Seewölfe - Piraten der Weltmeere 332. Burt Frederick

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 332 - Burt Frederick


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„Isabella“.

      Torres antwortete nicht sofort. Sein Kopf ruckte herum, und minutenlang starrte er sinnierend den Seewolf an.

      Im nächsten Moment schrie er zu der Jolle herüber: „Dann ist dieser Mann Ihr Kapitän. Habe ich recht?“ In seiner Geste lag etwas Triumphierendes, als er mit ausgestrecktem Arm auf Philip Hasard Killigrew zeigte.

      Ben Brighton biß sich auf die Unterlippe. Es war verdammt klar, zu welcher Erkenntnis Torres’ Vermutung führen würde.

      „Stimmt“, sagte Hasard, um seinem Ersten die Entscheidung abzunehmen. Mehr nicht, nur dieses eine Wort.

      Torres wandte sich ihm mit einer höhnischen Verbeugung zu.

      „Besten Dank, Señor. Ich sehe ein wenig klarer. Man nennt dich den Seewolf, wenn mich nicht alles täuscht.“

      Hasard antwortete nicht.

      „Nun, eine deutlichere Zustimmung kann ich nicht erwarten“, sagte Torres ölig, „und deinen Namen werde ich auch noch herausfinden. Wie gesagt, er liegt mir auf der Zunge.“

      Ben Brighton verfolgte den Wortwechsel mit wachsender Ungeduld. Dieser Torres weidete sich in seiner Überlegenheit. Er würde es noch stundenlang hinauszögern, wenn ihn nicht vielleicht die nasse Kleidung daran hinderte.

      „Stellen Sie Ihre Bedingungen!“ brüllte Ben.

      Der Kommandant grinste gemein.

      „Aber gern!“ schrie er. „Punkt eins: Ich verlange eine klare Auskunft, und zwar darüber, was ihr Engländer gemeinsam mit einigen Spaniern hier zu suchen habt. Was hat eure verdammte Nacht- und Nebel-Aktion zu bedeuten?“

      Ben zerbiß einen Fluch auf den Lippen. Wie sollte er auf diese Frage antworten? Wie sollte er das tun, ohne Hasard oder Castillo in ihren Entscheidungen vorzugreifen?

      „Ich sehe, ich muß ein bißchen nachhelfen.“ Torres lachte überheblich. Er gab dem Teniente ein Handzeichen. „Ihre Gedanken werden gleich beflügelt werden, Señor Brighton.“

      Den Männern im Boot stockte der Atem.

      Menacho zog seinen Säbel, war mit wenigen Schritten bei Dan O’Flynn und hielt ihm die Klingenspitze an die Kehle. Dabei baute er sich seitlich versetzt auf, so daß die Arwenacks es klar und zweifelsfrei erkennen konnten.

      „Ich warte auf die Auskunft!“ schrie Torres. „Wenn ihr Hunde nicht pariert, stirbt der Mann. Jetzt und auf der Stelle. Vergeßt nicht, daß ich fünf Gefangene habe. Genug, um meine Forderungen durchzusetzen.“

      Ben und den anderen war klar, warum der Kommandant ausgerechnet Dan O’Flynn für diese Drohung ausgewählt hatte. Torres wußte, daß er zu ihrer Crew gehörte. Aus seinem eigenen niederträchtigen Denken heraus folgerte er offenbar, daß sie Castillo, Vergara oder Benitez ohne weiteres über die Klinge springen lassen würden.

      Castillo, der auf den Knien hockte, räusperte sich vernehmlich.

      „Nehmen Sie den Säbel weg, Teniente“, sagte er mit fester Stimme.

      Menacho schickte einen fragenden Blick zu seinem Vorgesetzten.

      Hasard wußte, was folgen würde. Dieser Mann, der geschunden und geschlagen neben ihm kauerte, empfand eine tiefe Abscheu gegen jegliches Unrecht. Und eben dieser Gerechtigkeitssinn war es, der ihn so sehr in Schwierigkeiten gebracht hatte – bis ein Punkt erreicht gewesen war, an dem man bei Hofe nicht mehr gezögert hatte, den Mordbefehl zu erteilen. Hasard empfand immer mehr Hochachtung und Respekt vor Castillo.

      Torres zog überrascht die Augenbrauen hoch.

      „Ach nein“, sagte er, „da hat sich doch nicht etwa jemand entschlossen, den Mund aufzutun?“

      „Unter diesen Umständen bleibt mir keine andere Wahl“, entgegnete Castillo mit mühsam unterdrückter Wut.

      „Also, einverstanden.“ Torres nickte zufrieden und gab dem Teniente einen Wink.

      Menacho gehorchte, widerstrebend zwar, doch er ließ den Säbel sinken.

      „Heraus mit der Sprache!“ forderte der Kommandant ungeduldig.

      Castillo sah ihn einen Atemzug lang aus schmalen Augen an.

      „Können Sie sich nicht selbst denken, warum ich hier bin?“ sagte er.

      Torres’ Gesicht verzerrte sich abermals in jäh aufwallender Wut.

      „Reiß dich zusammen, Kerl. Ich stelle keine Fragen, um sie mir mit Gegenfragen beantworten zu lassen.“

      „Nun gut“, entgegnete Castillo ruhig, „ich bin der Kapitän der Kriegsgaleone ‚Confianza‘. Genügt das?“

      Torres erbleichte. Doch nur sekundenlang. Sehr schnell hatte er sich wieder in der Gewalt.

      „Ich weiß nicht, wovon du faselst, Mann. Willst du gefälligst aufhören, mich mit Andeutungen hinzuhalten?“

      „Also gut“, sagte Castillo, „die ‚Confianza‘ gehörte zum Geleitschutz für fünf Handelsgaleonen. Der gesamte Verband wurde vergangene Woche hier im Stützpunkt Flores zusammengestellt. Der Geleitschutz bestand aus drei Kriegsgaleonen und vier Karavellen, die ‚Confianza‘ mitgerechnet. Flaggschiff ist nach wie vor die ‚Vencedor‘ unter dem Kommando von Generalkapitän Ramón Firuso de Fernández. Mein Name ist Adriano de Mendoza y Castillo. Mein Schiff wurde während eines Gefechts mit einem englischen Verband versenkt.“

      „Was ist daran so ungewöhnlich?“ höhnte Torres mit einem Seitenblick zu seinem Teniente. Er brachte es nicht mehr fertig, seinem blonden Landsmann in die Augen zu sehen.

      „Das will ich Ihnen gern sagen“, fuhr Castillo fort, „ich habe es zu Anfang selbst nicht glauben können. Aber mehrere Augenzeugen haben es mir bestätigt: Die ‚Confianza‘ wurde in den Wirren des Gefechts durch einen gezielten Schuß von der ‚Vencedor‘ versenkt. Nun wissen Sie es, verehrter Capitán. Ich bin hier, um die Ungeheuerlichkeit aufzuklären. Diese Engländer, die uns an Bord nahmen, haben sich als ausgesprochen fair erwiesen – was ich von meinen eigenen Landsleuten nicht behaupten kann.“

      Torres hatte seine Fassung wiedergewonnen, und er reagierte auf eine lautstarke Art und Weise, hinter der sich nach Meinung von Hasard nichts anderes als ein schlechtes Gewissen verbarg.

      „Das ist unglaublich!“ schrie der Inselkommandant. „Sie wagen, einen Generalkapitän der spanischen Marine derart zu verdächtigen? Das reicht, um Sie vor ein Kriegsgericht zu bringen, Castillo.“

      Die Gefangenen registrierten mit einem geheimen Lächeln, daß Torres immerhin zum angemessenen „Sie“ zurückgefunden hatte. Er hatte begriffen, daß er Castillo als einen Mann von Adel trotz allem nicht wie den letzten Dreck behandeln konnte.

      „Im übrigen“, fuhr Torres schnaubend fort, „ist es für diese Engländer natürlich ein gefundenes Fressen, mit Ihrer ortskundigen Unterstützung hier auf Flores zu landen. Das ist Zusammenarbeit mit dem Feind, Castillo! Eine Verschwörung gegen die spanische Krone. Ich gebe Ihnen Brief und Siegel darauf, daß ich Sie und Ihre Komplicen dafür vor Gericht bringen werde.“

      „Dem sehe ich mit Vergnügen entgegen“, erklärte Castillo, „es wird eine Menge Unrat ans Tageslicht gekehrt werden.“

      Capitán Torres schluckte und brachte nicht sofort eine Antwort heraus.

      Castillo wechselte einen Blick mit dem Seewolf. Zweifellos wußte der Inselkommandant etwas über den Mordauftrag. Wie vermutet. Nur standen die Chancen, darüber die Wahrheit herauszufinden, im Augenblick denkbar schlecht.

      Torres wandte sich ruckartig wieder der Jolle zu, die in Rufweite vor der Bucht lag.

      „Hören Sie jetzt meine Entscheidung, Señor Brighton! Sie haben mit Ihrem Schiff unverzüglich die Küstengewässer von Flores zu verlassen. Ich gebe Ihnen dafür eine Frist von sechs Stunden. Falls Sie sich widersetzen, werde ich die Stützpunktflotte gegen Sie einsetzen.“

      Der Erste


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