händen, wann immer er „Supercalifragilisticexpialidocious“ spielte.
Um zehn Uhr war die Sendung vorbei, und wir machten uns für den Wochenend-Einkauf fertig. Sonntags zogen wir uns für die Kirche an. Obwohl Dad nicht arbeitete, kam er merkwürdigerweise auch sonntags nicht mit uns in den Gottesdienst. Er zog es vor, im Auto zu sitzen und die Zeitung zu lesen. Würde Dad deshalb nicht mit Mum und mir in den Himmel kommen?
Zu Hause hörten wir nachmittags wie gebannt Rundfunksendungen. Dad hatte dem Trend nachgegeben und sich in den frühen 1970ern auch eine HiFi-Anlage zugelegt, was in meinen Augen eine notwendige Entwicklung war, so wie das zusätzliche Vinyl-Dach für den Ford oder Nylon-Shirts. Das bedeutete, dass wir jetzt im Fernsehraum Musik abspielen und Radio hören konnten.
Die HiFi- oder Stereo-Anlage – dieses System besaß zwei Lautsprecher –
stand auf einem speziell angefertigten Bord links von Dads Polstersessel und gehörte damit klar in seinen Machtbereich. Er fing an, Alben zu kaufen: Dvoraks Greatest Hits und Rimsky-Korsakovs großartige Scheherazade.
Für manche Einkäufe taten sich Mum und er zusammen, etwa für Max Bygraves Sing-Along-A-Max-Serie. Max tat damals, was Rod Stewart später mit The Great American Songbook machte. Das war tolle Partymusik, wenn meine Tanten und Onkel zu Besuch waren und Drinks serviert wurden.
Aber im Grunde waren die Taylors eine Radio-Familie.
Wenn die Langeweile von Dads