Seewölfe Paket 14. Roy Palmer

Seewölfe Paket 14 - Roy Palmer


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seine fürchterlichste Niederlage bereitet hatte. Er sah den wilden und verwegenen Kerl vor sich, der ihn damals mit dem Degen traktiert, ihn unbarmherzig nach Strich und Faden verdroschen und so schwer verletzt hatte, daß er fast am Ende gewesen war. Das war wie ein körperlicher Schmerz, der ihm brennend durch den Leib fuhr.

      In seinem ohnmächtigen Zorn warf er den Kieker einem Kerl ins Kreuz, der lahmarschig auf dem Deck herumstand und sich die Augen zuhielt, damit ihn die brennenden Segelfetzen nicht trafen.

      Vor Uluch Alis geistigem Auge lief die ganze Schmach und Schande noch einmal in aller Deutlichkeit ab. Er spürte Schmerzen im Magen, er fühlte eine stechende Übelkeit, und alle seine Narben, die er sich beim Kampf mit dem Seewolf eingehandelt hatte, brachen wie glühende Krater auf und überfielen ihn mit grellem Feuer.

      Tödlicher Haß trat in seine Augen, und dieser Haß steigerte sich ins Unermeßliche. Und jetzt war dieser schwarzhaarige Bastard und Hundesohn drauf und dran, ihm die nächste Niederlage zu bereiten!

      Uluch Ali griff mit einem wilden haßvollen Aufschrei nach der Peitsche, verließ das Achterdeck und prügelte wahllos auf die Kerle ein, die ihm im Weg standen. Mit überkippender Stimme und Schaum in den Mundwinkeln schrie er nach Rache. Mit der Peitsche jagte er einen Kerl erneut an die Drehbasse, der sich gerade geduckt hatte, als eine Bleikugel dicht an seinem Schädel vorbeipfiff. Er holte aus und schlug zu.

      Da sah er es drüben aufblitzen und warf sich auf die Planken. Über ihm erklang ein brüllender Schrei. Dann sackte der Mann zusammen und begrub ihn unter sich.

      Uluch Ali befreite sich von der Last, schüttelte in ohnmächtigem Zorn die Faust und drohte dem Seewolf und seinen Kerlen, die einen nach dem anderen von seinen Kerlen wegputzten.

      Aber der Seewolf gab den drohenden Gruß heiter und gelassen zurück, und er segelte die verdammte Feluke wie der Scheitan selbst, so sicher und gelassen, daß dem alten Pirat das Wasser in die Augen trat. Zwanzig Mann hatte er gehabt, zwanzig wilde teuflische Kerle, und ein fast neues Schiff.

      Jetzt hatte er bestenfalls noch ein gutes Dutzend Kerle und ein Schiff, das nur noch mit Fock und Achtersegel über das Meer trieb.

      Aber am meisten wurmte ihn, daß er drüben nur acht Männer sah. Ach was, Männer, dachte er in blinder Wut. Sechs Männer, die beiden anderen waren noch halbwüchsig, und die zeigten es ihm mit einer Härte, die ihm den allerletzten Nerv raubte.

      Er blieb aufrecht stehen, trieb seine Kerle an und zuckte zusammen, wenn es einen von ihnen erwischte, er die Arme hochwarf und schreiend zusammensackte oder einfach stumm auf die Planken fiel.

      Uluch beförderte sie über Bord, einen nach dem anderen, und dann sprang er selbst an eine Drehbasse. Wenn diese räudigen Schakale es nicht schafften, den Seewölfen eine Ladung Grobschrot in die Feluke zu ballern, dann wollte er es ihnen persönlich zeigen, jawohl, er verstand es noch, zu kämpfen und nicht zu heulen.

      Seemännisch war er diesen Himmelhunden ja doch nicht gewachsen, aber diesen Killigrew, den würde er vom Achterkastell wegputzen. Er entriß einem Mann die Lunte und rannte auf die Drehbasse zu. Dann schwenkte er das Geschütz herum und richtete es auf das Achterdeck, dorthin, wo der verhaßte Seewolf stand und ihm immer wieder freundlich und höhnisch zugleich zuwinkte, als ginge es hier um ein Wettrennen zwischen zwei Feluken und nicht um einen harten Kampf auf Leben oder Tod.

      „Na warte, du lausiger Bastard!“ schrie er. „Dir wird dein verfluchtes Grinsen gleich im Hals steckenbleiben.“

      „Uluch Ali“, sagte Matt Davies heiser. „So günstig kriegen wir ihn nie wieder. Der ist jetzt fällig, der üble Hund.“

      Dan O’Flynn gab keine Antwort. Er kauerte hinter dem Schanzkleid auf den Knien und zielte mit angehaltenem Atem auf den alten Piraten, auf dessen damaliger Galeere der Malteserritter Godefroy von Manteuffel, Hasards Vater, Frondienste hatte leisten müssen.

      Als die Feluke sich ganz sanft senkte, drückte er ab, gerade in dem Augenblick, als Uluchs Hand mit der Lunte nach unten zuckte, um sie auf das Zündkraut zu drücken.

      Der Schuß löste sich, der Rückstoß ließ Dans Brustkasten erbeben.

      Mit atemloser Spannung sahen sie, wie Uluch Ali die Lunte aus der Hand glitt, wie er hochtorkelte, einen Lidschlag lang wie unentschlossen dastand und dann ganz langsam umfiel. Noch im Sturz breitete er die Arme aus, aber dann blieben sie wie festgenagelt am Körper hängen, und er schlug schwer auf die Planken.

      „Ar-we-nack, Ar-we-nack!“ brüllte Shane so laut, daß die anderen unwillkürlich zusammenzuckte. Aber dann rissen sie alle die Arme hoch, und der alte Schlachtruf der Seewölfe dröhnte über das Wasser, so laut und so gefährlich und kampfeslustig, daß es den Kerlen da drüben vor Angst fast die Stiefel auszog.

      Hasard blickte ungläubig zu der nur noch ganz langsam segelnden Feluke hinüber. Dort war jetzt augenblicklich die Hölle los. Die Kerle rannten kopflos durcheinander und schrien sich die Kehlen heiser.

      Er wußte nicht, ob Uluch Ali tot oder nur verletzt war, aber es hatte den Anschein, als hätte ihn der Schuß nur am Schädel gestreift.

      Jedenfalls änderte sich schlagartig die Szene da drüben, denn mit Uluch Alis Ausscheiden aus dem Kampf ging da drüben eine ganz erstaunliche, aber typische Wandlung vor. Die Kerle hatten die Hosen gestrichen voll, sie waren bedient, und jetzt handelten sie in blinder Panik. Niemand war mehr da, der sie antrieb. Und weil Alis liebevolle Hand fehlte, verloren sie auch den Rest von Mut, zumal sie sahen, daß sie nicht mehr die geringste Chance hatten. Sie wollten jetzt nur noch weg, verschwinden, um sich von den Christenhunden nicht ebenfalls in Stücke schießen zu lassen.

      „Die hauen ab!“ brüllte Matt Davies begeistert. „Die verschwinden tatsächlich!“

      „Ja, die hauen ab“, sagte auch Hasard verwundert. „Aber nicht mit der Feluke, sie lassen das Beiboot zu Wasser. Nehmt das große Segel weg, damit wir nicht soviel Fahrt laufen.“

      Mit der Feluke konnten sie nicht mehr weg, denn das bißchen Tuch, das die Masten noch trugen, reichte zur Flucht nicht mehr. Also setzten sich die Piraten mit dem Beiboot ab.

      Ein Trick? überlegte Hasard. Zuzutrauen war diesen Schnapphähnen alles, und so beobachtete er weiter.

      Er konnte nicht alles genau erkennen, denn das Boot wurde auf der anderen Seite abgefiert. Aber er sah, daß sie Uluch Ali aufhoben und ebenfalls in das Boot verluden.

      Ein Musketenschuß krachte. Dan hatte gefeuert, aber diesmal über die Köpfe der Halunken, um sie ein wenig anzutreiben. Drüben dachte keiner mehr an Gegenwehr, sie suchten ihr Heil nur noch in der Flucht.

      Erstaunlich schnell löste sich das Beiboot und segelte davon. Die Feluke überließen sie ihrem Schicksal. Aber sie hatten Uluch Ali an Bord, wie Hasard durch den Kieker feststellen konnte. Folglich war er auch nicht tot, sondern nur schwer verletzt, denn einen Toten hätten sie ganz sicher nicht mitgenommen.

      „Runter mit dem ganzen Zeug“, sagte Hasard. Sinnend sah er dem Beiboot nach, das jetzt auf südlichem Kurs verschwand.

      Die Segel wurden aufgepackt. Hasards Feluke trieb ganz langsam auf die andere zu.

      „Vorsicht“, warnte Dan, „das kann eine Falle sein. Wir sollten lieber noch etwas abwarten. Vielleicht haben die Halunken Lunten zur Pulverkammer gelegt, und in ein paar Minuten geht der Eimer mit einem Donnerschlag in die Luft.“

      „Du hast recht“, sagte der Seewolf. „Ich hätte genauso gehandelt. Also warten wir noch ein Weilchen ab.“

      Aber auch nach eine Viertelstunde zeigte sich niemand dort drüben, und ebensowenig erfolgte eine Explosion. Piraten hatten sich dort drüben aller Wahrscheinlichkeit nicht mehr versteckt. So gingen sie nach einigen weiteren Minuten längsseits, vertäuten die beiden Schiffe miteinander und durchstöberten die Piraten-Feluke Uluch Alis.

      „Ein schönes, ehrliches Schiff“, meinte Shane. „Das ist gutes hartes Holz, stabil, seetüchtig. Und der Kahn suppt auch nicht.“

      Niemand befand sich an Bord, nicht einmal ein Toter, denn auch die


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