Seewölfe Paket 14. Roy Palmer
Das war auch einer seiner üblen Sprüche. Nach Hause gehen, aber der Kopf bleibt hier!
Als im riesigen Innenhof wieder Ruhe herrschte, lehnte sich Uluch Ali zurück in den Schatten, trank in kleinen Schlucken den scharfen Boucha und rief sich die Geschehnisse von damals noch einmal in die Erinnerung zurück, als er mit dem Seewolf und seiner Crew aneinandergeraten war. Aber es waren keine sehr schönen Erlebnisse, und die Erinnerung daran war ein Körper, der nur noch aus Narben und gelegentlich auch heute noch auftretenden Schmerzen bestand. Schon deshalb mußte er die Kerle fassen, und wenn es der letzte Schlag in seinem langen Piratenleben war.
Die Stunde war erst etwas mehr als zur Hälfte abgelaufen, da ging Ali die erste Nachricht zu, und zugleich auch die wertvollste.
„Am gestrigen Tage vormittags, o Beylerbey“, teilte ihm einer seiner Diener mit, „wurde eine Sambuke im Hafen gesehen. Sie lag an der nördlichen Pier.“
„Was nutzt mir eine Sambuke!“ rief Uluch Ali unbeherrscht. „Mit einer Sambuke kann ich nichts – rede weiter!“ sagte er plötzlich besänftigend. „Erzähle alles, was du erfahren hast.“
„Giaurs befanden sich an Bord dieser Sambuke, o Beylerbey. Doch dann warf sie ganz überraschend die Leinen los und glitt vom Hafen auf das Meer hinaus.“
Ali blieb ganz ruhig. In seinen dunklen Augen glomm ein Licht, wie die Glut von Holzkohle. Seine Lippen verzogen sich zu einem Grinsen.
Giaurs befanden sich an Bord der Sambuke. Ein großer Irrtum war endlich aufgeklärt.
„Mit welchem Kurs fuhr sie aufs Meer?“ fragte er leise.
„Es wurde beobachtet, daß sie nordwärts segelnd den Hafen verließ, Herr. Und sie behielt diesen Kurs für lange Zeit bei.“
Ali hatte plötzlich ein großes Goldstück in der Hand. Er warf es dem Mann zu, der es geschickt auffing, und sagte dann: „Laß mich jetzt allein, ich muß nachdenken.“
Der Bote verschwand mit einer tiefen Verbeugung. Uluch Ali trank einen großen Schluck Boucha, kostete ihn erst lange auf der Zunge und schluckte den scharfen Dattelschnaps dann herunter. Während er sich zurücklehnte, hing er seinen Gedanken und Überlegungen nach.
Die Sambuke – das war es! Das war der ausschlaggebende Punkt. Eine Sambuke mit verfluchten Christenhunden an Bord hatte Muley Salah gesehen. Und die Kerle dieser Sambuke hatten nach Muleys Aussage die Schätze aus der gesunkenen „San Marco“ geborgen. Geklaut hatten sie sie, nicht geborgen, verbesserte er sich, denn die Schätze gehörten ihm und keinem anderen. Muley hatte diese Christenhunde angegriffen, aber er hatte sich dabei nur einen blutigen Schädel geholt.
Ja, jetzt wurden ihm langsam die Zusammenhänge klar. Es konnte nur diese Sambuke sein, denn normalerweise wurden Schiffe dieser Art nicht von den verdammten Giaurs gesegelt.
Immer aufgeregter spann er den Faden weiter.
Wenn es aber diese Sambuke war, und daran zweifelte er jetzt keinen Augenblick mehr, die gestern noch an der Pier im Hafen von Bengasi gelegen hatte, dann konnte Muley Salah lange nach ihr suchen. Er war in den frühen Morgenstunden ausgelaufen, um die Christenhunde zu jagen, aber dabei waren sie von völlig falschen Voraussetzungen ausgegangen. Muley würde also einem Phantom nachjagen, nicht aber den verdammten Christenhunden.
Nach Muleys Aussagen waren es acht Kerle, aber acht von einer Sorte, die den Scheitan in den Schwanz kniffen und über sein Geschrei lachten. Sie hatten Muleys Angriff abgewehrt, und das wollte schon etwas heißen, denn Muleys Piraten waren keine Schlappschwänze.
Nun, Abwechslung tut gut, dachte Uluch Ali, dann mußte er persönlich mal wieder auf die Jagd gehen und die Initiative an sich reißen, sonst kriegten sie die christliche Bande nie.
Damit stand sein Entschluß auch schon fest.
Acht Mann an Bord der Sambuke, acht Kerle, die hart wie Eisen waren. Die waren natürlich nicht mit acht normalen Männern zu vergleichen, und daher konnte man ihnen selbst mit einem Dutzend nur schwerlich gegenübertreten.
Also würde er zwanzig nehmen, zwanzig Kerle von der Sorte, die ohne weiteres ihr Leben für ihn gaben, zwanzig Kerle, die sich außerdem noch zu bewähren hatten. Zwanzig der übelsten Schnapphähne und Piraten also, die sich auftreiben ließen.
Was Uluch Ali sich vornahm, das setzte er sogleich in die Tat um. Da gab es kein Zaudern und kein Zögern, da wurde gehandelt.
Seine Diener erhielten die entsprechenden Befehle. Zwanzig seiner wüstesten Kerle wurden von anderen Schiffen, die im Hafen lagen, abgezogen und auf seine zweimastige Feluke gebracht, sein Flaggschiff.
Sie waren noch nicht richtig an Bord, als schon die Leinen gelöst, die Segel gesetzt wurden und die Feluke Fahrt aufnahm. Während sie aus dem Hafen segelten, rechnete Uluch Ali fieberhaft.
Wenn die Kerle am Vortag noch vor Mitternacht losgesegelt waren, dann hatten sie einen etwa elfstündigen Vorsprung.
Klar, daß sie nach Norden gelaufen waren, denn sie würden sich logischerweise ja so schnell wie nur möglich von der nordafrikanischen Küste verzupfen und aufs offene Meer verholen.
Er konnte sie einholen, ja, er mußte sie einholen, und so trieb er die Kerle wieder mal auf seine Art zu einem schnelleren Gang an.
Der Kurs lag an, er stand für Uluch Ali von vornherein fest. Es ging genau nach Norden, denn hier, wo die verdammten Giaurs schon zweimal angegriffen worden waren, ließen sie sich ganz sicher nicht mehr sehen.
Aber diesmal beging Uluch Ali einen Denkfehler. Die logischen Zusammenhänge mit der Sambuke stimmten, da hatte alles seine Richtigkeit. Er hatte nur nicht mit Ben Brighton gerechnet, denn der war mit seiner Sambuke keineswegs nach Norden gesegelt, wo ihm die christlichen Küsten mehr Schutz boten.
Ben Brighton und seine Gruppe segelten westwärts, und so lief der alte Piratenknochen genau in die falsche Richtung.
5.
Es ging und ging nicht richtig weiter, wie der Seewolf erbittert feststellen mußte.
In Alexandria hatten sie von einem Teppichhändler eine Feluke erstanden, seit die Lady „Isabella VIII.“ ihr langes Leben im Kanal des Todes ausgehaucht hatte.
Ende Mai nun waren sie auf die offene See gelaufen, während Ben Brighton es vorgezogen hatte, dicht unter der Küste entlangzusegeln.
Aber diese Feluke hatte den Teufel in sich. Nach außen hin sah sie direkt verlockend aus. Sie trug ein schönes Kleidchen und war prächtig geriggt. Nur unter dem Kleidchen, da trug sie ein löchriges Höschen.
Sie war äußerlich rank und schlank und trug zwei lateingetakelte Masten, Pfahlmasten, die leicht nach vorn geneigt waren. Die Dreieckssegel wurden an langer Rute gefahren, und vorn ragte ein langer Bugspriet heraus, der eine Dreiecksfock trug.
Hasard stand auf dem weit nach hinten ausladenden Heck und lauschte den erbitterten Flüchen von Big Old Shane, den die Feluke mehr aufregte als alles andere, was er bereits hinter sich hatte.
Sehr schnell hatten die Seewölfe festgestellt, daß ihnen der Teppichhändler mit diesem großzügig bezahlten Schiffchen eine übergebraten hatte, die nicht von schlechten Eltern war.
Er hatte sie beschissen, nach der feinen orientalischen Art, wie es jedem verdammten Christenhund zustand.
„Das ist der letzte Scheißkahn“, fluchte der ehemalige Waffenschmied von Arwenack erbost. „Wenn ich diesen lausigen Teppichhändler jetzt hier hätte, dann würde ich ihn durch die Planken stampfen, und ihm seine lausige Feluke so lange um die Ohren schlagen, bis er seine eigenen Teppiche brockenweise wieder auskotzt.“
Das klang zwar recht drastisch, war aber durchaus berechtigt, denn auch Matt Davies war stinksauer.
„Stell dir vor, Sir“, sagte er und hob seine Hakenprothese, die seinen rechten Arm ersetzte. „Wir hocken in der Bilge, und als ich abrutsche, da suchte ich mit dem verdammten Haken nach einem Halt. Und ich hab wirklich nicht