Seewölfe - Piraten der Weltmeere 310. Frank Moorfield

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 310 - Frank Moorfield


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das noch mal, du abgetakelter Gorilla, und ich ziehe dir augenblicklich mein neues Holzbein über den Scheitel! Hoffentlich fällst du beim nächsten Eisregen auch mal auf deinen Affenarsch und auf deinen ausgestopften Strohkopf!“

      Dem Kutscher platzte der Kragen.

      „Wenn ihr jetzt nicht beide die Luken abschottet“, sagte er scharf, „dann schmiere ich euch von Kopf bis Fuß mit der schwarzen Salbe ein, damit ihr noch kräftiger stinkt als die geräucherten Dorsche!“

      Aber Old Donegal ließ sich von dieser Drohung nicht einschüchtern.

      „Fang du nur auch noch an, du Salbenmischer!“ sagte er übelgelaunt. „Warum eigentlich hast du es mit deiner Schmiere nur auf mich und Ed abgesehen, he? Was ist mit Luke? Kriegt der nicht auch was ab?“

      „Der ist auch noch dran“, entgegnete der Kutscher und schickte einen hilfesuchenden Blick gen Himmel. Gleich darauf wandte er sich Luke Morgan zu, der trotz seiner Schmerzen den hitzigen Debatten grinsend zugehört hatte.

      „Ist doch wahr!“ fuhr Old Donegal brummend fort. „So was ist doch ein starkes Stück! Geradezu eine Unverschämtheit ist das …“

      „Fängst du schon wieder an?“ unterbrach ihn der Kutscher.

      „Du hinkst mit dem Verstand hinterher“, erklärte der Alte, der einen mächtigen Gedankensprung absolviert hatte. „Ich meine doch längst nicht mehr dich oder Ed, sondern einfach das Sauwetter, das hier herrscht. Das ist schließlich schuld an meinem Unglück, jawohl! Da hat unsereins sowieso nur ein Bein, und da muß das auch noch was abkriegen. Und wenn ich erst an mein gutes altes Holzbein denke, da zwickt mich gleich die Galle. Hätte nicht wenigstens das heil bleiben können?“

      „Du hast doch noch Glück gehabt, O’Flynn, Sir“, sagte Hasard junior keck, während er dem Kutscher ein weißes Leinentuch reichte. „Hättest du anstelle des Holzbeins ein echtes Bein gehabt, wäre das eben gebrochen gewesen. So aber hat dir Mister Tucker rasch ein neues Holzbein geschnitzt.“

      „Hört euch diesen Lausejungen an“, begehrte der Alte auf. „Was verstehst du denn schon von echten Beinen und Holzbeinen, wie? Wenn ihr beiden Schlitzohren den Sand früher ausgestreut hättet, könnte ich jetzt noch hüpfen und Reigen tanzen. So aber bin ich dem Kutscher und seiner stinkenden Salbe hilflos ausgeliefert. So hilflos wie ein Säugling.“

      „Jetzt reicht es aber!“ brüllte der Kutscher. „Ich sollte euch wohl besser was mit ’nem Holzhammer auf die Köpfe geben und euch hinterher mit Scheuersand bestreuen, ihr kalfaterten Decksaffen!“

      Während Old O’Flynn und Edwin Carberry für einen Augenblick in absoluter Sprachlosigkeit verharrten, begann der Kutscher, seinen Krimskrams zusammenzupacken. Dabei wandte er sich in barschem Ton an die Zwillinge.

      „Und ihr beide verholt euch in die Kombüse und helft Mac beim Räuchern, hopp, hopp!“

      „So ist’s richtig!“ knurrte der Profos, und seine Stimme klang plötzlich wieder friedlich. Offensichtlich hatte es ihm mächtig imponiert, auch mal vom Kutscher angebrüllt worden zu sein, der sonst Streitereien tunlichst aus dem Wege ging. „Die jungen Spunde muß man immer schön auf Trab halten“, fuhr er fort. „Also, ihr Rübenschweinchen, verzupft euch hurtig an den Räucherofen und haltet die Dorsche hübsch fest, denn bei dem beißenden Qualm müssen die immer fürchterlich husten, ho!“

      Kichernd verließen die Zwillinge den Krankenraum der „Isabella“. Sie wußten sehr wohl, wie die deftigen Worte ihres Großvaters und Edwin Carberrys zu verstehen waren. Beide Männer waren trotz ihrer rauhen Schale prächtige Burschen, mit denen man durch dick und dünn gehen konnte. Nur – hilflos in der Krankenkammer zu liegen, das entsprach ganz und gar nicht ihrer Mentalität.

      Die „Rübenschweinchen“ waren – wie insgeheim auch der Kutscher – froh darüber, daß sich Old Donegal und der Profos wieder ordentlich zanken konnten, denn das war der beste Beweis dafür, daß sie sich auf dem Weg der Besserung befanden. Und da sie allesamt hart im Nehmen waren, würden sie schon recht bald wieder aus den Kojen steigen.

      Dan O’Flynn stand breitbeinig in der Jolle und warf unermüdlich das Lotblei aus, das an einer langen Leine befestigt war. Diese war wiederum durch verschiedene Lederstreifen in Abschnitte von je einem Faden Länge unterteilt.

      Immer, wenn das Lot den Grund erreicht hatte, sang Dan lautstark die Tiefe aus. Und das tat er nicht, weil er befürchtete, die Jolle könne auf Grund laufen, o nein. Die ständigen Lotungen waren vielmehr für die „Isabella“ bestimmt, die sich vorsichtig im Kielwasser der Jolle hielt und nur vor der Blinde segelte, um nicht zu schnell zu sein.

      Der Wind wehte noch immer aus Südwesten. Unter normalen Umständen hätte er sowohl die Jolle, die mit einer Lotcrew besetzt war, als auch die „Isabella IX.“ gute Fahrt laufen lassen. So aber mußten sich beide Segler mit einer elend langsamen Schleichfahrt begnügen.

      Das Ziel der Seewölfe war die Hafenstadt Abo an der finnischen Südwestküste. Doch die Gewässer, die sie durchqueren mußten, hatten sich als äußerst tückisch erwiesen. Zwischen den zahlreichen kleinen und kleinsten Inseln, die der Küste vorgelagert sind, gab es viele Untiefen. Diese Erfahrung hatten die Seewölfe erst vor wenigen Stunden machen müssen, als sie in der Nähe eines winzigen Inselchens aufgelaufen waren.

      Ein Runenstein auf dem kleinen Eiland, den sie als Poller benutzt hatten, um die „Isabella“ wieder flottzukriegen, war bei den Manöver umgestürzt und hatte den Seewölfen dann viel Ärger seitens der Finnen eingebracht.

      Zwei Ergebnisse dieses Ärgers waren der verwundete Edwin Carberry und Luke Morgan gewesen, die dem gestürzten Old O’Flynn im Krankenraum jetzt Gesellschaft leisteten.

      Diese Erfahrungen hatten den Seewolf dazu bewogen, die Jolle lotend voraussegeln zu lassen, um weiteren unangenehmen Überraschungen zu entgehen.

      Das einzige, was Hasard und seine Männer jetzt noch störte, war ein kleiner Segler, der ihnen am Rande der Sichtgrenze beharrlich folgte.

      „Ich möchte nur wissen, was die von uns wollen“, brummte Ben Brighton, der neben dem Seewolf auf dem Achterdeck der „Isabella“ stand.

      Hasard drehte an der Optik des Spektivs.

      „Meiner Meinung nach kann es sich nur um ein Fischerboot handeln. Aber du hast recht, Ben. Irgend etwas wollen die von uns, sonst würden sie uns nicht so hartnäckig auf den Hacken bleiben. Leider ist der kleine Segler zu weit von uns entfernt, sonst könnte man vielleicht erkennen, ob es sich um eins der drei Fischerboote handelt, die uns bei der Runenstein-Insel angegriffen haben.“

      „Möglich ist das schon“, meinte Ben Brighton, der Erste Offizier der „Isabella“ und Stellvertreter des Seewolfs. „Aufs Fischen sind die Burschen jedenfalls nicht aus, das steht fest. Die führen was gegen uns im Schilde, und nach all dem Ärger, den wir bisher in dieser lausigen Gegend hatten, verwundert das schon nicht mehr.“

      Der Seewolf spähte weiter durch den Kieker. Seine Blicke tasteten geduldig die Kimm ab.

      „Die finnische Schaluppe kann es nicht sein“, sagte er, „denn der haben wir ja den Mast weggeschossen und einen Schuß in den Bug verpaßt. Die Kerle haben zunächst mal alle Hände voll zu tun, um ihren Kahn wieder zusammenzuflicken.“

      Weitere Vermutungen gingen hin und her, aber das Rätsel um den geheimnisvollen Verfolger sollte vorerst ungelöst bleiben.

      Jetzt, gegen Abend, war es kälter geworden, der Wind wehte schärfer als tagsüber und ließ die Männer trotz ihrer winterfesten Kleidung zuweilen frösteln. Die Dunkelheit senkte sich mehr und mehr herab, das Grau der Wolken verwandelte sich fast unmerklich in einen schwarzen, dunstigen Schleier.

      Die Männer auf der Jolle waren immer noch unermüdlich mit dem Ausloten der Tiefe beschäftigt. Ständig erfolgten neue Meldungen, die dem Seewolf bestätigten, daß das mühsame Verfahren durchaus ratsam war.

      Hasard warf einen prüfenden Blick in die Umgebung.

      „Es wird bald dunkel


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