EMP. Andrea Ross

EMP - Andrea Ross


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ganz schön geschwitzt habe.

      In informationstechnisch besser ausgestatteten Zeiten hätte meine Flunkerei natürlich niemals funktioniert, sie wäre nach einer Rückfrage Schneiders sofort als solche identifiziert worden. So paradox es klingt: Ich hatte mir zum ersten Mal die Folgen des EMP für unsere Zwecke zunutze machen können.

      Jetzt gehe ich erst einmal etwas essen. Danach werde ich in der friedlichen Abgeschiedenheit meines kleinen Zimmers den Rest der turbulenten Erlebnisse dieses Tages niederschreiben, bevor mich die Müdigkeit vollends übermannt.

      *

      Schon als Peter und Klaus, gefolgt von allen anderen Mitbewohnern bei ihrer Rückkehr das Gelände betraten, erschrak ich regelrecht. Auf Anhieb konnte ich ihnen aufgrund von Mimik und Körperhaltung ansehen, dass es sich hier um einen reichlich demotivierten, frustrierten Trupp handeln musste.

      Was mochten sie in der Stadt erlebt haben, was konnte meinen Gefährten Unangenehmes widerfahren sein? Ich brannte darauf, Näheres hierüber zu erfahren, denn die neu gesammelten Erkenntnisse würden ja schließlich auch mich in gleichem Maße betreffen. Als Soldat Schneider sich endlich auf den Weg machte, um mit froher Kunde zu seiner Einheit zurückzukehren, sah ich den richtigen Moment gekommen, Fragen stellen zu können.

      »Na, meinen Teil der Geschichte über diesen Nachmittag habt ihr ja soeben zur Genüge mitbekommen. Aber jetzt erzählt mal, wie ist es bei euch gelaufen? Ich platze vor Neugier! Ein paar Tüten habt ihr aus der Stadt immerhin mitgebracht, wie ich sehe.« Peter blickte drein, als wäre er drauf und dran, jemandem den Kragen umzudrehen oder einen Amoklauf zu starten. »Sei bloß froh, dass du nicht dabei warst! Heute habe ich mich zum ersten Mal ernsthaft gefragt, ob es der Mensch vielleicht gar nicht wert ist, zu überleben! Guck mal bitte in diese Plastiktüten und schätze,

      was die Sachen dort drin gekostet haben könnten!«

      Mit fragendem Blick schnappte ich mir die Tüten, überflog grob den Inhalt. Jede Menge Nudelpackungen, Fertigsoßen, Duschgel, Zucker, Salz, ein paar Konserven und Instant-Kaffee konnte ich auf Anhieb erkennen. Vier große Tüten voll.

      »Na ja – vielleicht so 150 bis 180 Euro, alles in allem?«, fragte ich zaghaft. Sehr lange werden uns diese paar Lebensmittel sowieso nicht reichen, wir haben schließlich insgesamt 18 Personen zu verköstigen.

      Peter schnappte scharf nach Luft. »Oh ja, noch vor einer Woche hättest du die Preise wahrscheinlich gar nicht schlecht geschätzt! Aber an dir ist auch bislang die sprunghaft explodierende Inflation, oder vielmehr der skrupellose Wucher unbemerkt

      vorbeigegangen, der inzwischen dort draußen die hässlichen Blüten der Gier austreibt«, stieß er ironisch hervor.

      »Dann will ich dich mal aufklären: Diese paar Sachen haben genau 3.558 Euro und 37 Cent gekostet, doch wir hatten keine andere Wahl! Die vielen Leute im Supermarkt haben sich die Sachen gegenseitig rücksichtslos aus den Händen gerissen, da blieb uns keinerlei Zeit zum Überlegen oder für Diskussionen.

      Ich musste geschlagene eineinhalb Stunden lang in einer endlosen Schlange an der Kasse stehen, denn die Angestellte hat sämtliche Waren genervt mit Block und Stift aus dem Kopf zusammenrechnen müssen, worin sie nicht sehr geübt zu sein schien. Die anderen haben derweil draußen gewartet, wurden des Öfteren zur Seite geschubst und angepöbelt.

      Widerstandslos zahlen, oder halt mit leeren Händen gehen und verhungern, das waren die beiden einzigen Optionen, die uns dort drinnen blieben. Jetzt sind wir so gut wie pleite!«.

      Ich bin selten sprachlos, doch in diesem entmutigenden Moment vor zwei Stunden blieb mir schier die Spucke weg. Die Vorstellung, dass es da draußen Menschen gibt, die im Grunde genau wie wir unter den Folgen des EMP zu leiden haben, also im selben Boot sitzen und dennoch nur an ihren eigenen Vorteil denken, verursacht in mir Ekelgefühle und Wut. Warum müssen sich nur manche Leute am Leid ihrer Mitmenschen auch noch bereichern?

      »Scheiße!«, sagte ich betroffen zu Peter; etwas Erquicklicheres fiel mir beim besten Willen nicht ein. »Dann konntet ihr wohl auch kein zusätzliches Geld bei der Bank abholen? Dass die Geldautomaten nicht mehr funktionieren, ist ja sonnenklar. Aber eigentlich müssten die Banken doch wenigstens in der Filiale Bargeld aus den Guthaben herausrücken, das steht dem Kunden rechtlich zu!«, dachte ich laut nach.

      Peter schüttelte resigniert den Kopf; er sah mich an, als hätte ich etwas besonders Dummes gesagt.

      »Bei allen Banken, an denen wir vorbeikamen, bot sich annähernd das gleiche Bild. In den Fensterscheiben hängen handgeschriebene Plakate, auf denen man sich bei den geschätzten Kunden heuchlerisch für die Unannehmlichkeiten entschuldigt; man bitte um ein wenig Geduld und hoffe, dass die Schwierigkeiten bald behoben seien und man zum normalen Geschäftsbetrieb zurückkehren könne.

      Die Texte gleichen sich im Wesentlichen wie ein Ei dem anderen: Sorry, der Geldautomat funktioniert momentan nicht, Barabhebungen sind daher ausgeschlossen. Da die jeweiligen Kontostände wegen ebenfalls funktionsunfähiger Computer nicht abgefragt werden können, zahle man zurzeit auch sonst kein Geld aus, die Filiale bleibe bis auf weiteres geschlossen.

      Im Übrigen seien sämtliche Geldbestände mit einer Zeitschaltuhr gesichert, welche bei einem längeren Stromausfall den Tresorraum verriegelt hält. Man brauche sich also gar nicht erst an einer Plünderung versuchen.«

      Nur sehr langsam und zäh drang mir die bittere Erkenntnis bis ins Bewusstsein durch, was diese katastrophalen Neuigkeiten für uns bedeuten; mein Gehirn weigerte sich wahrscheinlich mit aller Kraft, die schreckliche Wahrheit zu verarbeiten. Ich sank in mir zusammen und sah in Peters leere Augen, in denen pure Resignation zu lesen war.

      »Dann war dies wohl unser letzter Einkauf!«, konstatierte ich.

      »Und das nur, weil einige Unmenschen den Hals nicht voll kriegen können! Würden sie normale Preise verlangen, dann hätte unser Geld gleich viel länger gereicht.«

      Peter schüttelte traurig den Kopf. »Nein, das hätte im Grunde unsere Situation auch nicht wesentlich verbessert. Wären die Waren billiger geblieben, dann hätten eben viel mehr Leute die Chance genutzt, heute noch mit ihrem restlichen Geld einkaufen zu gehen; dann hätten wir vermutlich gar nichts mehr ergattern können. Du kannst es drehen und wenden, wie du willst: die Lage ist bedenklich, wenn nicht sogar aussichtslos!«

      Verdammt, Peter hat natürlich recht! Aber jetzt, nachdem ich nach Überwindung des ersten Schocks in meinem Zimmerchen ein wenig nachgegrübelt und mich selber bemitleidet habe, regt sich in mir verzweifelter Widerstand. Nö, ich möchte definitiv nicht einfach aufgeben und unsere missliche Lage akzeptieren!

      Morgen werde ich Alexandra fragen, ob sie bereit wäre, einen weiteren »Katastrophen-Stadtbummel« mit mir zu ertragen, auch wenn uns dieser bestimmt ziemlich deprimieren wird. Ich muss mir unbedingt ein eigenes Bild von den Zuständen in Bayreuth machen, vielleicht kommt mir ja eine brauchbare Idee. Das wird garantiert ziemlich anstrengend werden, daher gehe ich heute ausnahmsweise etwas früher schlafen.

      

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