Briefe an Olympias und Papst Innocentius. Johannes Chrysostomos
und so hinausgetrieben, und voll Blutes wurden die Taufbrunnen, vom Blute röthete sich das geweihte Wasser. Und auch damit hatten die Schrecken ihr Ende noch nicht erreicht. Die Soldaten, von denen Einige, wie ich später erfahren habe, nicht in die heiligen Geheimnisse eingeweiht waren, drangen auch da hinein, wo das Allerheiligste aufbewahrt wurde, sahen Alles, was drinnen war, und das heiligste Blut Christi wurde, wie es eben nur bei einer solchen Verwirrung vorkommen kann, diesen Soldaten über die Kleider ausgeschüttet. Alles Mögliche wurde verübt, wie wenn die Stadt durch Barbaren eingenommen wäre. Das Volk wurde auf das Feld hinausgetrieben, die große Menge der Einwohnerschaft hielt sich ausserhalb der Stadt auf, leer waren an dem hohen Festtag die Kirchen, mehr als vierzig Bischöfe, die nämlich mit mir in Gemeinschaft standen, wurden sammt dem Klerus und Volk muthwilliger Weise und ohne Ursache hinausgejagt. Überall Jammern und Wehklagen und Ströme von Thränen, auf den öffentlichen Plätzen, in den Häusern, auf den Feldern, in jedem Theile der Stadt, überall war man voll von diesen schrecklichen Begebenheiten. Denn wegen des Übermaßes der Frevel trauerten nicht nur Die, welche darunter zu leiden hatten, sondern mit uns trauerten auch Solche, denen Nichts widerfuhr, nicht die Rechtgläubigen allein, sondern auch Häretiker, Juden und Heiden, und wie wenn die Stadt mit Gewalt erstürmt worden wäre, dermaßen herrschte überall Verwirrung, Schrecken und Wehklagen. Und diese Frevel wurden begangen gegen die Willensmeinung des fromm gesinnten Kaisers, bei vorgerückter Nacht; Bischöfe waren die Anstifter, und überdieß an vielen Stellen die Anführer, indem sie sich nicht schämten, statt der Diakonen Unteroffiziere vor sich her schreiten zu lassen. Als es Tag geworden war, wanderte die ganze Bürgerschaft aus dem Gebiet der Stadtmauern hinaus, und feierte gleich zerstreuten Schafen, unter Bäumen und in Schluchten den Festtag.
4.
Ihr möget euch nun selbst vorstellen, was Alles in Folge dieser Ereignisse geschehen ist. Denn es ist, wie ich schon vorhin bemerkte, ganz unmöglich, Das alles im Einzelnen zu erzählen. Das Schlimmste ist nun, daß diese zahlreichen, überaus großen Frevel und Übelstände auch jetzt noch kein Ende gefunden haben, ja noch nicht einmal Aussicht und Hoffnung auf ein Ende zulassen. Im Gegentheil, Tag für Tag dehnt sich das Unheil aus, und zum Gespött sind wir dem großen Haufen geworden — doch nein, es lacht und spottet kein Mensch, wäre er auch tausendmal ein Verbrecher; Alle trauern, wie gesagt, über diese maßlosen Leiden, über diese unerhörten Frevel. Was soll man von den Wirren sagen, die in den übrigen Kirchen herrschen? Das Unheil hat sich nämlich nicht auf diese Stadt beschränkt, sondern ist sogar bis in das Morgenland vorgedrungen. Denn wenn sich vom Kopfe aus böse Säfte ergießen, leiden darunter die übrigen Glieder; ebenso hat jetzt auch in dieser großen Stadt das Unheil seinen Anfang und seine Quelle, und hat sich nun nach allen Seiten ausgebreitet. Überall ist der Klerus gegen die Bischöfe aufgestanden, haben sich Bischöfe von Bischöfen, Gemeinden von Gemeinden losgesagt, während andere dazu im Begriffe sind; überall ist neues Unheil im Entstehen, und zerstört ist die Ordnung auf der ganzen Welt.
Nachdem ihr nun Das alles vernommen, meine ehrwürdigen und gottseligen Herren, lasset die muthige Entschiedenheit und Sorgfalt walten, die euch zukommt, um diesen großen Freveln, welche die Kirchen verheeren, Heilmittel entgegenzustellen. Denn wenn diese Gewohnheit einreissen sollte, wenn es Jedem nach Belieben freistehen sollte, sich aus so weiter Ferne in fremde Diözesen zu begeben und dort hinauszujagen, wen er will, und aus eigener Machtvollkommenheit zu thun, was ihm beliebt — ja dann hat bald Alles ein Ende, ein unversöhnlicher Krieg wird sich über die ganze Welt verbreiten, indem Jeder den Andern verjagt und selbst wieder verjagt wird. Damit nun nicht eine so große Verwüstung auf der ganzen Erde zur Herrschaft gelange, laßt euch erbitten, durch ein Schreiben zu erklären, daß die Entscheidungen und Maßregeln, die so sehr gegen alles Recht und Gesetz, in meiner Abwesenheit, ganz einseitig, und zwar während ich mich einem Gerichte durchaus nicht entziehen wollte, getroffen worden sind, gar keine Giltigkeit besitzen (wie sie denn auch ihrem ganzen Wesen nach ungiltig sind), und daß Diejenigen, welche solcher Frevel überführt werden, der in den Kirchengesetzen bestimmten Strafe unterliegen. Ich aber, der ich nicht auf irgend einem Vergehen ertappt, noch schuldig befunden, noch überhaupt zur Rechenschaft gezogen bin, — gewähret mir, daß ich mich auch fortan immer eurer Zuschriften, eurer Liebe und alles Andern wie sonst erfreue. Wenn aber die Leute, die derartige Vergehen begangen haben, auch jetzt noch beabsichtigen, Anklagen vorzubringen zur Begründung meiner ungerechten Vertreibung, der weder eine Übergabe der Schriftstücke an mich, insbesondere der Klageschriften, noch eine Mittheilung über die Person der Kläger voraufgegangen ist: so mag ein unparteiisches Gericht gebildet werden, dann will ich mich stellen, mich vertheidigen und meine Schuldlosigkeit betreffs der erhobenen Anklagen nachweisen, wie ich denn auch wirklich schuldlos bin. Denn was jetzt von ihrer Seite geschehen ist, Das liegt ausserhalb jeder Ordnung, jedes Gesetzes und jeder kirchlichen Satzung. Ja was rede ich von kirchlichen Satzungen? Selbst bei den Gerichten der Heiden hat man dergleichen nie gewagt, ja nicht einmal in einem Gericht von Barbaren würden jemals Skythen oder Sarmaten ein solches Urtheil gefällt haben: so einseitig, in Abwesenheit des Verklagten, der sich nicht einem Gericht, sondern dem feindseligen Hasse entziehen will, der tausend Richter anruft, seine Unschuld behauptet und sich bereit erklärt, vor dem Angesicht der ganzen Welt die Anklagen von sich abzuwälzen und in allen Punkten seine Schuldlosigkeit zu beweisen.
Wenn ihr nun Das alles erwogen, und von den Bischöfen, meinen Herren und unsern gottseligen Brüdern, Alles noch genauer vernommen habt, so geruhet mir eurerseits eure eifrige Fürsorge zuzuwenden. Denn dadurch werdet ihr nicht bloß mir willfahren, sondern auch der Gesammtheit der Kirchen eine Wohlthat erweisen, und dafür den verheissenen Lohn von Gott erhalten, der ja Alles thut für den Frieden der Kirchen. Erfreue dich dauernder Gesundheit, und bete für mich, mein ehrwürdigster und heiligster Herr. Zweiter Brief.
Zweiter Brief.
1.
Dem römischen Bischof Innocentius Gruß im Herrn von Johannes.
Mein Leib ist zwar auf einen einzigen Ort beschränkt, aber die Flügel der Liebe tragen mich über die ganze Welt. Daher bin ich auch euch nahe, wenngleich durch einen so großen Zwischenraum von euch getrennt; daher bin ich jeden Tag mit euch zusammen, und schaue mit den Augen der Liebe den Heldenmuth eurer Seele, eure aufrichtig treue Gesinnung, eure unüberwindliche Festigkeit und die beständige, kräftige Ermuthigung, die mir von euch zu Theil wird. Denn je gewaltiger die Fluthen sich erheben, je mehr Felsen und Klippen auftauchen, je heftiger die Stürme wüthen: desto mehr nimmt eure Wachsamkeit zu, und weder die weite Entfernung, noch die lange Dauer, noch die Schwierigkeit der Verhältnisse hat euren Eifer erlahmen lassen. Im Gegentheil, ihr folget unermüdet dem Beispiel eines wackern Steuermanns, der dann die größte Wachsamkeit und Sorge aufwendet, wenn er sieht, daß die Wogen sich aufthürmen, das Meer heftiger aufwallt, wenn die Fluthen gewaltig tosen und der Tag sich in die tiefste Nacht verwandelt. Daher bin ich euch auch sehr dankbar und möchte euch gern Wolken von Briefen zusenden, was mir selbst die meiste Freude machen würde. Allein daran bin ich durch die Abgelegenheit dieser Gegend gehindert. Denn nicht bloß die Leute, welche aus eurer Gegend herkommen, sondern auch die Bewohner unseres Landes können kaum zu mir gelangen, einmal weil der Ort, an dem ich eingeschlossen bin, so fern und hart an der Grenze liegt, und dann auch, weil man die Räuber fürchtet, welche den ganzen Weg belagern. Deßhalb bitte ich euch, mich wegen meines langen Schweigens nicht der Nachlässigkeit zu beschuldigen, sondern mich vielmehr zu bemitleiden. Ich habe nicht etwa aus Geringschätzung geschwiegen: habe ich mich doch jetzt, sobald ich — nach langer Zeit — mit dem ehrwürdigen und geliebten Priester Johannes und dem Diakon Paulus zusammengetroffen bin, sogleich angeschickt zu schreiben und euch ohne Unterlaß Dank zu sagen, daß ihr selbst zärtlich liebende Väter durch eure wohlwollenden Bemühungen für mich in Schatten gestellt habt. In der That, so weit es auf euch ankommt, hätte sich Alles gehörig zum Bessern gewendet, der Wust des Unheils und die Ärgernisse wären hinweggeräumt, die Gemeinden würden sich des Friedens und einer erquickenden Ruhe erfreuen, Alles ginge seinen geordneten Gang, verachtete Gesetze und übertretene Satzungen der Väter hätten ihre Rächer gefunden. Da nun aber in Wirklichkeit Nichts davon geschehen ist, und dieselben Frevler ihre frühern Verbrechen noch überbieten, so will ich, ohne im Einzelnen alle ihre später verübten