Venedig. Geschichte – Kunst – Legenden. Max R. Liebhart
entsteht weniger der Eindruck, vor einem Altar, als vor einer „barocken Szenerie“ zu stehen. An der linken Seitenwand der linken Trabantenkapelle hängt ein Spätwerk Tintorettos, eine Fußwaschung. Das Bild ist in dem Dunkel, das hier meistens herrscht, kaum erkennbar und befindet sich auch in einem schlechten Zustand.
Rechts von der Fassade dieser Kirche erhebt sich eine ganz üble Bausünde, die hässliche Rückseite des Luxushotels Bauer Palace. Dieser Bau entstand in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg, da Widerstandskämpfer den Vorgängerbau wegen seiner Nutzung als Quartier der Militärverwaltung und der SS im Kriege gesprengt hatten. Schon zur Zeit der Entstehung des neuen Gebäudes war dessen Architektur stark umstritten. Huse spricht von einem „Block von plumper Modernität, der selbst in der vermeintlichen Zurückhaltung präpotent wirkt und bereits durch seine Verkleidung in römischem Travertin zu verstehen gibt, dass Bauherr und Architekt mit Venedig wenig im Sinn hatten.“
Die Salizada di S. Moisè führt weiter in Richtung S. Marco, vorbei an einer Reihe ausgesprochen luxuriöser Geschäfte, während in der nach links abzweigenden Frezzeria die Läden teilweise etwas bürgerlicher wirken.
Hier wurden früher die frecce, also die Pfeile verkauft, die für die Geflügeljagd in der Lagune verwendet wurden. Es gibt einige Gesetze aus dem 14. Jahrhundert, aus denen hervorgeht, dass die Venezianer verpflichtet waren, sich regelmäßig im Pfeilschießen zu üben. Die Schießübungen, zu denen alle männlichen Bewohner einer contrada im Alter von 16 bis 35 Jahren erfasst wurden, fanden einmal pro Woche statt.
In der Nähe der Frezzeria liegt völlig versteckt die kleine Kirche der Armenier, die nur an Sonntagvormittagen zum Gottesdienst geöffnet ist. Die Republik beherbergte zahlreiche unterschiedliche ausländische Gemeinschaften, deren Rechte und Pflichten genau definiert waren. Innerhalb dieser Regeln genossen die Gemeinschaften absolute Freiheit und konnten auch ihre jeweiligen ethnischen und religiösen Bräuche pflegen. Die seit dem 12. Jahrhundert nachweisbare Anwesenheit der Armenier in der Stadt erklärt sich aus den dauernden Verfolgungen, denen sie in ihrer Heimat durch die Türken ausgesetzt waren. Nach und nach wurde diese Volksgruppe zu einer der größten und auch reichsten in der Stadt. Der jetzige Kirchenbau entstand in den Jahren zwischen 1682 und 1688, möglicherweise nach einem Entwurf von Giuseppe Sardi. Von außen ist die Kirche kaum auszumachen, ihre Kuppel ist nur von wenigen, eher versteckt liegenden Stellen aus zu sehen. Sie besitzt keine Fassade, und ihr Eingang liegt in einem Sottoportego (in der Calle degli Armeni). Der Innenraum hat einen quadratischen Grundriss und wird von einer Kuppel überfangen. Die architektonischen Elemente sind elegant und ausgewogen gebildet. Das Ganze ist nicht bedeutend im eigentlichen Sinn, enthält auch keine herausragenden Kunstwerke. Doch ist es ein heiterer, stiller Ton im Konzert der venezianischen Kirchen.
Die Salizada di S. Moisè geht in die Calle Vallaresso über, die hier nach rechts abbiegt. Hier liegt heute das Hotel Luna, an dessen Stelle einmal ein Kloster des Templer-Ordens stand. Die Calle Vallaresso mit sehr exklusiven Geschäften führt zur Haltestelle S. Marco, von der sich ein sehr schöner Blick über den Bacino und zur Salute-Kirche bietet. Unter der Hausnummer 1332 ist der Palazzo Dandolo zu finden, in dem sich einst das berühmteste Spielcasino (Ridotto) der Stadt befunden hat. Das, was davon übrig geblieben ist, war lange Zeit nicht zugänglich, ist jedoch jetzt wiedererstanden und in das Hotel Monaco integriert worden. Der alte Ballsaal im ersten Stock präsentiert sich heute wieder in der gleichen Pracht, wie er von zeitgenössischen Darstellungen her bekannt ist.
Zurück auf der Salizada di S. Moisè kommt man zur Rückseite der Ala Napoleonica am westlichen Ende des Markusplatzes und zur Calle dell’Asuncion, in der früher ausländische Gesandte untergebracht waren. Hier stand bis 1824 die Kirche der Ascensione, der Himmelfahrt. Dieser Ausdruck wurde im Venezianischen zur sensa, dem Fest der Vermählung mit dem Meere, das laut Überlieferung von Papst Alexander III. inauguriert wurde, als er 1177 in der Stadt weilte. Weiter geht man durch den dunklen Säulenwald unter der Ala Napoleonica hindurch und tritt, geblendet von Licht, Weite und Schönheit, auf die Piazza, um auf S. Marco zuzuschreiten, was im Leben eines Menschen jedes Mal von neuem ein großer Augenblick ist. Hofmannsthal besingt ihn mit den Worten: „... endlich durch einen dumpfen finsteren Schwibbogen hinaus auf den großen Platz, der dalag wie ein Freudensaal, mit dem Himmel als Decke, dessen Farbe unbeschreiblich war: denn es wölbte sich das nackte Blau und trug keine Wolke, aber die Luft war gesättigt von aufgelöstem Gold, und wie ein Niederschlag aus der Luft hing an den Palästen, die die Seiten des großen Platzes bilden, ein Hauch von Abendrot.“
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