Seewölfe - Piraten der Weltmeere 113. Roy Palmer

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 113 - Roy Palmer


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vor die Kehle.

      „Ich warne dich“, zischte er. „Gib acht. Wenn du uns etwa täuschen willst und auf eine Gelegenheit zum Türmen wartest, dann steche ich dich nieder, Freundchen.“

      „Ich werde nichts dergleichen tun“, entgegnete Fong mit fester Stimme.

      De Romaes lachte leise auf und zog sich die Tellermütze etwas tiefer in die Stirn. Von den Booten, an denen sie mit dem Sampan vorbeiglitten, blickten vereinzelt Männer, Frauen und Kinder herüber.

      „Laß ihn, Raga“, sagte der Portugiese. „Er weiß sowieso, daß er uns nicht hinters Licht führen kann. Es wäre sein Ende, und er hängt am Leben, trotz allem.“

      Fong nickte, erwiderte aber nichts. Es war nicht das erste Mal, daß er sich so unterwürfig zeigte und beteuerte, nichts gegen seine Bezwinger im Schilde zu führen. Er hatte schon auf einer Dschunke dienen müssen, einem kleinen Küstensegler, dessen Seeleute ihn in den Gassen von Xiapu überwältigt und dann entführt hatten.

      Immer wieder hatte er dann auf einen glücklichen Zufall gehofft, der ihm aus der Patsche half – und dieser war eingetreten, nur nicht ganz so, wie er ihn sich vorgestellt hatte. Ein Sturm hatte die Dschunke vernichtet, und die Besatzung war umgekommen. Nur Fong-Ch’ang war als einziger von de Romaes gerettet worden – und vom Regen in die Traufe geraten.

      Ich werde fliehen, dachte Fong immer wieder, ich werde alles tun, um diesen Unmenschen zu entgehen. Lieber sterbe ich, als mich noch länger von ihnen mißhandeln zu lassen.

      Der Seewolf stand auf dem Achterdeck der „Isabella VIII.“ und hatte die Arme auf den Rücken gelegt. Es war fast eine Verlegenheitsgeste, denn im Augenblick wußte er nicht, was er unternehmen sollte – wirklich nicht. Er sandte einen langen, forschenden Blick über den Hafen und die Stadt und blinzelte, als die grellen Sonnenstrahlen ihm in die Augen stachen.

      Es war der neunte September 1584, früher Vormittag im Hafen von Shanghai, und Philip Hasard Killigrew hatte das Gefühl, wieder genau dort angelangt zu sein, wo er schon in Xiapu, dem verdammten Xiapu, gelandet war.

      Ihm klangen noch die Worte des Dolmetschers in den Ohren, der ihnen sofort nach ihrer Landung an der großen Holzpier auseinandergesetzt hatte, was der Würdenträger aus der Sänfte öffentlich verkündet hatte: der schwarze Segler sei konfisziert – namens der Regierung – die „Yang kuei tzû“, die fremden Teufel, hätten nichts mehr an Bord von „Eiliger Drache über den Wassern“ zu suchen, dürften vorläufig aber noch bleiben, gnädigerweise, bis alles geklärt sei!

      Da nutzte auch das Fluchen von Carberry nichts, daran änderte auch die Drohung von Thorfin Njal nichts, er werde hier ganz groß aufräumen.

      Der Wikinger, wie immer in seine rauchgrauen Felle gekleidet und mit seinem unvermeidlichen Kupferhelm angetan, hatte den schwarzen Segler verlassen und war zur Beratung neben Hasard aufs Achterdeck der „Isabella“ getreten.

      „Feine Begrüßung, das“, sagte er noch einmal. „Aber diesmal lernen mich die Gelbmänner kennen, diesmal laß ich mir nichts bieten. Kleinholz mach ich aus diesem Shanghai, bei Odin und seinen Wölfen …“

      „Thorfin“, erwiderte Hasard. „Hör doch auf. So kommen wir überhaupt nicht weiter.“

      „Willst du etwa einen Rückzieher …“

      „Nein“, unterbrach ihn der Seewolf. „Nur wie ein blindwütiger Narr werde ich mich nicht aufführen.“

      „Narr? Was? Meinst du etwa, ich …“

      „Mister Njal“, sagte Hasard scharf. „Gerade du solltest dich zurückhalten, denn du und deine Männer vom schwarzen Schiff, ihr habt im Moment die geringere Bewegungsfreiheit. Wenn jemand Siri-Tong finden und zurückholen kann, dann sind wir Seewölfe es.“

      „Nun mach aber mal einen Punkt.“ Der Wikinger ächzte.

      Hasard wies auf die Menschenmenge. Sie hatte sich auf dem Kai zusammengeballt, ein tuschelnder, schnatternder, ständig in Aufruhr befindlicher Haufen. Männer und Frauen und ein paar Halbwüchsige, die die „fremden Teufel“ wie Wundertiere beäugten.

      „Sie warten nur darauf, daß wir loslegen“, sagte der Seewolf. „Sekunden später wäre hier die Hölle los, aber wir hätten von vornherein den schlechteren Stand, weil das Überraschungsmoment nicht auf unserer Seite ist. Nein, den Gefallen tun wir ihnen nicht.“

      Thorfin Njal stemmte die mächtigen Fäuste in die Seiten und gab einen grollenden Laut von sich. Er konnte kaum noch an sich halten, das war ihm deutlich anzusehen. „So. Und was unternehmen wir statt dessen? Was, frage ich?“

      Hasard ließ die Frage vorerst unbeantwortet. Sein Blick schweifte wieder über den Hafen.

      Shanghai – der Wangpufluß war hier, gut acht Meilen vor seiner Mündung in den Jangtsekiang, beinahe eine halbe Meile breit. Dschunken kreuzten auf dem milchigen, von lehmigen Streifen durchwebten Wasser, Fährboote segelten fast unaufhörlich von einem Ufer zum anderen, und Sampans schaukelten auf den kleinen Wellen, immer wieder die Sampans, die aus der fernöstlichen Kulisse nicht fortzudenken waren.

      Shanghai war ein malerischer Hafen, der allen fremd und unheimlich anmutenden Zauber des Gelben Reiches offenbarte. Keiner vermochte sich diesem Zauber zu entziehen, auch Hasard nicht. Boote, beladen mit Blumen, glitten soeben an der „Isabella“ und dem schwarzen Segler vorbei, und ein Hauch von Lotosduft schien herüberzuwehen.

      Während die Seewölfe und die Crew des schwarzen Schiffes auf Oberdeck standen und berieten, wuchs die Menschentraube auf dem Kai. Sie schob sich näher heran und umringte die großen Schiffe. Alles palaverte, gestikulierte, wollte teilhaben an dem Abenteuer, das die Fremden zu verkörpern schienen.

      Und immer noch standen die Soldaten in ihren grünseidenen Gewändern da. Die Armbrüste hielten sie im Anschlag. Hinter ihnen, auf dem Kai, war das stetige Hin und Her, das fortwährende Bewegen von Lasten, die Mühsal der Kulis, die Reissäcke und andere Bündel auf den Schultern schleppten oder Frachtgut auf Einradschiebekarren geladen hatten und sich damit abplagten.

      Der Trubel wogte in den Gassen des Hafenviertels, und dort, in einigem Abstand, gewahrte der Seewolf auch Rikschas, die von eilfertigen kleinen Männern gezogen wurden. Fein herausgeputzte Männer und chinesische Modedamen blickten von den Sitzbänken aus herüber. Sie hielten farbige Sonnenschirme aus Ölpapier.

      Thorfin Njal wies auf die Soldaten mit den Armbrüsten. In seinem Innern gärte die Wut über die Tat Khai Wangs, diesen einmalig dreisten nächtlichen Überfall, mit dem er die Rote Korsarin von Bord des schwarzen Seglers geholt hatte. Es war der Gipfel der Ungeheuerlichkeit gewesen, und in seiner Ohnmacht suchte der Nordmann nach einer Möglichkeit, den aufgestauten Zorn irgendwie abzulassen. Die Soldaten – biedere Kerle mit finsteren Gesichtern – schienen da das richtige Zielobjekt zu sein.

      „Seht euch die Hunde an“, grollte der bärtige Riese. „Einmal mit der Faust dazwischen, einmal nur mit einem einzigen Geschütz zur Stadt ’rüberlangen, und sie haben kapiert, wer hier der Stärkere ist.“

      Ben Brighton war zu ihnen getreten. „Langsam, langsam“, sagte er zu dem Wikinger. „Das wollten wir in Xiapu auch, aber dann haben wir es uns anders überlegt. Da war es letztlich besser, die Ohren anzulegen und sich ruhig zu verhalten, Thorfin. Es hat uns mehr eingebracht.“

      Hasard hörte nur mit halbem Ohr hin. Er schaute über die Kopfbedekkungen der Soldaten – schwarze Lederkappen mit bunten Federbüschen – und suchte nach dem Würdenträger, der sie gleich nach ihrem Eintreffen dermaßen verdonnert hatte.

      Das Gewimmel der Kulis fächerte für einen Moment auf, und nun sah der Seewolf den Mann. Er raffte gerade die Schöße seiner reich bestickten, bodenlangen Gewänder und schickte sich an, sich wieder in seine Sänfte zu setzen. Der Dolmetscher wieselte hinter ihm her, die Diener öffneten die Vorhänge der Sänfte.

      „In Xiapu war ich nicht dabei“, versetzte der Wikinger gerade. „Darum kann ich mir kein Urteil erlauben. Aber wenn ich mit von der Partie gewesen wäre …“

      Hasard


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