Seewölfe - Piraten der Weltmeere 277. Roy Palmer

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 277 - Roy Palmer


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      Impressum

      © 1976/2017 Pabel-Moewig Verlag KG,

      Pabel ebook, Rastatt.

      ISBN: 978-3-95439-674-0

      Internet: www.vpm.de und E-Mail: [email protected]

      Inhalt

       Kapitel 1

       Kapitel 2

       Kapitel 3

       Kapitel 4

       Kapitel 5

       Kapitel 6

       Kapitel 7

       Kapitel 8

       Kapitel 9

       Kapitel 10

      1.

      Callaghans kleine, gerötete Augen waren unentwegt auf Henrietta Burke gerichtet, während er seinen Becher leertrank. Er setzte ihn ab, gab einen schmatzenden Laut des Wohlgefallens von sich und fuhr darin fort, sie anzüglich zu mustern.

      Sie versuchte, ruhig zu bleiben, mußte aber ihre ganze Selbstbeherrschung aufwenden, um nicht aufzuspringen und laut loszuschreien. Hilflos war sie diesen Kerlen ausgeliefert. Bald konnten sie mit ihr tun, was sie wollten, denn es dauerte nicht mehr lange, und auch Finbar Murphy erlag der Wirkung des vielen Bieres, das er getrunken hatte.

      Bisher hatte er noch darauf geachtet, daß keiner seiner Kumpane ihr zu nahe trat, aber seine Wachsamkeit ließ merklich nach, und auch der Anflug eines leicht dümmlichen Lächelns, der jetzt um seine Lippen spielte, entging Henrietta keineswegs.

      Fieberhaft begann sie zu überlegen, ob es nicht doch eine Möglichkeit zur Flucht gab. Aber was sollte sie tun? Wenn sie auch nur zwei Schritte tat, fielen die Kerle über sie her und warfen sie zu Boden, niemals gelangte sie an ihnen vorbei. Außerdem warteten sie ja nur darauf, daß sie etwas unternahm, damit sie einen Grund hatten, sie dafür zu bestrafen – auf ihre Weise, das verstand sich von selbst.

      Callaghan hatte sich in der letzten halben Stunde schon mehrfach durch seine häßlichen Andeutungen hervorgetan. Die anderen hatten begeistert darüber gelacht und sich auf die Schenkel und die Knie geschlagen. Offenbar hatten sie sich noch nie derart amüsiert, und vielleicht war es sogar wirklich so.

      Ja, sie kosteten die Angst ihrer Gefangenen aus und weideten sich an ihrem Benehmen und dem flackernden Blick ihrer Augen.

      Sie versuchte, sich in die Lage dieser Männer zu versetzen. Sie waren Rebellen im irischen Hinterland und haßten die Einwohner von Galway wie die Pest. In ihren Augen waren diese Nachfahren der Normannen überhaupt keine richtigen Iren – wenn man von den in The Claddagh lebenden Familien einmal absah –, und die wenigen dort ansässigen Iren und Anglo-Iren galten für sie als die schlimmsten Bastarde, weil Galway den Engländern die Stiefel leckte und Handel mit ihnen trieb.

      Für diese Kerle hier, die sie, Henrietta, in einen alten Kornspeicher verschleppt hatten und gefangenhielten, um von ihrem Vater ein Lösegeld zu erpressen, hatte es die Kapitulation von 1583 nie gegeben, sie hatten sie für null und nichtig erklärt und führten weiterhin ihren erbitterten Krieg gegen den Feind Galway und den Feind England.

      Sie waren Dickschädel, die sich lieber köpfen ließen, als die Waffen zu strekken und auf die englische Friedens- und Siedlungspolitik einzugehen, allen voran Finbar Murphy, ihr Anführer.

      Er war ein verwegener Bursche, vom jahrelangen Leben in der Wildnis geprägt wie auch seine Begleiter. Seine Vorfahren, das wußte Henrietta, waren irische Stammeshäuptlinge gewesen, und er träumte davon, die alte Ordnung wieder aufzubauen und die Engländer aus dem Land zu jagen.

      Er war ein rothaariger Mann, wie sollte es wohl anders sein, und hatte einen von vielen Narben gezeichneten Körper mit stählernen Muskeln. Seine Augen waren hellgrün und offensichtlich sehr scharf, auf seiner rechten Wange prangte eine Messernarbe. Sie schätzte sein Alter auf etwa dreißig Jahre.

      All dies vermochte sie sich vor Augen zu halten und zu einem Bild zusammenzufügen, denn sie hatte eine rege Intelligenz. Verständnis aber oder gar stille Bewunderung für Murphy und dessen Bande vermochte sie nicht aufzubringen. Sie hielt sie ganz einfach für primitiv und zu jeder Gemeinheit fähig.

      Hatte sie nicht selbst gesehen, wie sie mit ihren Bewachern umgesprungen waren, als sie auf dem Flußboot von Lord Harvey Morris-Smithwicks Festung nach Galway zurückgekehrt und überfallen worden war? Nur einen Mann aus der Truppe hatten die Rebellen am Leben gelassen, und das nur, damit sie wenigstens einen Boten hatten, der nach Galway reiten und George Darren Burke, Henriettas Vater, die Hiobsbotschaft überbringen konnte. Burke, der wichtigste Mann von ganz Galway, wußte jetzt also von dem Schicksal seiner über alles geliebten Tochter. Und es blieb ihm nichts anderes übrig, als die tausend Gold-Dublonen zusammenzutragen und zu überbringen, die Murphy für die Herausgabe des Mädchens forderte.

      Somit hatte Finbar Murphy das Oberhaupt des Burke-Clans auf besonders empfindliche Weise getroffen. Er wußte genau, daß Burke an niemandem sonst so sehr hing wie an seiner jüngsten Tochter Henrietta – und er zweifelte daher nicht daran, daß sein Erzfeind die verlangte Summe zahlen würde. Am Geld mangelte es Burke nicht, er trieb ja einen höchst gewinnbringenden Handel mit den Spaniern.

      Die Rebellen hatten also allen Grund, sich zu freuen und die Mäuse auf dem Tisch tanzen zu lassen. Gleich nach der Ankunft in dem halb verfallenen Kornspeicher, der zu einem ehemaligen anglo-irischen Gut gehörte – die Gutsgebäude waren während der großen Rebellion vor zehn Jahren von Murphys Freunden niedergebrannt worden –, hatten sie mit dem Biertrinken angefangen.

      Henrietta hatte noch nie zuvor derart große Mengen Flüssigkeit die Kehlen von Männern herabrinnen sehen. Allem Anschein nach tranken die wilden Kerle um die Wette, und natürlich brachten sie sich in Stimmung für das, was vor ihnen lag. Daß dies passieren würde, stand für sie genauso unumstößlich fest wie auch für Henrietta. Murphy konnte nicht ewig wachen. Über kurz oder lang würde er einschlafen.

      Callaghan betrachtete das Mädchen und fuhr sich mit der Zungenspitze über die Lippen. Herrgott, wie lange hatte er schon keine Frau mehr gehabt! Und jetzt saß da so ein berückendes Wesen, genau ihm gegenüber, und wartete doch wahrscheinlich nur darauf, von ihm beglückt zu werden. Durfte er sich diese einmalige Gelegenheit entgehen lassen?

      Henrietta war erst neunzehn Jahre alt, eine dunkelhaarige natürliche Schönheit mit gepflegtem Äußeren und den besten Manieren. Ihr geheimer Traum war es, einen englischen Adligen zu heiraten und das gesellschaftliche Leben in London zu genießen. Doch wenn sich die Situation jetzt so entwickelte, wie sie begreiflicherweise befürchtete, dann war für sie nicht nur jeder Traum in unerreichbare Ferne gerückt, sondern ihr auch versagt, sich jeder Art von Wunschvorstellung hinzugeben.

      Bald sterbe ich, dachte sie, es hat ja doch alles keinen Sinn.

      Callaghan schien sie mit seinem gierigen Blick auf der Stelle festzunageln. Sie bemühte sich, ihn nicht anzusehen, und doch wurde sie von seiner Erscheinung fast magisch angezogen, so, wie eine Maus den hypnotisierenden Augen einer Schlange erliegt.

      Callaghan wischte sich mit dem Handrücken den Bierschaum vom Mund. Er war ein großer Mann mit breiten Schultern und


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