Seewölfe - Piraten der Weltmeere 325. Davis J.Harbord

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 325 - Davis J.Harbord


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der stets das Maß zu wahren wußte. Diese beiden Verrückten waren ja nicht aggressiv geworden. Nur frech waren sie. Was die sich wohl dachten!

      Na ja, weit würden sie nicht gelangen. Von Helsingör her segelten bereits zwei weitere Wachboote ihnen entgegen, alarmiert von den beiden Drehbassenschüssen. Jetzt tauchte aus dem Hafen noch ein drittes Wachboot auf.

      Auch weiter unten bei der Sundinsel Ven war man aufmerksam geworden, und zwei Wachboote lösten sich aus dem kleinen Hafen von Kyrbacken.

      Insgesamt also sechs Wachboote gegen eine kleine Schaluppe, die mit zwei Kerlen – allerdings merkwürdigen Kerlen – besetzt war, da hatte die Sprechweisheit von den vielen Hunden, die des Hasen Tod sind, durchaus seine Richtigkeit, auch wenn der Hase flink war und über eine Menge Tricks verfügte.

      Tatsächlich hielten die beiden Kerle die Wachboote ganz schön zum Narren. Offenbar empfanden sie die Jagd nach ihnen als eine Art Wettstreit, ignorierten die diversen Aufforderungen, die Segel zu streichen, entschlüpften nach Luv oder Lee, halsten oder wendeten, steuerten halsbrecherische Kollisionskurse, die darin gipfelten, daß sich zwei Wachboote fast selbst gerammt hätten, und schafften es dabei, immer weiter Raum nach Süden zu gewinnen.

      Das ging so lange gut, bis einem Wachbootkommandanten der Kragen platzte. Mit einer Kettenkugel wurde die Schaluppe entmastet. Offenbar empfanden das die beiden Kerle als Spielverderb, denn als jetzt die ersten beiden Wachboote bei ihnen längsseits gingen, legten sie erst richtig los und entfesselten einen Zirkus, der es in sich hatte. Wie die Teufel kämpften sie.

      Der Klotz von Fell-Mann langte mit den Fäusten zu und röhrte dabei wie ein wilder Stier, während der Ohrring-Mann die Pinne vom Ruderkopf abgenommen hatte und sie als Holzprügel benutzte. Auch er brüllte ordentlich, aber in einer Sprache, die den dänischen Mannen unverständlich war. Die beiden fremden Kerle räumten ab, daß es nur so seine Art hatte.

      Dem einen Wachbootkommandanten schlug der Fell-Mann beide Klüsen dicht, so daß der Ärmste innerhalb von Minuten nichts mehr sah. Und dem anderen Wachbootkommandanten, der auch auf die Schaluppe übergeentert war, säbelte der Ohrring-Mann mit der Pinne die Beine weg, so daß er außenbords kippte und ein kaltes Bad nehmen mußte.

      Ein paar anderen erging’s genauso. Sie versammelten sich im Wasser und brüllten ihrerseits um die Wette. Es war wirklich der reinste Zirkus.

      Schließlich stiegen der Ohrring-Mann und der Fell-Mann auf das Wachboot an Backbord über und begannen dort mit ihren Aufräumungsarbeiten. Wie Berserker wüteten sie. Der Fell-Mann hatte einen Schlag drauf, der ausreichte, um Ochsen zu fällen. Er verschob Nasen und setzte Köpfe schief. Einem Dänen verpaßte er ein Hämmerchen, das den Mann regelrecht um den Mast wickelte, an dem er sich im letzten Moment noch hatte festhalten können.

      Das war vielleicht eine Wuhling!

      Zwei weitere Wachboote krachten längsseits des Pulks, dessen Mitte die Schaluppe bildete, an deren Seiten sowieso schon je ein Wachboot hing. Holz splitterte, Segel schlugen quer, zwei Großbäume verhakten sich ineinander – mit dem Erfolg, daß der eine splitternd in die Binsen ging. Dabei zerriß natürlich das Segel.

      Die beiden Kerle turnten von einem Wachboot zum anderen, und niemand wagte zu schießen, aus Angst, in dem Durcheinander einen eigenen Mann zu treffen. Und wo sie hinlangten, fiel ein Gegner aus oder trat die Reise außenbords an. Diese beiden Wüteriche entpuppten sich als erstklassige Kämpfer.

      Inzwischen wimmelte es um den Pulk von Wachbooten, die neu hinzugestoßen waren, aber auf Befehl Sverre Olsens nicht mehr eingriffen, sondern einen Ring um den Pulk bildeten.

      So ergab sich die groteske Situation, daß die beiden Kerle zwar in hervorragender Weise die vier längsseits gegangenen Wachboote entvölkert hatten, jetzt aber ohne greifbaren Gegner dastanden. Dafür befanden sie sich im Mittelpunkt oder Zentrum eines Kreises, der mit Musketen gespickt war, deren Läufe von den anderen Wachbooten ringsum auf sie gerichtet waren.

      Die Jagd war vorbei, der Kampf war aus, da biß keine Maus den Faden ab.

      Die beiden Kerle, zur Zeit auf dem äußersten Wachboot an Steuerbord ihrer entmasteten Schaluppe, schauten sich um und wischten sich den Schweiß von der Stirn.

      Der Fell-Mann, der bisher in der norwegischen Sprache geflucht und gebrüllt hatte, sagte jetzt in einer fremden Sprache – es war die französische – laut und deutlich: „Merde!“

      Sverre Olsen, der einmal Ärger mit einem französischen Handelsfahrer gehabt hatte – natürlich wegen des Sundzolls –, kannte dieses Wörtchen und wunderte sich einmal mehr über diese beiden Kerle, die in kein Schema paßten.

      „Was hat er gesagt?“ fragte sein Bootsmann.

      „Scheiße hat er gesagt, und zwar auf französisch“, entgegnete Sverre Olsen.

      Der Bootsmann starrte ihn entgeistert an. „’n französischer Wikinger?“

      Sverre Olsen zog nur die Augenbrauen hoch und verzichtete auf eine Antwort.

      Zu den beiden Kerlen brüllte er hinüber: „Jeder weitere Widerstand ist zwecklos. Ich fordere Sie auf, sich zu ergeben. Falls Sie sich widersetzen, müßte ich auf Sie feuern lassen. Haben Sie das verstanden?“

      „Bin ja nicht taub!“ brüllte der Fell-Mann zurück. „Sagen Sie, was Sie von uns wollen, und dann hauen wir ab!“

      Der hatte vielleicht Nerven. Abhauen! Mit zerschossenem Mast!

      „Das hier ist dänisches Gewässer!“ rief Sverre Olsen. „Jeder, der den Sund passieren will, hat laut Order des dänischen Königs dafür eine Gebühr zu entrichten. Dieser Sundzoll ist von allen Staaten, die die Ostsee befahren, anerkannt worden. Zu welchem Land gehören Sie?“

      Der klotzige, blonde Kerl lachte dröhnend. „Zu welchem Land? Zu keinem, verdammt noch mal! Wir sind freie Männer, und euer Sundzoll kratzt uns einen Scheiß!“

      Der Kerl war verrückt, total verrückt.

      „Woher kommen Sie?“ brüllte Sverre Olsen.

      „Das geht euch einen Dreck an!“ brüllte der Fell-Mann zurück.

      Sverre Olsen biß sich auf die Lippen. So gelangte er nicht weiter.

      „Tut mir leid!“ rief er. „Aber ich muß Sie festnehmen lassen! Der Hafenkapitän wird entscheiden, was mit Ihnen zu geschehen hat. Ihre Schaluppe ist beschlagnahmt!“

      Die beiden Kerle fluchten, schienen aber angesichts der auf sie gerichteten Musketen auf weiteren Widerstand zu verzichten. Nur als ein Wachboot längsseits gegangen war und sie gefesselt werden sollten, ging der Krawall wieder los. Aber zwei dänische Seesoldaten, die hinter sie geglitten waren, klopften ihnen die Pistolenläufe auf die Köpfe, und Sverre Olsen atmete auf. Endlich waren die Kerle gebändigt.

      Er übernahm sie zu sich an Bord und segelte mit der entmasteten Schaluppe im Schlepp in den Hafen von Helsingör.

      Ein paar Seesoldaten schleppten den Ohrring-Mann und den Fell-Mann ins Kittchen des Hafenkapitäns, der im Hafengebiet auch eine Art Polizeifunktion innehatte. Meist beherbergten die beiden Zellen in der Hafenkommandantur bezechte Seeleute, die dort ihren Rausch ausschliefen. Auch Randalierer wurden dort eingesperrt, die bei Wasser und Brot sehr schnell fromm wurden.

      Inzwischen untersuchte Sverre Olsen die Schaluppe. Was er da zutage förderte, war mehr als erstaunlich und trug dazu bei, ihn noch mehr zu verwirren.

      Erstens einmal waren diese beiden Kerle bestens bewaffnet gewesen. In einer länglichen Backskiste lagerten Hieb- und Stichwaffen nebst Musketen, Pistolen und Tromblons. Munition dafür war zur Genüge vorhanden, außerdem sechs Pulverfässer. Das reinste Waffenarsenal war das, noch dazu hervorragend gepflegt.

      Was diese beiden Kerle mit dem ganzen Schieß- und Blankwaffenzeug wollten, war ein Rätsel. Entweder sammelten sie Waffen – oder besser, hamsterten sie wie Eichhörnchen, die Bucheckern, Eicheln und Nüsse horten, oder sie handelten mit dem Kram. Eine dritte Möglichkeit war, daß sie die Absicht hatten, eine Räuberbande zu gründen.

      Als


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