Seewölfe - Piraten der Weltmeere 312. Roy Palmer
Backbordseite des Vorkastells befand. Der Kutscher und Mac Pellew versorgten die beiden Kampfhähne, und natürlich enthielten sie sich dabei nicht der entsprechenden lehrmeisterlichen Kommentare.
„Der Apfel fällt nun mal nicht weit vom Stamm“, sagte der Kutscher lächelnd. „Haben wir das nicht schon immer gewußt, Mac?“
„Ja“, antwortete Mac Pellew mit der üblichen säuerlichen Miene. „Es ist ja auch kein Wunder. Aber was soll aus solchen Jungen werden, die sich schon am frühen Morgen auf fremden Kais herumprügeln?“
„Schiffskapitäne“, erwiderte Hasard junior. „Was denn sonst?“
„Da seh ich aber schwarz“, sagte Mac. „Carberry hat ganz recht. Euch sticht mächtig der Hafer. Das geht noch übel aus.“
Der Kutscher wusch Philip juniors letzte Kratzwunde an der linken Wange aus, dann warf er einen Blick auf Plymmie, die brav und sittsam in einer Ecke des Raumes hockte, dabei aber drohend zu Mac Pellew aufsah.
Mac hatte dies inzwischen auch bemerkt und fragte: „Sagt mal, Leute, versteht eure Hündin jetzt schon Englisch?“
„Jedes Wort“, entgegnete Philip junior mit ernster Miene. „Ich an deiner Stelle würde da aufpassen, Mac. Sie kann es nicht leiden, wenn man uns irgendwie kritisiert.“
„Da habt ihr auch was Schönes angerichtet“, brummte Mac. „Einen Bordhund haben wir. Ist ja herrlich. Wie wär’s mit einer Katze? Die könnten wir auch noch brauchen, und Plymmie hätte bestimmt auch seine Freude daran, sie kreuz und quer durchs Schiff zu jagen.“
Der Kutscher lachte. „Mac, hör auf zu stänkern. Du weißt genau, daß es Schiffe gibt, auf denen Schweine und Hühner gehalten werden. Du hast also keinen Grund, dich zu beschweren.“
„Ja, das finden wir auch“, sagte Hasard junior. „Außerdem meckern wir ja auch nicht über die Fische, die du in der Kombüse bändigst, Mac.“
„Ich bändige keine Fische, ich nehme sie aus und bereite sie zu“, erklärte Mac Pellew mit Würde. „So, und jetzt wird’s Zeit, daß ihr euch zur Arbeit an Deck meldet, ihr Frischlinge.“
Auf dem Hauptdeck ertönte jetzt auch Carberrys dröhnende Stimme.
„Alle Mann an Deck!“ schrie er. „Rollt an, ihr Säcke! Wird’s bald? Ich will eure Füße qualmen sehen oder es gibt Zunder! Der Kapitän hat euch was zu sagen!“
Prompt verließen die Zwillinge den Krankenraum wieder, und Plymmie trottete hinter ihnen her. Der Kutscher und Mac Pellew grinsten sich zu, dann traten auch sie auf das Hauptdeck hinaus. Selbstverständlich waren ja auch sie heilfroh, daß Hasard junior wieder an Bord war und seine Entführung durch Korsumäki so glimpflich abgelaufen war. Daß er sich selbst aus seiner mißlichen Lage befreit hatte, zählte dabei besonders. Mit anderen Worten, die Zwillinge waren wieder einmal mächtig in der Achtung der Männer gestiegen. Mac Pellew hatte seine ganz persönliche Art, Anerkennung und Freundlichkeit auszudrücken, aber daran hatten Philip und Hasard junior sich längst gewöhnt.
Der Seewolf stand an der Schmuckbalustrade des Quarterdecks und sah zu seinen Männern hinunter, die sich jetzt rasch um die achtere Gräting des Hauptdecks versammelten.
Er wartete, bis Ruhe eingetreten war, dann sagte er: „Ihr wißt, daß Ferris und ich um zehn Uhr bei dem Reeder und Kaufmann Heikki Lahtinen angesagt sind, damit wir das Holz besichtigen können, das wir kaufen wollen. Vorher aber will ich Korsumäki und dessen drei Spießgesellen loswerden. Sten, du gehst deshalb sofort zum Stadtkommandanten von Abo und teilst ihm mit, daß wir den Kerl hier in Gewahrsam haben.“
„Aye, Sir“, sagte Stenmark, der Schwede. „Lahtinen hatte uns ja ohnehin zugesagt, daß der Kommandant Korsumäki gern hinter Schloß und Riegel hätte.“
„Eben. Ich selbst sehe keinen Anlaß, Korsumäki wegen der bisherigen Vorfälle anzuklagen.“
„Auch wegen Hasard juniors Entführung nicht?“ fragte Ferris Tukker, der Schiffszimmermann der „Isabella“, einigermaßen verblüfft. „Deswegen hätte er mindestens zwölf Hiebe mit der Neunschwänzigen verdient.“
Hasard schüttelte den Kopf. „Sie haben ihre Prügel bereits erhalten, das genügt. Sollen doch die Finnen – oder die Schweden, denn das Land steht ja unter schwedischer Verwaltung, wie ich erfahren habe – selbst zusehen, was sie mit dem Kerl anfangen.“
„Ganz meine Meinung“, pflichtete Ben Brighton ihm bei. „Korsumäki ist offenbar so etwas wie ein Häuptling der Inselbewohner vor der finnischen Südküste. Also sind die einheimischen Behörden für ihn zuständig.“
Damit war jede weitere Debatte unterbunden, und Stenmark brach auch sofort auf, um den Stadtkommandanten aufzusuchen. An Bord der „Isabella“ verstrich knapp eine Viertelstunde mit den üblichen Routinearbeiten, dann kehrte Stenmark bereits wieder zurück – in Begleitung von sechs Gendarmen, die im Gleichschritt auf die Pier marschierten und an der Stelling hielten. Sie setzten ihre Musketen ab und blieben abwartend stehen.
Stenmark, der die finnische Sprache gut beherrschte, hatte keinerlei Schwierigkeiten gehabt, sich mit dem Stadtkommandanten von Abo zu verständigen.
„Der Mann heißt Eino Pekkanen, Sir!“ sagte er zu Hasard. „Ich habe es eben erfahren. Er wäre gern selbst erschienen, ist heute vormittag aber leider unabkömmlich. Er läßt dir aber ausrichten, daß er sich erlauben wird, sich noch persönlich bei dir für den guten Fang zu bedanken.“
„In Ordnung“, sagte der Seewolf. „Die Hauptsache ist, daß wir die Kerle los sind. Ed, laß sie aus der Vorpiek holen.“
Der Profos suchte mit Blacky, Batuti, Gary Andrews und Sam Roskill das Vordeck auf, öffnete selbst das Schott der Vorpiek und forderte die vier Finnen durch unmißverständliche Gesten dazu auf, sich an Oberdeck zu begeben.
Der bärtige Paavo Korsumäki sprach kein Wort. Auch seine Kumpane schwiegen. Mit finsteren Mienen traten sie auf das Hauptdeck und wurden hier von den übrigen Seewölfen in Empfang genommen.
Auf Hasards Wink hin kamen nun auch die Gendarmen an Bord. Der Anführer der kleinen, eigentümlich uniformierten Gruppe sagte etwas Barsches und überprüfte die Handfesseln, die Hasard den Gefangenen hatte anlegen lassen. Dann nickte er, bedankte sich mit ein paar Worten, die Stenmark wiederum übersetzte, und der Trupp verließ das Schiff.
Plymmie begann zu knurren. Fast schien es, als wolle sie sich auf Korsumäki und dessen drei Kerle stürzen. Die Zwillinge redeten jedoch besänftigend auf sie ein. Sie beruhigte sich wieder, richtete sich jedoch am Schanzkleid auf und legte die Vorderpfoten auf die Handleiste. So verfolgte sie, wie die Kerle zum Kai hin abgeführt wurden.
Auch die Männer der „Isabella“ beobachteten den Abmarsch des Gendarmenkommandos mit den Gefangenen, und es entging ihnen nicht, daß im Hafenviertel Menschen zusammengelaufen waren. Sie scharten sich um die Gendarmen und die vier Gefangenen und begleiteten sie.
„Was hat das zu bedeuten?“ fragte Old O’Flynn, der soeben neben Hasard, Ben Brighton, Ferris Tucker und Big Old Shane getreten war. „Braut sich da wieder was zusammen?“
„Ich fürchte, diesmal hast du recht, Donegal“, erwiderte der Seewolf. „Die Leute scheinen Korsumäki zu kennen. Sie sind aber nicht erschienen, um ihn zu verprügeln – ganz im Gegenteil.“
„Stimmt nicht ganz“, sagte Dan O’Flynn und spähte aus schmalen Augen zum Kai hinüber. „Da werden auch Fäuste gegen diesen verlausten Inselhäuptling geschüttelt, ich sehe es ganz deutlich.“
„Ja, aber schau dir mal die Gruppe von Männern an, die drüben auf die Gendarmen zurückt“, sagte der Seewolf. „Ein gutes Dutzend Kerle. Sie pöbeln die Gendarmen an. Das sind Korsumäkis Anhänger.“
„Einer spuckt vor den Gendarmen aus, Sir!“ rief Bill, der eben in den Hauptmars aufgeentert war und aufmerksam zum Hafen hin Ausschau hielt. „Und ein anderer hat versucht, einen der Uniformierten anzurempeln!“
Das Stimmengewirr, das beim Eintreffen