Seewölfe - Piraten der Weltmeere 292. Davis J.Harbord

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 292 - Davis J.Harbord


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Halibuts parierte. Dieser Mistkerl hatte außer seinem Messer, das jetzt im Besanmast steckte, noch einen Cutlass. Mit dem meinte er, Ben Brighton ins Jenseits befördern zu können.

      Nur war Ben eben außer Rand und Band. Er trieb Halibut nach achtern, ständig in der Gegenparade auf Hieb und Stich. Halibut stolperte über den zusammengesackten Grammont, fing sich sofort, glitt nach rechts, entdeckte dabei den Degen Grammonts, bückte sich blitzschnell und riß ihn an sich, während er gleichzeitig den Cutlass in seine linke Hand warf.

      Als er sich wieder aufrichtete, glitzerten die Augen in seinem sonst so stumpfsinnigen Gesicht. Er rechnete sich wohl eine Chance aus.

      Sekunden später brauchte er nichts mehr auszurechnen. Da fehlte ihm die rechte Hand mit dem Degen Grammonts. Gleichzeitig durchbohrte ihn der Cutlass Ben Brightons. Noch mit der Waffe in der Brust hob ihn der Erste an und beförderte ihn nach Steuerbord über das Schanzkleid weg ins Wasser. Als er über Bord ging, war er bereits tot.

      Dan O’Flynn atmete auf und sprang mit Ben Brighton zusammen auf die Kuhl hinunter – auf dem Achterdeck der „Louise“ gab es keine Kämpfer mehr. Grammont und Saint-Jacques lebten noch, aber ob sie überleben würden, war fraglich. Zur Zeit jedenfalls hatten sie keinen Anteil mehr an dem, was auf der „Louise“ passierte.

      Der Widerstand an Deck brach zusammen.

      Ferret, einer der Kerle Grammonts, wurde von einem Degenstich des blonden Schweden Stenmark tödlich getroffen und gleich außenbords befördert.

      Einer der Kerle Easton Terrys fiel unter der Axt Ferris Tuckers, während der dicke Arzot an Batuti geriet und den Kampf mit dem Riesen aus Gambia nicht überlebte.

      Wüst sah es aus auf den Decks der „Louise“. Keuchend blickten sich die Männer des Seewolfs um und ließen die Waffen sinken.

      Die Arbeit war getan. Es gab keine Gegner mehr – nur Tote oder Verletzte, die ohne Besinnung waren. Die „Louise“ war ein Wrack. Die Stille nach dem Waffengeklirr und dem Kampfeslärm wirkte fast gespenstisch.

      Hasards klare Stimme durchschnitt sie: „Hat jemand Terry gesehen?“

      Carberry starrte ihn erstaunt an. „Wieso? Der muß doch hier sein.“

      „Und wo?“

      „Hier auf der Kuhl. Ich verdrosch ihn mit der Spillspake, und da flog er auf die Kuhl hinunter.“

      „Hier ist er aber nicht“, sagte Hasard.

      „Vielleicht ist er außenbords gesprungen“, meinte Dan O’Flynn.

      Hasard musterte seine Männer. „Hat das jemand beobachtet?“

      Nein, sie hatten nichts gesehen.

      „Durchsucht das Schiff!“ befahl Hasard knapp.

      2.

      Yves Grammonts Piratenverband hatte aus sechs Schiffen bestanden – dem Flaggschiff „Louise“, der „Coquille“ sowie drei Dreimast-Galeonen und einer Zweimast-Karavelle. Dieser letztere Viererverband war – für Hasards Kampfgruppe unvermutet – von einem Piratenunternehmen bei St. Nazaire zurückgekehrt und hatte sofort an der Seite Grammonts in das Gefecht mit eingegriffen, das sich Hasards drei Schiffe, die „Hornet“, die „Fidelity“ und Thorfin Njals „Eiliger Drache über den Wassern“, mit der „Louise“ und der „Coquille“ bei der Pirateninsel Mordelles lieferten.

      Da hatten also plötzlich sechs Schiffe gegen Hasards drei Schiffe im Gefecht gestanden – ein Kräfteverhältnis, das die Schnapphähne Grammonts hatte aufjubeln lassen und allerdings dazu angetan war, für die „Hornet“, die „Fidelity“ und „Eiliger Drache über den Wassern“ das Schlimmste zu befürchten.

      Nur – die Kerle hatten zu früh gejubelt. Der Sieg, dessen sie sich so sicher gefühlt hatten, war zu einer totalen Niederlage geworden.

      Zu der unerwarteten Wendung hatten die Höllenflaschen gehörig beigetragen, die von Hasard eingesetzt worden waren.

      Am Erfolg der Seewölfe und ihrer Mitkämpfer war jedenfalls nicht mehr zu zweifeln. Die Gefechtsbilanz lautete, daß von Grammonts stolzem Sechserverband lediglich noch eine kampffähige Galeone übriggeblieben war – einer der vier Segler, die bei St. Nazaire gewesen waren. Zwar schwamm auch noch die „Louise“, Grammonts Flaggschiff, aber sie war zum Wrack geschossen und außerdem von den Seewölfen geentert worden.

      Jene andere Piraten-Galeone, und das hatte Grammont in Raserei versetzt, war auf zurückhaltende Distanz vom Gefechtsfeld gegangen, als sie von der „Hornet“ Zunder gekriegt hatte. Ihr Kapitän war kein rücksichtsloser Draufgänger, dafür aber Realist, der die Gefechtssituation nüchtern betrachtete und zu der Einsicht gelangt war, daß sich Grammont wohl überschätzt hatte, als er sich mit diesen Höllenhunden anlegte.

      Er jedenfalls hatte keine Lust, noch einmal von diesen explodierenden Teufelsflaschen beharkt zu werden. Außerdem war ihm der schwarze Viermaster nicht geheuer – ein Schiff, wie er es noch nie gesehen hatte. Da waren sogar behelmte Kerle an Bord, Gestalten, die verdammt an jene Riesen erinnerten, von denen die Sagen und Legenden berichteten. Auf mit Drachenköpfen verzierten Langschiffen waren diese Kerle aus dem hohen Norden über die französische Atlantikküste hergefallen. Und jetzt das!

      Nun war die See bei der Insel Mordelles in etwa ein Spiegelbild der wrackreif geschossenen „Louise“, wobei allerdings eine andere der St.-Nazaire-Galeonen drüben an Land auf ein Riff gelaufen war und sich offenbar den Schiffsbauch aufgeschlitzt hatte. Jedenfalls war die auch wrackreif.

      Auf der See dümpelte also jener Kram herum, der übrigbleibt, wenn ein Schiff auf Tiefe geht – Spieren, Planken, Grätings, Fässer, Kisten, zum Teil zerborsten und zerfetzt, manchmal noch gut erhalten. Da zeigten sich auch noch Rahen mit aufschwimmenden zerrissenen Segeln und Teilen des Riggs, das schlangengleich um die Torsos herumschwappte und erst sinken würde, wenn es sich mit Wasser vollgesogen hatte.

      Ein schlimmes Bild, das noch grausiger wirkte, wenn da und dort plötzlich etwas aus dem Wasser blubbernd aufschoß – ein Faß etwa, das sich aus dem gesunkenen Rumpf gelöst hatte und auftrieb. Schiffe behalten ja nicht alles, wenn sie gesunken sind. Einiges geben sie noch her. Dennoch sind es eigentlich tote Gegenstände.

      Nicht tot jedoch waren jene Kerle, die das Gefecht und den Untergang ihres Schiffes überlebt hatten – zum Teil vielleicht verletzt. Solange sie lebten, hielten sie sich über Wasser – schwimmend, wassertretend oder an irgendein Trümmerstück geklammert.

      Man nennt solche Menschen Schiffbrüchige. Sind sie verletzt, verkürzt sich ihre Überlebenschance. Sie schrumpft sogar rapide zusammen.

      Das Verhalten des Kapitäns jener Galeone, die sich aus dem Gefecht zurückgezogen hatte, war unfaßbar – er kümmerte sich einen Dreck um diese Schiffbrüchigen, und das waren ja eigene Kameraden.

      Ein großer Teil von ihnen – jene, die unverletzt geblieben waren und schwimmen konnten – hatte die Wahl gehabt, zu versuchen, schwimmend die Insel Mordelles, die Festlandküste oder diese Galeone zu erreichen. Die Galeone bot sich an, weil sie den Schiffbrüchigen am nächsten war, beziehungsweise ihnen entgegenlaufen konnte. Außerdem hatte sie ja Boote an Bord, die man abfieren konnte, um sie die Schwimmer aufsammeln zu lassen.

      So war es nur logisch, daß sich die Schiffbrüchigen der Galeone zugewandt hatten. Von überall bewegten sie sich auf den Dreimaster zu, quer durch das Trümmerfeld hindurch. Sie brüllten dazu und winkten. Sie mobilisierten ihre letzten Kräfte, denn dort war ihre Rettung.

      Allen voran schwamm Pierre Servan, einer der Piraten-Kapitäne Yves Grammonts. Er hatte im ersten Gefecht mit den Engländern bereits seine „Antoine“ verloren. Dann hatte er zusammen mit Jean Bauduc die „Coquille“ übernommen, während der eigentliche „Coquille“-Kapitän, nämlich Saint-Jacques, auf die „Louise“ übergestiegen war. Jean Bauduc war tot, Saint-Jacques an Bord der „Louise“ schwerverletzt. Vom harten Kern der Piratenkapitäne Grammonts war also nur noch Pierre Servan übriggeblieben, und das auch noch als Schiffbrüchiger.


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